Allendorf/Eder. Das deutsche Heizungsbauunternehmen Viessmann wird vom US-Konzern Carrier Global für 12 Milliarden Euro weitgehend übernommen. Die Details.

Am späten Dienstagabend stand es fest: Das renommierte deutsche Heizungsbauunternehmen Viessmann aus dem nordhessischen Allendorf/Eder wird in weiten Teilen für zwölf Milliarden Euro vom US-Konzern Carrier Global Corporation übernommen. 80 Prozent des Kaufpreises sollen in bar an die Gründerfamilie fließen, 20 Prozent in Anteilen am US-Konzern. Max Viessmann wird Mitglied im Verwaltungsrat des US-Konzerns.

Der Carrier Group mit Sitz in Palm Beach Gardens (Florida) ist ein führendes Unternehmen bei Klimalösungen im Wohn- und Gewerbesegment in Nordamerika sowie im europäischen großen Gewerbemarkt mit mehr als 50.000 Beschäftigten und rund 20 Milliarden US-Dollar Jahresumsatz. Darüber hinaus hat Carrier über seine lokale Marke Toshiba Carrier Corporation eine starke Präsenz in Asien.

„Mit diesem Schritt schaffen Viessmann Climate Solutions und Carrier gemeinsam einen neuen globalen Champion für Klima- und Energielösungen“, heißt es in einer Viessmann-Mitteilung. Offenbar sah man sich in Allendorf/Eder allein der zunehmend auf den europäischen Markt drängenden Konkurrenz aus Asien nicht gewachsen. „Wir können die weltweite Energiewende nur dann erfolgreich meistern, wenn Unternehmen global denken, handeln und zusammenarbeiten. Basierend auf unserer sehr positiven Wachstumsdynamik und unserem führenden integrierten Lösungsangebot führen wir unseren Geschäftsbereich Climate Solutions mit Carrier zusammen und schaffen einen zukunftssicheren globalen Klima-Champion. Durch den Zusammenschluss entsteht aus einer Position der Stärke heraus ein schnell wachsender Innovationsführer in einem hart umkämpften Markt. Diese Partnerschaft ist die perfekte Basis, um gemeinsam Wachstumschancen zu nutzen und unsere Verantwortung für kommende Generationen zu verstärken“, erklärt Max Viessmann, Vorstandsvorsitzender der Viessmann Group in einer Mitteilung.

Standortgarantien für die kommenden Jahre

Genau die Viessmann-Sparte, die nun in Carrier aufgeht, erlebte zuletzt ein rasantes Wachstum und Rekordumsätze, befeuert durch die deutsche Klimawendepolitik – an der aber auch asiatische Großkonzerne wie Samsung und LG aus Korea oder Midea aus China mitverdienen wollen. Der Umsatz bei Viessmann stieg 2022 auf das Rekordniveau von 4 Milliarden Euro. Familie Viessmann kündigte Milliardeninvestitionen des global agierenden Unternehmens mit weltweit da 14.500 Beschäftigten an.

„Starke Partnerschaften waren in den vergangenen 106 Jahren immer grundlegend für den Erfolg unseres Familienunternehmens. Und Carrier ist ein starker Partner für unseren Geschäftsbereich der Klimalösungen. Mit der Bündelung unserer Kräfte heben wir unseren Beitrag zur Dekarbonisierung des Gebäudesektors auf die nächste Stufe, mit einer größeren Relevanz und Reichweite auf globaler Ebene – für unsere Familienmitglieder, für unsere Handwerkspartner und vor allem für mehr Klimaschutz“, erklärte Martin Viessmann, Vorsitzender des Verwaltungsrats der Viessmann Group. Durch die Übernahme entstehe ein Marktführer für intelligente Klima- und Energielösungen mit rund 45.000 Mitarbeitenden und einem Gesamtumsatz von mehr als 17 Milliarden US-Dollar.

Der Abschluss der Transaktion werde bis Ende des Jahres erwartet. Viessmann Climate Solutions bleibe unter der Leitung von Bereichsvorstand Thomas Heim am Hauptsitz des Unternehmens in Allendorf/Eder - zumindest für eine gewisse Zeit. In der gemeinsamen Mitteilung heißt es: „Beide Parteien haben sich auf langfristige Garantien geeinigt: Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen (drei Jahre), Garantien für die wichtigsten Produktions-, Forschungs- und Entwicklungsstandorte (fünf Jahre) sowie den Hauptsitz in Allendorf (zehn Jahre).“

Ob Viessmann das einzige Unternehmen der Branche bleibt, das hier die Segel streicht, ist offen. Vaillant aus Remscheid oder Stiebel Eltron aus Holzminden könnte es ähnlich gehen. Gegen noch potentere Konkurrenz aus dem Ausland dürften die deutschen Traditionsunternehmen einen schweren Stand haben. Es erinnert an die einst weltweit führende deutsche Solarbranche Anfang der 2000er Jahre mit Solar world und Co., die schließlich vor billigerer und staatlich subventionierter Konkurrenz aus Asien weitgehend in die Knie ging.

Rückzug aus dem operativen Geschäft

Die Gründer-Familie Viessmann hatte sich zuletzt aus der operativen Steuerung des Bereichs Klima-Lösungen zurückgezogen, die Thomas Heim als CEO seit 2022 leitet, und auf die Führung der Viessmann-Unternehmensgruppe konzentriert. Vom Verkauf bleiben die Bereiche Kältelösungen, Beteiligungen, Immobilien sowie Stiftungen und eine Digitalsparte laut Unternehmen unberührt. Hier seien rund 4000 Beschäftigte tätig, es werde rund eine Milliarde Umsatz in den verbleibenden Geschäftsfeldern erzielt.

Im März dieses Jahres hatte Verwaltungsratschef Martin Viessmann (dritte Generation) mit Blick auf das Traditionsunternehmen noch sehr optimistisch geklungen: „Das Jahr 2022 markiert einen wichtigen Meilenstein in unserer Unternehmensgeschichte, denn wir haben gezeigt, wofür Viessmann steht. Heute sind wir sehr gut aufgestellt, um die vor uns liegenden Jahrhundertchancen bestmöglich zu nutzen. Dabei fokussieren wir uns weiter darauf, die Energiewende im Gebäudesektor zu beschleunigen und einen messbaren Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel zu leisten.“

Maximilian Viessmann, Anfang 30 und vierte Generation der Gründerfamilie, ist seit vergangenem Jahr alleiniger Vorstandsvorsitzender der Viessmann Gruppe und gilt als Treiber der Digitalisierung im Unternehmen und steht für innovative Mittelstandsprojekte wie den 2020 gegründeten „Maschinenraum“ im hippen Berliner Viertel Prenzlauer Berg. Am gerade als „Innovationsort des Jahres 2023“ ausgezeichneten Projekt sind mittlerweile bereits 65 mittelständische Familienunternehmen beteiligt.