Hagen. Kleinere deutsche Zulieferer ohne Standorte im billigeren Ausland haben es immer schwerer. Warum sich die Tendenz beschleunigt.

Die rund 9000 Unternehmen unter dem Dach der Arbeitsgemeinschaft Zuliefererindustrie haben 2022 mit rund 244 Milliarden Euro ein Umsatzplus von mehr als 14 Prozent erzielt. „Allerdings sind auch unsere Kosten um mehr als 14 Prozent gestiegen“, beschreibt Christian Vietmeyer, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft und Geschäftsführer des Wirtschaftsverbands Stahl- und Metallverarbeitung (WSM) mit Sitz in Hagen das Dilemma.

Die Interessengemeinschaft reicht vom Stahl, über die Aluminium- und Kunststoffindustrie sowie Gießereien bis hin zum Industrieverband Veredlung-Garne-Gewebe-Technische Textilien. Die 9000 Betriebe sind überwiegend mittelständisch geprägt und beschäftigen mehr als 900.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie sind besonders im Automobilzuliefergeschäft vertreten. „Außer der Windschutzscheibe ist alles dabei“, so Vietmeyer.

Zulieferer haben nichts von Rekordgewinnen der Autobauer

Die großen Autobauer haben zuletzt Rekordgewinne gemeldet – etwas anderes als gestiegene Umsätze. Die mittelständischen Unternehmen aus der Zuliefererbranche leiden nach eigenen Angaben weiter unter den gestiegenen Kosten für Rohmaterial, Energie und Lieferkosten auf der einen Seite und dem Druck der Großen auf der anderen Seite – und beinahe dem Zwang, international tätig zu werden.

„Wer es nur mit deutschen Standorten versucht, dürfte es zunehmend schwer haben“, erklärt Michael Weigelt, Geschäftsführer des Verbands Technische Kunststoff-Produkte.

Die Automobilproduktion hierzulande ist seit Jahren stark rückläufig, von einst (2012) über 5,6 Millionen Pkw und Kleintransportern sei die Zahl auf nun mittlerweile nur noch rund 3,6 Millionen geschrumpft. Gleichzeitig steige die Produktion deutscher Autokonzerne im Ausland auf inzwischen 10 Millionen Fahrzeuge an.

Industriestrompreis nötig

Die Zulieferer sprechen von einer schleichenden Deindustrialisierung im Automobilsektor – dies führe gerade bei den kleineren Zulieferern zu sinkenden Abrufzahlen, weil im Ausland zunehmend lokal zugekauft werde und nicht jeder Zulieferer mit ins Ausland gehen könne. Deshalb müssten sich die Rahmenbedingungen vor Ort sehr schnell ändern, sagt Vietmeyer. Er spricht an, was viele wollen: mehr Tempo bei der Energiewende, Ausbau der Infrastruktur, damit die Unternehmen am Standort Deutschland absehbar einigermaßen eine Perspektive behalten. Dazu beitragen könnte auch ein „Industriestrompreis“, wenn er nicht allein den Großunternehmen vorbehalten bleibt.

Energieintensiv sind schließlich auch die Gießereien und kleineren Aluminiumbetriebe. Wann eine solche Erleichterung kommen wird, ist laut Vietmeyer unklar: „Wo wir da stehen, wüsste ich auch gern.“ Frankreich und Spanien seien bei diesem Thema schon viel weiter. Ganz abgesehen von den niedrigeren Energiekosten in den USA.