Düsseldorf. Gut gemeint, aber schlecht gemacht: Hilfen für energieintensive Unternehmen werden selten in Anspruch genommen. Das hat einen Grund.

NRW-Unternehmerpräsident Arndt Kirchhoff hat vor verfrühter Entspannung in der Energiekrise gewarnt. Die meisten Betriebe in Nordrhein-Westfalen hätten sich zwar widerstandsfähiger gezeigt als erwartet und seien verhältnismäßig gut durch die schwierige Lage gekommen, „doch wir dürfen uns nicht im falschen Gefühl der Sicherheit wiegen“, sagte Kirchhoff am Mittwoch in Düsseldorf.

Die Energiepreisbremsen der Bundesregierung seien zwar gut gemeint, griffen jedoch bei einer Vielzahl von Mittelständlern an Rhein und Ruhr gar nicht. Es gebe von Unternehmen aus energieintensiven Branchen wie Chemie, Stahl, Papier, Glas oder Aluminium „alarmierende Rückmeldungen“, so Kirchhoff. Die Bedingungen für staatliche Energiepreisentlastungen seien derart bürokratisch, dass Schätzungen zufolge die Hälfte der betroffenen Betriebe unsicher ist, ob sie überhaupt Geld in Anspruch nehmen sollen oder besser Produktionskapazitäten ins Ausland verlagern. „Hilfe, die so kompliziert ist, dass ich besser gar keinen Antrag schreibe, ist keine Hilfe“, kritisierte Kirchhoff. Hintergrund: Damit die Energiepreisbremse europarechtlich abgesichert ist und nicht so leicht missbraucht werden kann, ist sie an verschiedene Voraussetzungen geknüpft wie Branchenzugehörigkeit, Energieverbrauch und Betriebsergebnis. Die Landesvereinigung der Unternehmensverbände in NRW plädiert dafür, lieber EU-weit oder auf nationaler Ebene einen für alle gedeckelten Industriestrompreis anzubieten.

Energiepreis-Niveau wird wohl 40 Prozent über Vorkriegs-Level bleiben

Da die Unternehmen an Rhein und Ruhr davon ausgehen, dass sich die Energiepreise in Deutschland dauerhaft rund 40 Prozent über dem Niveau vor Ausbruch des Ukraine-Krieges etablieren werden, sorge man sich in etlichen Branchen um die mittelfristige Wettbewerbsfähigkeit, so Kirchhoff. Wenn Produktionen verlagert würden, seien Wertschöpfungsketten schnell in Gefahr. Zuletzt hatte sich die NRW-Wirtschaft nach Jahren des Aufholens bereits wieder schlechter entwickelt als der Bundesschnitt.

Die Wirtschaft nimmt auch die neue schwarz-grüne Landesregierung in die Pflicht. „Wir brauchen ein neues Nordrhein-Westfalen-Tempo“, forderte Kirchhoff. Die Genehmigung von Investitionen und Infrastrukturprojekten müsse deutlich schneller werden. NRW könne sich auch keine umweltpolitischen Sonderwege mehr leisten, die über EU- und Bundesrecht hinausgingen. Er erwarte, dass die Landesregierung einen eigenen Beitrag für die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandortes leiste. „2023 wird das Jahr der Wahrheit“, so Kirchhoff.

CDU und Grüne wollen NRW zum ersten klimaneutralen Industrieland Europas machen und vor allem mit Wasserstoff die hohe Gas- und Kohle-Abhängigkeit in den kommenden Jahren deutlich reduzieren. Bislang fehlt es jedoch fast überall an Leitungen, so dass Unternehmen die teure Umrüstung ihrer Anlagen aufschieben.