Essen. Flächen zur Ansiedlung von Unternehmen im Revier reichen noch knapp drei Jahre. Was die bessere Nutzung von Gewerbegebieten bringen kann.

Das Ruhrgebiet ist bei Unternehmen gefragt. Allerdings reicht der Vorrat an uneingeschränkt verfügbaren Gewerbeflächen nach Berechnungen der Business Metropole Ruhr (BMR) nur noch weniger als drei Jahre. Um der Not Herr zu werden, setzen die Wirtschaftsförderer nun darauf, den kostbaren Platz in bestehenden Gewerbegebieten besser zu nutzen und zu verdichten.

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In den Ruhrgebietsstädten gehen reihenweise Anfragen von Unternehmen ein, die expandieren wollen oder sich hier ansiedeln wollen. Oft erhalten sie Absagen, weil es keine Grundstücke gibt. „Gewerbeflächenmangel herrscht inzwischen in vielen Metropolen“, sagt Julia Frohne, Geschäftsführerin der Business Metropole Ruhr GmbH. Geteiltes Leid ist in diesem Fall nicht das halbe Leid. Denn das Ruhrgebiet hat beim Kampf gegen die Arbeitslosigkeit aufgeholt, hat zusätzliche Jobs aber immer noch bitter nötig.

Pilotprojekte in Bottrop, Duisburg, Mülheim, Witten

Ehemalige Industriebrachen gibt es reichlich. Doch viele sind aufgrund von Altlasten nur unter erheblichen Mühen nutzbar. Frohnes Team hat sich deshalb beispielhaft bestehende Gewerbegebiete in den Pilotkommunen Bottrop, Duisburg, Ennepetal, Hagen, Mülheim, Schwelm und Witten angeschaut und kam dabei zu einem überraschenden Ergebnis: „Mit der intensiveren Nutzung bestehender Gewerbegebiete könnten hochgerechnet auf die Metropole Ruhr rund 3000 Hektar identifiziert und damit die Not gelindert werden“, sagt Frohne.

Julia Frohne ist Geschäftsführerin der Business Metropole Ruhr.
Julia Frohne ist Geschäftsführerin der Business Metropole Ruhr. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

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Bei der Durchforstung bestehender Gewerbegebiete stießen die Fachleute auf überdimensionierte Parkplatzflächen oder – wie in Hagen-Wehringhausen – auf eine abgebrannte Fabrik. In Bottrop fiel die große Zahl an Autoverwertern auf, die in der Regel sehr viel Platz benötigen. Die Wirtschaftsförderer entdeckten aber nicht nur Verschwendung kostbaren Platzes. In Duisburg etwa hat sich schon vor Jahren eine Interessengemeinschaft aus Unternehmen und städtischer Wirtschaftsförderung gegründet, die sich um das Management großer Gewerbegebiete in den Hafen-nahen Stadtteilen Kaßlerfeld und Neuenkamp kümmern.

Ein „Kümmerer“ gehört nun auch zu der Fülle von Empfehlungen, die die Business Metrople Ruhr aus dem abgeschlossenen Pilotprojekt ableitet und den anderen Revierstädten auf dem Weg zur „Nachverdichtung“ von Gewerbegebieten an die Hand geben will. „Der Handlungsleitfaden, den wir in den Projektstädten erarbeitet haben, ist nun auch für andere Kommunen nutzbar. Es steht ein ganzer Instrumentenkasten zur Verfügung – vom Kümmerer eines Gewerbegebiets über das Planungsrecht bis hin zur Option des Vorkaufsrechts, die Gemeinden beim Erwerb einzelner Flächen ziehen können“, sagt Projektleiter Stephan Beckers.

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„Die größten Einflussmöglichkeiten hat eine Stadt, wenn sie Flächen selbst entwickelt“, betont Gernot Pahlen, Abteilungsleiter bei der BMR. „Die Ausübung von Vorkaufsrechten kann helfen, hierfür die eigentumsrechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, sofern entsprechende finanzielle Mittel vorhanden sind. Dieser Weg könnte im Ruhrgebiet künftig häufiger beschritten werden.“

„Wir brauchen neue Industrieflächen“

Die optimierte Nutzung des vorhandenen Platzes gilt allerdings nicht als Allheilmittel. „Durch Nachverdichtung in bestehenden Gewerbegebieten kann es gelingen, weniger in den Freiraum eingreifen zu müssen“, meint BMR-Geschäftsführerin Julia Frohne. Ihr Duisburger Amtskollege Rasmus Beck, der jüngst Gast des WAZ-Podcasts „Die Wirtschaftsreporter“ war, wird da deutlicher. „Die Flächenknappheit im Ruhrgebiet ist chronisch. Für künftige Ansiedlungen mit nennenswerten Arbeitsplatzeffekten brauchen wir neue Industrieflächen gerade in den urbanen Teilen des Ruhrgebiets“, sagt er.

Dabei ist es nicht nur in Duisburg gelungen, den politisch heiklen Verbrauch von Freiraum zu minimieren. Zuletzt betrug der Anteil dort nur noch zwei Prozent, ruhrgebietsweit waren es rund 34 Prozent – Tendenz weiter sinkend.

>>> 304 Hektar kurzfristig nutzbar

Das restriktionsfreie Reservoir von Flächen ohne Altlasten-Probleme und zu nahe Wohnbebauung im Ruhrgebiet schrumpft immer weiter. Im vergangenen Jahr waren es noch rund 480 Hektar, von denen 304 Hektar kurzfristig zu bebauen sind.

Durch Nachverdichtung in den Gewerbegebieten könnten nach Hochrechnungen der BMR 3000 Hektar geschaffen werden.

1260 Hektar kommen als sogenannte regionale Kooperationsstandorte hinzu. Die Flächen teilen sich in der Regel mehrere anliegende Kommunen. Die Konditionen müssen allerdings noch ausgehandelt werden.