Hagen. Zementwerke setzen in der Produktion viel CO2 frei. Warum die Firma Spenner in Erwitte mit Mitbewerbern eine Pipeline zum Abtransport plant.

Die Europäische Union hat sich am Wochenende darauf verständigt, wie das Tempo auf dem Weg zur Klimaneutralität zu forcieren ist. Die Lösung: Es wird auf der Strecke zur Klimaneutralität noch einmal einen Gang höher geschaltet. Vieles wird für viele teurer, ab 2027 auch für EU-Bürgerinnen und Bürger außerhalb Deutschlands (Heizen, Verkehr).

Für die Industrie steigen zudem die Kosten für den Anfall des Treibhausgases Kohlendioxid in der Produktion. Zertifikate, die es seit 2005 in der EU gibt, um sich „freizukaufen“, werden schneller teurer als bisher. „Für uns bedeutet der Trilog (Einigung von EU-Parlament, EU-Kommission und Ministerrat der EU/Anm. d. Red.) eine drastische Verschärfung der Bedingungen“, stellt Dirk Spenner fest. Der 57-Jährige ist seit 1994 Geschäftsführender Gesellschafter des mittelständischen Kalk-, Beton- und Zementherstellers Spenner in Erwitte.

Land finanziert Pipeline-Studie

Während die europäische Stahlbranche zumindest den Weg zu einer CO2-freien Produktion zu kennen glaubt, galt dieses Ziel in der Zementbranche lange Zeit als utopisch. Die bisherigen Produktionsverfahren setzen jede Menge Kohlendioxid frei, mehr als in den meisten anderen Industrien. Offenbar zeigt der Kostendruck innerhalb der EU Wirkung, regt Erfindergeist an. Es wird an neuen Techniken getüftelt, die auch der Zementindustrie auf die Sprünge Richtung Klimaneutralität helfen sollen. Es gebe derzeit etwa zehn verschiedene Technologien, die erprobt würden, sagt Zementhersteller Spenner. Welche für das Familienunternehmen mit rund 500 Beschäftigten die richtige sein könnte, sei aber völlig offen. Eine Umstellung des Produktionsverfahrens ist also noch Zukunftsmusik. „Wir stehen hier nicht vor einer Sprunginnovation. Für ein Unternehmen wie unseres ist eine Technikumstellung kein leichtes Unterfangen. Der Treffer muss sitzen“, erklärt Spenner. Der Mittelständler habe das Ziel, 2045 klimaneutral zu produzieren.

Bis dahin investiere man dort, wo es geht. In Photovoltaik etwa. Und in ein ehrgeiziges Gemeinschaftsprojekt von insgesamt sechs Unternehmen der Branche. In der Gegend an der Grenze zwischen Süd- und Ostwestfalen ist man nicht allein mit der Zementproduktion – und den damit verbundenen Problemen angesichts immer schneller höher werdender Anforderungen und Kosten für den Klimawandel.

Es geht um eine Kohlendioxid-Pipeline, mit der anfallendes CO2 abtransportiert werden soll. Entweder zu Unternehmen, die damit etwas anfangen können. „Das ist vor allem die Chemieindustrie an der Rheinschiene“, sagt Spenner. Oder in Richtung Nordsee, um den ungeliebten Stoff von dort aus unter dem Meeresboden verpressen zu lassen und so der Atmosphäre zu entziehen, wie es Norwegen bereits praktiziert. Dieses Carbon Capture and Storage, kurz CCS, genannte Verfahren ist nicht neu, wurde aber lange diskutiert. Beim Prozess wird viel Energie verbraucht und Lagerstättensicherheit ist ein Problem.

Das Erwitter Projekt nimmt dennoch Formen an. Das Land finanziert eine Machbarkeitsstudie, versichert Peter Liese, CDU-Europaabgeordneter aus Meschede, beim Gespräch über die Auswirkungen des verschärften Emissionshandels für Südwestfalen. Der Sauerländer ist hier quasi Primärquelle, denn am Beschluss zur Reform des Emissionshandels in Europa saß er als Verhandlungsführer für das Parlament mit EU-Kommissar Frans Timmermans am Tisch. Dabei hat er die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Mittelstands mindestens im Hinterkopf gehabt. „Das ist gelungen“, sagt Liese und meint die Grenzabgabe-Klausel. Unternehmen aus Drittländern, in denen es mit Klimaschutz weit weniger genau genommen wird und die daher billiger produzieren können, sollen einen Ausgleich zahlen, wenn sie Güter in die EU einführen.

Heikler Vorschlag

Ein heikler Vorschlag, der gegen Kriterien der Welthandelsorganisation WTO verstoßen könnte. Man weiß es noch nicht so genau. Deshalb versucht es die EU mit kleinem Besteck. Geringe Abgabe und auch erst ab 2026 lautet der Stand der Dinge. Für Dirk Spenner ist klar: „Wenn die Grenzabgabe nicht funktioniert, können wir hier nicht mehr wettbewerbsfähig arbeiten.“ Genau diese Unsicherheit dürfte ein wesentliches Hemmnis für schnelle Investitionen in klimafreundliche Produktionsanlagen sein.