Arnsberg. Die Förderabsage für das zukunftsweisende Wasserstoffprojekt in Arnsberg kommt aus heiterem Himmel. So begründet das Land die Entscheidung.
Das Projekt HydroNet in Arnsberg soll wegweisend für die Wasserstoffversorgung einer ganzen Region sein. Plötzlich steht es auf der Kippe.
Vorgestellt wurde HydroNet bereits vor anderthalb Jahren. „Mit dem Projekt Klimaschutz-Modellregion Sauerland startet heute der Aufbau der Wasserstoffwirtschaft auch im Sauerland“, verkündetet der damalige Ministerpräsident Armin Laschet im Juli 2021 und befand: „Das ist eine gute Nachricht und ein wichtiges Signal für den Standort und für das Sauerland.“
Die technische Umsetzung hätte bereits Mitte dieses Jahres beginnen sollen. An den Akteuren vor Ort lag die Verzögerung nicht. Vielmehr an der Frage einer Millionenförderung durch die Landesregierung, die in der vergangenen Legislatur noch Feuer und Flamme war.
Nicht an Verabredung gehalten
Die Begeisterung in Düsseldorf scheint inzwischen erloschen zu sein: Im März dieses Jahres reichte der Projektentwickler, der Energieversorger Westenergie aus Essen, beim Landeswirtschaftsministerium eine Projektskizze ein, die die Förderfähigkeit belegen sollte. Mit rund 25 Millionen Euro Förderung rechnete man für HydroNet. Als es in den Tiefen des Ministeriums um die konkrete Umsetzung ging, gab es offenbar mehr Redebedarf als erwartet. „Um eine Antragstellung auf Grundlage der NRW-Richtlinie progres.nrw-innovation zu ermöglichen, wurde im Rahmen mehrerer Gespräche mit den Projektverantwortlichen verabredet, das Vorhaben neu zu strukturieren, zu fokussieren und so als Forschungs- und Entwicklungs-Projekt im Sinne eines förderfähigen Demonstrationsvorhabens zu gestalten“, lässt das Ministerium jetzt wissen.
Im Programm „Progres.NRW-Innovation“ bündelt das Land klima- und energiepolitische Förderaktivitäten für Projekte mit Modellcharakter und unter wissenschaftlicher Begleitung. Die Skizze wurde im engen Austausch mit dem Ministerium entsprechend überarbeitet – damit allerdings auch noch teurer. Statt 50 stehen nun rund 58 Millionen Euro Projektvolumen zu Buche. Statt um 25 Millionen Euro wird nun um knapp 38 Millionen Euro Förderung gebeten.
Während die Entwickler der Wasserstoff-Modellregion im Sauerland bis zuletzt ein gutes Gefühl hatten und sich auf dem goldrichtigen Förderweg wähnten, liest sich die aktuelle Einschätzung aus dem Hause von Ministerin Mona Neubaur wie ein großes Missverständnis: Nach Einschätzung des Ministeriums entspreche die im November vorgelegte überarbeitete Projektskizze „nicht den zuvor getroffenen Verabredungen im Hinblick auf eine Fokussierung, die Passgenauigkeit zur Förderrichtlinie Progres.NRW-Innovation sowie die Höhe der beantragten Förderung“. Förderungen über das Programm Progres-NRW lägen in der Regel im einstelligen Millionenbereich, lässt das Ministerium zudem wissen – und bestätigt, dass, zumindest vorerst, kein einziger Cent aus Düsseldorf ins Sauerland fließen wird: „Eine Finanzierung des Projekts durch das Land NRW wurde den Antragsstellern nie verbindlich zugesichert.“
Für den Sauerländer FDP-Bundestagsabgeordneten Carl-Julius Cronenberg scheint der Hintergrund der Absage nicht im Projekt begründet: „Das Tempo, in dem Schwarz-Grün den NRW-Haushalt vor die Wand gefahren hat, ist atemberaubend. Es ist inakzeptabel, wenn das Sauerland die Fehler ausbaden soll. Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Energiekrise ist der Aufbau einer leistungsfähigen Wasserstoffwirtschaft von herausragender Bedeutung. Das betrifft insbesondere unseren energieintensiven Mittelstand. Gemeinsam mit der Region wollen wir als FDP nichts unversucht lassen, das Projekt doch noch zu retten.“ SPD-Bundestagsfraktionsvize Dirk Wiese hat bereits die Fühler in Berlin in die entsprechenden Ministerien für Wirtschaft und in das für Forschung ausgestreckt, um die Förderfähigkeit von HydroNet prüfen zu lassen. Vielleicht kann Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) seiner Parteifreundin, Landeswirtschaftsministerin Mona Neubaur, ja aus der Patsche helfen.
Resolution des Regionalrats
Natürlich kann und sollte eine oberste Landesbehörde nicht freihändig mit Steuergeldern um sich werfen und Förderung für Projekte nicht zusichern, ohne geprüft zu haben, ob sie denn etwas taugen. Im Grundsatz war ja aber seit Sommer vergangenen Jahres klar, worum es geht und wie es funktionieren soll. Wie im ersten Schritt eine elf Kilometer lange Erdgasleitung zwischen Arnsberg und Balve-Eisborn zu einem 150 Megawattstunden großen Wasserstoffspeicher umfunktioniert werden kann, der in kalten Tagen wie diesen rund eintausend moderne Einfamilienhäuser mit Energie erwärmen könnte – von der Versorgung der Industrie in der Region und einer späteren Vernetzung vom Sauerland bis ins Ruhrgebiet einmal ganz abgesehen.
+++ Kommentar zum Thema +++
Dass das Land die Klimaschutz-Modellregion Sauerland nun hängen lässt, empört auch den Regionalrat Arnsberg über alle Maßen. Von der Absage erfahren hätten die Mitglieder erst aus dieser Zeitung, erklärt Hans Walter Schneider, Vorsitzender des Gremiums, das als eine politische Mittelinstanz bei Planungen von Projekten in der Region fungiert. „Die Absage kam für uns aus heiterem Himmel wie ein Schlag mit dem Hammer“, sagt Schneider. Der Regionalrat sei gerade dabei, eine Resolution zu verfassen, die von SPD, FDP, aber auch CDU und Grünen im Gremium voll unterstützt werde. „Die Landesregierung muss diese Entscheidung uns gegenüber begründen – oder besser noch, sie zurücknehmen“, fordert Schneider.
Indes lässt das Landeswirtschaftsministerium wissen, dass man gerne bei der Suche nach anderen Fördertöpfen insbesondere bei Bund oder EU unterstützen wolle. Aber darum kümmern sich ja jetzt bereits andere. Ebenso sei die Landesregierung – sofern es die Haushaltsmittel zuließen – offen dafür, den ursprünglichen Plan (vom März dieses Jahres) zur Entwicklung eines Teilprojekts, das über die Richtlinie progres.nrw-innovation förderfähig sein könnte, weiterzuverfolgen.