Essen. Erstmals seit Anfang der 50er-Jahre hat NRW eine zweistellige Inflationsrate. Preistreiber sind neben der Energie auch Lebensmittel und Pflege.
Dass die Wirtschaft auf eine ihrer größten Krisen der Nachkriegsgeschichte zusteuert, lassen immer mehr Zahlen und Worte erahnen. Deutschlands führende Ökonomen warnen in ihrem jüngsten Gutachten vor einem „permanenten Wohlstandsverlust“ durch die Energiekrise. Und die Inflationsrate in Nordrhein-Westfalen ist im September erstmals seit 70 Jahren zweistellig geworden, die Verbraucherpreise lagen um 10,1 Prozent höher als vor zwölf Monaten. Das ist die höchste Inflationsrate an Rhein und Ruhr seit Anfang der 1950er Jahre, teilte das Landesstatistikamt IT.NRW am Donnerstag mit.
Dass die Inflationsrate allein seit August einen Sprung um satte zwei Prozentpunkte machte, lag aber nicht in erster Linie an den Energiekosten, sondern am Auslaufen des 9-Euro-Tickets im Öffentlichen Personennahverkehr und des Tankrabatts. Die staatlichen Entlastungsmaßnahmen für Auto- und Bahnfahrer hatten im Sommer von Juni bis August die Inflation gedrückt beziehungsweise die tatsächlich im Markt herrschende Teuerung überdeckt.
Effekt von Rankrabatt und 9-Euro-Ticket weg
Entsprechend stiegen im September die Preise für „Personenbeförderungsleistungen“, wie die Statistiker Bahn- und Bustickets nennen, um 217,5 Prozent. Benzin verteuerte sich um 14 Prozent. Das entspricht ziemlich exakt dem weggefallenen Tankrabatt von 30 Cent bei Literpreisen um die zwei Euro.
Im Jahresvergleich bleibt aber die Energie die mit Abstand größte Preistreiberin. Seit September 2021 verteuerten sich Haushaltsenergien im Durchschnitt um 57,5 Prozent, wozu vor allem das Gas mit seinem Preissprung um 73,6 Prozent beitrug. Diesel war im September 42,8 Prozent teurer als vor einem Jahr.
Energiekrise verteuert auch Lebensmittel deutlich
Die hohen Energiepreise schlagen zugleich immer stärker auf viele andere Produkte durch, machen etwa auch Lebensmittel deutlich teurer – sie kosten im Schnitt 18,9 Prozent mehr als vor zwölf Monaten. Im Supermarkt sind Milchprodukte die größten Preistreiber, Butter und Quark kosten jeweils rund 60 Prozent mehr. In direktem Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine als wichtigem Weizen- und Öl-Exportland verteuerten sich Nudeln um 45,5 Prozent und Speiseöle und -fette um 52,8 Prozent.
Einen weiteren negativen Sondereffekt gibt es im Pflegebereich – allerdings nur aus der statistischen Verbrauchersicht, nicht für Beschäftigten: Weil seit September nur noch ambulante Pflegedienste zugelassen werden, die ihrem Personal Tariflöhne zahlen, stiegen die Preise für Pflegedienste um 11,6 Prozent.