Hagen. Knapp 500.000 Tonnen Weizen hat NRW 2021 exportiert. Das könnte sich im kommenden Jahr wegen des Kriegs in der Ukraine ändern.

Kein Getreide wird in Nordrhein-Westfalen häufiger angebaut als Weizen. Allerdings ist die Ernte in den vergangenen beiden Jahren, 2020 und 2021, geringer ausgefallen als zuvor. Dass es nun durch den Krieg in der Ukraine, die als Kornkammer Europas gilt, kurzfristig zu einem Versorgungsengpass in Deutschland kommt, ist dennoch unwahrscheinlich, erklärt Hubertus Beringmeier, Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes: „Die Weizenmengen, die wir in diesem Jahr brauchen, sind eingelagert. Es wird also bei uns 2022 keine Versorgungsengpässe geben. Mit Blick auf das kommende Jahr haben wir allerdings schon Sorgen.“

Weizenpreis ist Eckpreis

Weizen ist für unsere Landwirtschaft so etwas wie das Leitgetreide. Beim Anbau ebenso wie beim Preis. Im vergangenen Jahr sind laut Statistischem Landesamt (IT.NRW) mehr als 300.000 Tonnen Weizen nach NRW importiert worden. Die Top-3 Importländer waren Tschechien, Frankreich und Polen mit über 170.000 Tonnen. Lediglich gut 4000 Tonnen Importweizen stammten aus der Ukraine.

WLV-Präsident Hubertus Beringmeier hält die Versorgungslage in diesem Jahr für gesichert: „Die Weizenmengen, die wir in diesem Jahr brauchen, sind eingelagert. Es wird also bei uns 2022 keine Versorgungsengpässe geben. Mit Blick auf das kommende Jahr haben wir allerdings schon Sorgen.“
WLV-Präsident Hubertus Beringmeier hält die Versorgungslage in diesem Jahr für gesichert: „Die Weizenmengen, die wir in diesem Jahr brauchen, sind eingelagert. Es wird also bei uns 2022 keine Versorgungsengpässe geben. Mit Blick auf das kommende Jahr haben wir allerdings schon Sorgen.“

Tatsächlich wird bei uns vor der Haustür so viel Weizen geerntet, dass NRW in der Bilanz sogar mehr exportiert als einführt. Vor allem die Niederland und Belgien sind Abnehmer des deutschen Getreides, von dem 2021 beinahe eine halbe Million Tonnen ins Ausland verkauft wurde.

Zu Preisen zwischen 200 und 300 Euro pro Tonne. Mit dem Kriegsbeginn in der Ukraine am 24. Februar 2022 stiegen die Preise dann innerhalb weniger Tage auf rund 400 Euro, dort befinden sie sich aktuell weiterhin. Daran dürfte sich absehbar nichts ändern, selbst wenn der Krieg in Europa sofort beendet würde. 2021 betrug der Anteil der Ukraine und Russlands an der Weizenproduktion weltweit knapp 30 Prozent.

Der Weizenpreis ist so etwas wie der Eckpreis für viele landwirtschaftliche Produkte. Für die anderen Getreidearten sowieso, aber auch für andere Produkte“, erklärt Präsident Beringmeier, warum nicht nur Weizenmehl teurer geworden ist. Am Brötchen mache dies etwa zwei Eurocent aus.

Russland könnte als Weizenproduzent im kommenden Jahr ausfallen, bei der Ukraine ist es sehr wahrscheinlich.

Das gilt auch für die Lieferung von mineralischem Dünger, der rund 50 Prozent auf deutschen Feldern ausmacht. Düngerfabriken in der Ukraine seien zum Teil zerstört worden. Die Lieferkette über ukrainische Häfen dürfte absehbar gerissen sein. Während in NRW, wo es noch relativ viel Tierhaltung gibt, viel organischer Dünger eingesetzt werde, sei vor allem Ostdeutschland auf Mineraldünger angewiesen. Teuer bleibe dieser Dünger allemal, da zur Herstellung viel Energie (Gas) benötigt werde. Bereits jetzt sei daher organischer Dünger, also Gülle, entsprechend stark gefragt. Eilends eine Dünger-Produktion in Deutschland aufzubauen sei keine Lösung.

Raps nicht unendlich ausbaubar

Verstärkt auf gefragte Produkte wie Raps umzustellen sei in gewissem Umfang denkbar. Die Fläche könne etwas ausgedehnt werden, allerdings brauche Raps bessere Böden als andere Sorten. Eine weitere Einschränkung: „Raps ist anders als Mais nicht mit sich selbst verträglich“, erinnert Beringmeier. Sprich: Auf dem selben Feld kann nicht mehrfach hintereinander Raps angebaut und geerntet werden.

Mit Fragen der Versorgungs- und Ernährungssicherheit beschäftigte sich am Dienstag das gesamte WLV-Präsidium auf seiner Sitzung. Die im vergangenen Jahr beschlossene gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) sieht ab 2023 vor, mindestens vier Prozent landwirtschaftlicher Fläche stillzulegen. „Wir wollen den Umwelt- und Naturschutz nicht mit Füßen treten. Im Gegenteil. Allerdings sollte dieser Beschluss mit Blick auf Ernährungssicherheit vielleicht überdacht werden“, sagt Beringmeier. Mit der Politik sei man dazu in Gesprächen.

Imagewandel in der Krise

Der WLV-Präsident Hubertus Beringmeier nimmt wahr, dass sich durch die aktuelle Lage die Haltung vieler Verbraucher verändert hat: „Die Wertschätzung für uns und unsere Produkte ist heute eine ganz andere als noch vor sechs Monaten.“

Der Verband sieht darin eine Chance, dass sich die Menschen wieder anders mit Landwirtschaft auseinandersetzten. „Wir deutschen Bauern sind bereit dafür zu sorgen, dass die Regale gefüllt bleiben“, verspricht Beringmeier.