Sundern. Die 29-jährige Elisabeth Vielhaber musste vor einem Jahr wegen Corona viel schneller Chefin von 300 Beschäftigten werden als gedacht.

Ein Betrieb, der seit über 200 Jahren erfolgreich ist, hat zwangsläufig schon manche Krise überstanden. Das ist sicher. In einem Familienunternehmen sind damit immer viele Gesichter verbunden. Die der Menschen, die ihre Arbeitskraft tagtäglich zur Verfügung stellen. Und derjenigen, die das Unternehmen lenken und leiten. Auch durch schwierige Zeiten. In der Mühlenbäckerei Vielhaber aus Sundern-Stockum trägt die 29-jährige Elisabeth Vielhaber seit knapp einem Jahr Verantwortung für rund 300 Beschäftigte und die Zukunft des Traditionsunternehmens.

Ihren Einstieg in die Geschäftsführung hatte sich Elisabeth Vielhaber etwas anders vorgestellt. Weniger fremdbestimmt. Von einem Virus, der gerade die Welt fest im Griff zu halten scheint und natürlich vor dem Sauerland nicht Halt macht. „Ich wollte mich langsam einarbeiten“, erinnert sie.

Ins kalte Wasser

Aber just als die junge Frau nach dem Bäckermeistertitel und dem Master in Betriebswirtschaft im Februar vergangenen Jahres ihr Fachwissen als Meisterin des Mühlenwesens komplettiert hatte, erreichte die Corona-Krise mit dem ersten Shutdown die heimische Wirtschaft wie eine Breitseite auf stürmischer See und wirbelte alle Pläne durcheinander.

„Ich war heilfroh, dass es mit meiner Prüfung noch geklappt hat“, sagt die junge Chefin rückblickend. Nichts wurde es mit der sicher wohl verdienten Woche Skiurlaub im Anschluss an jahrelange Lernerei, mit ein bisschen Erholung vor dem durchgetakteten Einstieg als Chefin des mittelständischen Unternehmens in der siebten Generation.

Das Gute: Elisabeth Vielhaber hatte noch keine festen Aufgabenbereiche. Also war Luft, um sich mit allem Notwendigen rund um Corona zu beschäftigen: Mit einem Hygienekonzept für mehr als zwei Dutzend Filialen mit den Cafés, den Stammsitz in Sundern-Stockum ebenso wie für die Backstube und das Herz des Traditionsbetriebs, die Mühle.

Verglichen mit anderen Wirtschaftsbereichen, das ist Elisabeth Vielhaber sehr bewusst, ist die Bäckerbranche bislang vergleichsweise gut durch die Corona-Zeiten gekommen. Auch wenn unter dem Strich auch ihrem Betrieb Umsätze verloren gingen. So wie den Beschäftigten Geld im Portemonnaie an den Standorten, wo Kurzarbeit herrscht. Es fehlt in einigen Filialen schlicht die Kundschaft – etwa in der Dortmunder Innenstadt im Karstadt. Oder am modernen Campus-Hotel in Hagen nahe der Fernuniversität.

Gemeinsam mit dem Seniorchef, ihrem Vater Eberhard, versucht Elisabeth Vielhaber die Belastungen für die Belegschaft auszutarieren: „In so einer schlimmen Situation wächst man auch zusammen“, gewinnt die junge Frau vielem gerne Positives ab. Dass Bäckereien weiter geöffnet haben ist für sie der Beleg, wie „systemrelevant wir sind. Ein Job bei uns ist krisensicher!“ Die Chefin strahlt und wirbt für ihre Branche: „Wer in der Backstube arbeitet, hat nachmittags frei!“

Zu den aktuell 26 Filialen sollen noch ein paar dazu kommen. Bis zu 35 Filialen könnten von der Backstube im Sauerland aus beliefert werden, ohne an Regionalität und Handwerkskunst zu verlieren. Aber dazu braucht es dann auch personelles Wachstum. Nicht leicht in einer Branche, in der keine üppigen Gehälter gezahlt werden. „Wir wollen hier etwas tun, auch an den Verdienstmöglichkeiten schrauben“, verspricht die junge Chefin. Ihre Philosophie: „Ohne gute Leute, kann ich keine guten Produkte machen. Und ohne gute Produkte, kommen keine Kunden.“

Nachhaltigkeit im Blick

Soweit die Theorie der studierten Betriebswirtin, die als Handwerksmeisterin gleich eine Menge praktische Ideen für neue Produkte in der Tasche hat. Dabei spielt vor allem die Mühle eine große Rolle. Gemahlen wird hier Roggen von Landwirten aus der Region. Lange Zeit nutzten Vielhabers allein das Mehl. „Das Beste aus dem Rohstoff geht seit jeher an den Schweinbauern: die Kleie“. In der Schale des Getreidekorns sitzen Ballaststoffe, Mineralien, Vitamine. „Geröstet und mit Weizenkeimen ein super Topping für Salate und Joghurt“, erklärt Elisabeth Vielhaber, in welche Richtung sie denkt. Die Stockumer Brötchen werden bereits mit Roggengries bestreut. Auch hier sieht sie noch Potenzial für mehr. In der Adventszeit kam erfolgreich der „Roggilatius“ auf die Welt. Ein Spekulatius mit hellem Roggenmehl gebacken. Das Ziel: Die Mühle in Zukunft noch besser auslasten und so noch verlässlicherer Partner für die Landwirte in der Region sein. „Die Produkte, die wir entwickeln, sind gut für die Umwelt. Im Kleinen wie im Großen“, ist Elisabeth Vielhaber überzeugt. Auch wenn durch die Krise sich manches langsamer entwickle als gedacht, „lassen wir uns nicht vom Weg abbringen“.

Zum Feiern war der jungen Chefin in den zurückliegenden Monaten mit viel so viel Ungewissheit sicher nicht jeden Abend zu Mute. Ihren Optimismus und die spürbare Freude daran, die Zukunft der Mühlenbäckerei in verantwortlicher Position mitzugestalten, hat sie trotz Corona-Pandemie nicht verloren. Elisabeth Vielhaber ist in der Krise schneller gewachsen als gedacht: zu einer Unternehmerin.

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