Essen. Trotz Corona steigt die Zahl der Beschäftigten im Ruhrgebiet. Mehr Frauen, Akademiker und Ausländer sind sozialversicherungspflichtig tätig.
Trotz der seit mehr als zwei Jahren anhaltenden Corona-Pandemie wächst die Zahl der Arbeitsplätze im Ruhrgebiet. Einer aktuellen Studie zufolge gab es im vergangenen Jahr 16,1 Prozent mehr sozialversicherungspflichtig Beschäftigte als noch 2011. Das Wachstum um rund 250.000 auf 1,809 Millionen Stellen haben vor allem Frauen, Ausländer und Akademiker beflügelt.
„Das Ruhrgebiet von heute ist definitiv ein anderes als 2011. Es ist eine weltoffenere, diversere Wissensmetropole geworden“, sagt Julia Frohne, Geschäftsführerin der Business Metropole Ruhr. Die Wirtschaftsförderungsgesellschaft hat die Studie über die Beschäftigungsentwicklung im Revier herausgegeben. Mit den Ergebnissen zeigt sich Frohne zufrieden, zumal der Untersuchungszeitraum des Wirtschaftsberichts, das vergangene Jahr, von Einschränkungen durch die Corona-Pandemie geprägt war.
Die BMR-Geschäftsführerin sieht das Ruhrgebiet nach wie vor auf einer „Aufholjagd“ anderen Metropolen gegenüber. Denn die bundes- und landesweite Dynamik ist nach wie vor größer. Laut Wirtschaftsbericht gab es in den vergangenen zehn Jahren bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ein Plus von 19,0 Prozent, in Nordrhein-Westfalen betrug es 19,1 Prozent. Mit 16,1 Prozent im Revier gebe es deshalb noch Luft nach oben.
46 Prozent der Beschäftigten sind Frauen
Zu den ermutigenden Entwicklungen zählt Frohne, dass im Ruhrgebiet immer mehr Frauen sozialversicherungspflichtig arbeiten. Ihr Anteil in der Region ist auf 46 Prozent gewachsen. Seit 2011 ist das ein Plus von 19,8 Prozent. Die Männer brachten es nur auf ein Plus von 13,1 Prozent. „Die Arbeitswelt wird weiblicher“, sagt die Wirtschaftsförderin.
Dazu passt, dass sich zwischen Duisburg und Dortmund immer häufiger Teilzeit-Arbeitsmodelle durchsetzen. Nach Erkenntnissen des Wirtschaftsberichts haben inzwischen 30 Prozent der hiesigen Beschäftigen Teilzeitverträge. „Die Menschen haben andere und flexiblere Ansprüche an ihre Arbeit“, meint Frohne. „Darauf müssen sich Arbeitgeber einstellen.“
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Industrie- und Handelskammern, Handwerksorganisationen und Unternehmensverbände rufen unisono nach mehr Einwanderung, um den sich zuspitzenden Arbeitskräftemangel zu bekämpfen. Das Ruhrgebiet mit seiner Bergbau-Vergangenheit liegt dabei traditionsgemäß gut im Rennen. Der Anteil an ausländischen Beschäftigten ist seit 2011 um 95,1 Prozent gewachsen – auf Bundesebene sogar um 120,6 Prozent, während es im NRW-Schnitt 91,4 Prozent waren. „Ohne die ausländischen Fachkräfte geht es gar nicht mehr“, ist Julia Frohne überzeugt.
„Akademische Bildung hat lange keine große Rolle gespielt“
Auch wenn das Ruhrgebiet auf dem Feld der hochqualifizierten Beschäftigten einen großen Nachholbedarf hat, ist die Zahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit akademischem Abschluss in den vergangenen zehn Jahren um 81,8 Prozent auf 268.628 gewachsen. Dennoch macht ihr Anteil im Revier nur 17 Prozent der Beschäftigten aus. „Für eine Metropole wie uns geht da noch was“, sieht die BMR-Geschäftsführerin einen Ansporn. „Die akademische Bildung hat im Ruhrgebiet lange keine große Rolle gespielt“, so Frohne. Inzwischen gibt es 22 Hochschulen und Universitäten in der Metropole Ruhr, die auch überregional strahlen. Zum Vergleich: 1,064 Millionen Beschäftigte haben einen anerkannten beruflichen Abschluss, fast 278.000 sind ohne Abschluss tätig.
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Wie bereits in den Jahren zuvor arbeiten die meisten Menschen des Ruhrgebiets in der Gesundheitswirtschaft: 361.678 sozialversicherungspflichtig und 537.305 insgesamt. Das einstige ökonomische Herz, die Industrie, hat mit 411.930 Beschäftigten im Vergleich zur Gesundheitswirtschaft weiter an Bedeutung verloren. Allerdings hat die Industrie im vergangenen Jahr trotzdem mit 77,02 Milliarden Euro knapp viermal so viel Umsatz generiert wie die Gesundheitswirtschaft mit 19,93 Milliarden Euro.
Umweltwirtschaft setzt 100 Milliarden Euro um
Hohe Erwartungen hat BMR-Chefin Julia Frohne an die Umweltwirtschaft des Ruhrgebiets, die sich nicht nur mit der Abfallbeseitigung beschäftigt, sondern auch nachhaltige Themen wie Recycling, umweltschonende Techniken und Kreislaufwirtschaft besetzt. Insgesamt 88.277 Erwerbstätige in fast 7000 Unternehmen standen hier zuletzt für knapp 100 Milliarden Euro Umsatz.
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Die boomende Branche hat aufmerksam verfolgt, dass die neue schwarz-grüne NRW-Regierung das Thema Brachflächen-Recycling in ihren Koalitionsvertrag geschrieben hat. Rund 70 Prozent der Freiflächen im Ruhrgebiet sind mit Altlasten versehen. Für die Ansiedlung neuer Unternehmen spielen die Brachen eine große Bedeutung. „Wir hoffen, dass die Kommunen bei der Revitalisierung der Brachen finanziell unterstützt werden“, sagt die Wirtschaftsförderung in Richtung Landesregierung. Das würde dem Wirtschaftszweig einen zusätzlichen Schub verleihen.