Essen. In einer Studie landen drei Ruhrgebietsstädte unter den Top 5 der gründerfreundfreundlichsten Standorte. Warum Paris dennoch weit vorn liegt.
Berlin gilt seit jeher als Mekka für junge Unternehmen. Eine Studie kommt jetzt überraschend zu dem Ergebnis, dass Essen „die gründerfreundlichste Stadt Deutschlands“ ist. Neben Stuttgart und Düsseldorf gehören demnach auch Duisburg und Dortmund zu der bundesweiten Top 5.
Paris ist nicht nur die Stadt der Liebe und Träume. In der französischen Hauptstadt gibt es auch europaweit die besten Bedingungen für die Gründung von Start-ups. Das hat der Zahlungsdienstleister Unzer in einer umfassenden Analyse von Daten aus 85 Städten in 28 Ländern herausgefunden. Gründerfreundlichkeit zeichnet sich nach den Kriterien der Autorinnen und Autoren der Studie danach durch wenig Bürokratie, schnelle amtliche Bearbeitung, geringe Gebühren und Steuern und einen einfachen Zugang zu Krediten aus. Wichtig seien aber auch die bereits ansässigen kleinen und mittleren Unternehmen im Umfeld.
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Im Vergleich dieser Konditionen liegen Metropolen wie Paris, Lissabon, Vilnius, Kopenhagen oder Amsterdam bei positiven Gründerklima weit vorn. Die erste deutsche Stadt auf der langen Liste taucht allerdings erst auf Platz 16 auf. Es ist Essen. Düsseldorf folgt auf Rang 23, Duisburg auf Rang 31, Dortmund auf Rang 33 und Bochum auf Rang 48. Die deutsche Gründerhauptstadt Berlin indes findet sich auf Platz 60 im unteren Drittel wieder.
Kritik an bürokratischen Hürden beim Gründen
„Eine Unternehmensgründung in Deutschland ist relativ hürdenreich“, stellen die Autorinnen und Autoren der Unzer-Studie der Bundesrepublik ein recht durchwachsenes Zeugnis aus. Durchschnittlich acht Tage und 6,5 bürokratische Schritte seien hier notwendig, um ein neues Unternehmen amtlich registrieren zu lassen. Dafür werden 2865 Euro Gebühren fällig. Der europäische Durchschnitt liegt bei nur 1631 Euro. In Slowenien etwa zahlen Gründerinnen und Gründer gar nichts. Dafür sei Deutschland mit einem Körperschaftssteuersatz von 16 Prozent „eher unternehmerfreundlich“. Allerdings müssen Gründerinnen und Gründer hierzulande 218 Stunden für die Buchhaltung aufbringen. Im europäischen Schnitt sind es nur 195 Stunden.
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In der gründerfreundlichsten deutschen Stadt Essen fiel den Experten vor allem eines auf: „Die große Vielfalt aus etwa 283 kleinen und mittleren Unternehmen pro 100.000 Einwohner lassen auf ein eher unternehmerfreundliches Klima in Essen schließen“, urteilen sie. Vom europäischen Champion ist die Ruhrmetropole aber noch ein Stück entfernt. Eine Unternehmensregistrierung lässt sich in Paris in knapp vier Tagen und mit durchschnittlich 0,7 bürokratischen Schritten bewerkstelligen und kostet etwa 257 Euro. In Essen braucht es acht Tage und 6,5 Schritte. Mit 2865 Euro Gebühren ist Essen ein weitaus teureres Pflaster als Paris.
Ruhrgebiet steht für Industrie und Mittelstand
Bei aller Freude über das gute Abschneiden des Ruhrgebiets im europäischen Ranking blickt Svenja Tietje, Geschäftsführerin des Ruhrhub, der zentralen Anlaufstelle für Start-ups in der Region, auch kritisch auf die Ergebnisse der Analyse. „Die Studie zeigt, dass wir weiter daran arbeiten müssen, die bürokratischen Hürden beim Gründen abzubauen“, sagte Tietje unserer Redaktion. Gleichwohl gehöre Essen zu den Vorreitern, weil es in der Stadt eine Vielzahl kleiner und mittlerer Unternehmen gebe, mit denen Start-ups zusammenarbeiten können. „Das gesamte Ruhrgebiet steht für die Vielfalt von Industrie und Mittelstand“, so die Geschäftsführerin.
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In Essen sieht man sich freilich in der Strategie der vergangenen Jahre bestätigt. „Start-ups und Existenzgründer finden in Essen ausgezeichnete Startvoraussetzungen mit hervorragenden Wachstumsbedingungen.“, reagiert die Wirtschaftsförderungsgesellschaft EWG und verweist darauf, dass die Zahl der Essener Start-ups seit dem Jahr 2018 von rund 50 auf inzwischen 120 und die Zahl der Beschäftigten von 400 auf 1250 gestiegen sei. Sprecher Patrick Pauwels verweist darauf, dass in Essen eine Reihe von Venture-Capital-Geber wie Cusp Capital, Evonik Venture Capital, der Gründerfonds Ruhr, die RAG-Stiftung, Chepstow Capital oder Schenker Ventures sitzen, die Start-ups in aller Welt finanzieren.
Zahlreiche Programme für Start-ups
Zufrieden zeigt man sich auch in Duisburg mit dem europaweiten Platz 31: „Wir transformieren in Duisburg neue Ideen in Geschäftsmodelle“, sagt Rasmus C. Beck, Geschäftsführer von Duisburg Business & Innovation. „Dazu haben wir viele Angebote für Gründerinnen und Gründer wie unseren Start-up-Wettbewerb Garage DU mit internationalen Innovationen für eine klimaresiliente Stadt sowie Start-up-Schmieden wie Startport GmbH und Anthropia gGmbH.”