Hagen/Lüdenscheid. IHK-Präsident Stoffels ist stinksauer, weil der Bundesverkehrsminister einen Termin an der A45 platzen ließ und erst am 11. August kommen will.

Der Neubau der Autobahn-Talbrücke Rahmede in Lüdenscheid scheint unter keinem glücklichen Stern zu stehen. Beinahe ein Dreivierteljahr nach der Sperrung der A 45 zwischen Lüdenscheid-Nord und Lüdenscheid am 2. Dezember 2021 rätseln Betroffene in der Region, Anwohnerinnen und Anwohner genauso wie Unternehmerinnen und Unternehmer, immer noch, wie schnell oder langsam das Desaster beendet werden wird. Aufklärung erhoffte sich die Wirtschaft von einem Termin, bei dem Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) sich erstmals vor Ort ein Bild machen wollte. Geplant war das Erscheinen des entscheidenden Mannes in der Bundesregierung für diesen Dienstag, den 19. Juli. So jedenfalls hatte es die Südwestfälische Industrie- und Handelskammer verstanden und ein Treffen mit Wirtschafts- und Gewerkschaftsvertretern entsprechend organisiert, ehe der Termin vergangene Woche platzte und vom Bundesverkehrsministerium der 11. August als der Tag der Tage ausgerufen wurde.

Ministerium nennt Urlaub des Bürgerbeauftragten als Argument

Hinter mehr oder weniger vorgehaltener Hand wird es ohnehin als Skandal bezeichnet, dass Wissing sich bis heute nicht persönlich ein Bild von der Situation vor Ort gemacht hat. In Südwestfalen verfestigt sich der Eindruck, dass man im 500 Kilometer entfernten Berlin bis heute nicht wirklich verstanden hat, wie die Brückensperrung der Verkehrsschlagader A 45 die Menschen in Lüdenscheid und Umgebung strapaziert und die wirtschaftliche Zukunft von Deutschlands drittstärkster Industrieregion gefährdet. Dabei hatte Wissing (FDP) zu Jahresbeginn bei der Jahresveranstaltung der IHK Siegen versichert, dass der Brückenneubau Chefsache sei und ihn tagtäglich beschäftige – an- und abgereist war der Minister ohne am rund 50 Kilometer entfernten Nadelöhr Lüdenscheid vorbeizuschauen.

IHK-Präsident Ralf Stoffels ist stinksauer, weil ein Termin am 19. Juli mit Bundesminister Wissing platzte: Die Verärgerung in der Wirtschaft ist groß und sie bleibt. Für mich ist das eine ausgefallene Chance.“
IHK-Präsident Ralf Stoffels ist stinksauer, weil ein Termin am 19. Juli mit Bundesminister Wissing platzte: Die Verärgerung in der Wirtschaft ist groß und sie bleibt. Für mich ist das eine ausgefallene Chance.“ © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Ralf Stoffels, Präsident der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer (SIHK) und der IHK-NRW, hatte den aus seiner Sicht längst überfälligen Besuch des Verkehrsministers in dieser Woche sehr wohl zur Chefsache gemacht, hatte eine Reihe hochkarätiger Unternehmens- und Gewerkschaftsvertreter aus der Region für das Gespräch mobilisiert, ehe der Schwelmer Unternehmer selbst von der kurzfristigen Absage für den 19. Juli überrascht wurde: „Die Verärgerung in der Wirtschaft ist groß und sie bleibt. Für mich ist das eine ausgefallene Chance.“

In Berlin versteht man die massive Verärgerung des Kammerpräsidenten nach eigenen Angaben nicht: „Der 19. Juli war lediglich eine Terminoption – an diesem Termin konnte der Bürgerbeauftragte nicht. Daher haben wir den 11. August vereinbart“, erklärte eine Ministeriums-Sprecherin auf Nachfrage dieser Zeitung.

Der Bürgerbeauftragte ist Lüdenscheids Bürgermeister Sebastian Wagemeyer, der von Bundesminister Wissing die ehrenvolle wie vermutlich anstrengende Aufgabe übertragen bekam, für Transparenz rund um die Brückensperrung und alle damit verbundenen Maßnahmen zu sorgen und Ansprechpartner in der Region zu sein. Was die Maßnahmen angeht, gab es für Wagemeyer noch nicht allzu viel Positives zu verkünden. Rund um und vor allem in der Bergstadt quält sich seit Dezember weiter tagtäglich der Verkehr über Straßen, die zusehends unter der Last zerbröseln. Eine monatelange Zumutung, die für dicke Luft sorgt – vor allem bei den Menschen entlang der Umleitungsstrecken und den Firmenchefs, denen die Mitarbeiter kündigen, die täglich Umwege zum Arbeitsplatz fahren müssen.

Rechtfertigt die Notstandslage in Lüdenscheid ein Sondergesetz?

Wann der Schrecken ein Ende hat, ist nicht abzusehen. Irgendwann Ende des Jahres, so hat es Minister Wissing verkünden lassen, solle die marode Brücke gesprengt werden. Also rund ein Jahr nach der Sperrung. Wann genau? „Es gibt bis heute keinen einzigen Terminplan. Bis heute gibt es nur verlorene Zeit“, kritisiert IHK-Präsident Stoffels.

Dass der von Stoffels geplante Termin von Berlin wegen des vermutlich nicht spontan eingereichten Urlaubs des Bürgerbeauftragten Wagemeyer geplatzt ist, wie das Ministerium ja selbst mitteilt, bringt den Unternehmensvertreter auf die Palme. Aus Sicht der Wirtschaft schadet Wagemeyers Ehrenamt sicher nichts, bringe den Brückenneubau aber auch keinen Millimeter weiter. Die Kammer habe sich immer einen echten Brückenbeauftragten gewünscht, wie es ihn in Genua nach dem Einsturz der vierspurigen Morandi-Autobahnbrücke gegeben hat. Einen Experten mit Entscheidungsbefugnis, der den Neubau beschleunigt.

„Wir haben hier eine Notstandslage, die eine Sondergesetzgebung ermöglicht. Die Situation an der A 45 ist nicht vergleichbar mit anderen Brückensanierungen, wo es noch Ausweichstrecken gibt oder wenigstens Teile des Verkehrs beschränkt fließen können wie an der Leverkusener Brücke. Das muss doch jeder sehen“, betont IHK-Präsident Stoffels – spätestens, wenn er einmal vor Ort war.

Insofern ruhen jetzt viele Hoffnungen auf dem 11. August, sollte Bundesverkehrsminister Wissing dann endlich den Weg nach Lüdenscheid finden.