Lippstadt. Der französische Konzern Faurecia und der Lippstädter Hella-Konzern haben ihren Zusammenschluss vereinbart. Das wurde am Samstagabend bekannt.

Der Automobilzulieferer Hella aus Lippstadt wird an den französischen Konzern Faurecia verkauft. Das gaben das im M-Dax notierte Unternehmen aus Lippstadt und die Eigentümerfamilien des Mehrheitsaktienpaketes am Samstagabend bekannt. Vorbehaltlich regulatorischer Freigaben werde der Vollzug Anfang 2022 erwartet. Der Kaufpreis für alle Hella-Aktien liegt bei rund 6,8 Milliarden Euro. Es entsteht der siebtgrößte Automobilzulieferer der Welt. Hella gehört aktuell zu den zehn größten Zulieferern Deutschlands.

4 Milliarden Euro für „Familienpaket“

Beinahe 100 Jahre ist das Lippstädter Unternehmen in Familienhand. 2014 ging Hella an die Börse. 60 Prozent der Aktien blieben aber bei der Gründerfamilie Hueck/Röpke und wurden in einem sogenannten Pool zusammengefasst. Das „Familien-Paket“ wird nun für rund vier Milliarden Euro an den deutlich größeren französischen Konzern aus Nanterre bei Paris verkauft. Mit im Bieterrennen waren zuletzt der ebenfalls französische Konzern Plastic Omnium und der deutsche Zulieferer Mahle.

Hella und Faurecia, unter anderem Spezialist für Fahrzeuginnenräume, arbeiten bereits seit einigen Jahren an Zukunftsthemen zusammen und haben auf der Automobilmesse IAA 2019 bereits gemeinsam Neuheiten präsentiert. „Faurecia und Hella passen sehr gut zusammen. Das gilt insbesondere mit Blick auf Produktspektrum und Marktabdeckung. Zudem legen beide Partner hohen Wert auf konsequente Kundenorientierung, operative Exzellenz und Technologieführerschaft“, sagt Rolf Breidenbach, Vorsitzender der Hella-Geschäftsführung. „Von daher ist es naheliegend, dass wir unsere Kräfte bündeln, um die Zukunft der Mobilität in vorderster Reihe gemeinsam voranzutreiben. Mit Faurecia an unserer Seite werden wir diesbezüglich noch mehr Möglichkeiten haben als bisher.“

Die Eigentümerfamilien betonen, dass beim Verkauf auch Standort- und Beschäftigungssicherung für die 36.000 Mitarbeiter im Hella-Konzern eine wesentliche Rolle gespielt hätten. Hella sei in den fast 100 Jahren als Familienunternehmen in eine Dimension hineingewachsen, in der nicht nur Führung, sondern auch Kontrolle durch externe Kompetenz erforderlich sei.

„Es ist unsere unternehmerische Pflicht zu erkennen, wann wir als Familie an unsere Grenzen stoßen, und die richtigen Schritte zum richtigen Zeitpunkt einzuleiten“, erklärte der 72-jährige Dr. Jürgen Behrend, bis 2017 im operativen Geschäft als Vorstand tätig und heute Verwalter des Aktienpools. Mit Blick darauf, dass Hella vom ostwestfälischen Familienunternehmen zum Konzern im globalen Wettbewerb geworden ist, gebiete es die Verantwortung der Familie, einen sicheren Hafen für Hella zu finden – zum Wohl des Unternehmens und aller 36.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. „Lippstadt wird weiterhin eine zentrale Rolle innerhalb des Unternehmens spielen. So wird Lippstadt der Hauptsitz von drei der sechs Geschäftsbereiche des gemeinsamen Unternehmens“, erklärte Behrend gegenüber dieser Zeitung.

Der Konkurrenzdruck im Automobilgeschäft ist vielleicht höher denn je. Mit rasanter Geschwindigkeit vollzieht sich nicht nur eine Technologiewende – ebenso schnell drängen neue Marktteilnehmer ins Geschäft, beispielsweise immer neue Autobauer aus China, aber auch Musks und Googles. Hier zu bestehen, wird auch für die noch etablierten Hersteller und Zulieferer zur Herausforderung. Insofern ist der Zusammenschluss von Hella und Faurecia, die sich mit ihren Produkten gut ergänzen, ein nachvollziehbarer Schritt.

Übernahmeangebot aller Aktien

Faurecia ist verpflichtet, über den Kauf der 60-Prozent hinaus allen Aktionären ein Angebot zum Kauf der restlichen Anteile zu machen. Die Franzosen haben am Samstag bereits ein freiwilliges öffentliches Übernahmeangebot zum Kauf der weiteren Hella-Aktien zum Angebotspreis von 60 Euro angekündigt (Bruttoangebotspreis von 60,96 Euro inklusive der erwarteten Dividende in Höhe von 0,96 Euro je Hella-Aktie). Die Lippstädter Gründerfamilien werden die Geschicke des Unternehmens weiter begleiten. Über eine Rückbeteiligung in Höhe von bis zu neun Prozent werden die derzeitigen Poolaktionäre von Hella an der börsennotierten Obergesellschaft Faurecia beteiligt bleiben. Vor dem Hintergrund soll auch ein Pool-Vertreter dem Verwaltungsrat von Faurecia beitreten.