Essen. Politisches Forum Ruhr: IW-Direktor Hüther sieht durch den russischen Krieg in der Ukraine Gefahr einer Stagflation wie in den Siebziger Jahren.

Wie hart der Krieg in der Ukraine die deutsche Wirtschaft trifft, ist so unberechenbar wie Russlands Präsident Wladimir Putin. Die neue Prognose der Wirtschaftsweisen reicht von 1,8 Prozent Wachstum bis zur Rezession für den Fall, dass Russland seine Gaslieferungen einstellt. Beim Politischen Forum Ruhr versuchte sich Michael Hüther gar nicht erst in empirischen Vorhersagen, „weil alles an einer Person hängt, deren Gehirnwindungen wir nicht kennen“. Stattdessen benannte der Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Köln die größten Risiken – und derer sind viele.

Einer IW-Umfrage zufolge erwarten sechs von zehn Unternehmen starke Belastungen durch die extrem hohen Energiepreise. Zudem befürchtet mehr als die Hälfte einen Gasnotstand, der sie zur Drosselung oder Einstellung ihrer Produktion zwingen könnte, wenn Russland seine Lieferungen einstellt. Dies vor dem Hintergrund nach wie vor gestörter Lieferketten und wachsenden Fachkräftemangels. Dass in diesem Jahrzehnt die Demografie Deutschland erst richtig treffen und die Energiewende viel Geld kosten wird, macht nach Hüthers Lesart wenig Hoffnung auf eine rasche Besserung, wenn der Krieg vorbei sein sollte und die Energiemärkte sich beruhigen.

Wie in den Siebzigern ist Energiekrise der Auslöser

„Droht die Rückkehr der Stagflation?“ lautet daher die Leitfrage Hüthers an diesem Abend in der Essener Philharmonie mit Gastgeber Stephan Holthoff-Pförtner (CDU), Nordrhein-Westfalens Europaminister. Dieser Begriff meint eine hohe Inflation bei gleichzeitig stagnierender oder schrumpfender Wirtschaft. Die Stagflation ist auch deshalb in Vergessenheit geraten, weil Deutschland seit der Ölkrise in den Siebziger Jahren keine mehr erlebt hat. Nicht zufällig ist es erneut eine Energiekrise, die sie auszulösen droht: Sie ist verantwortlich für die aktuell über sieben Prozent liegende Inflation, die Kaufkraft und absehbar die Konjunktur drückt.

Hüther sieht dazu die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale, die beides nach oben treibt, aber die Wirtschaft am Boden lässt. Er warnt vor einem Gasembargo, das zu fordern nicht moralisch sei, sondern Moralismus, der die deutsche Industrie abwürgen würde. Stattdessen müsse Deutschland handlungsfähig bleiben, auch um den Flüchtlingen aus der Ukraine helfen zu können.

Zuletzt sah es allerdings weniger nach einem Embargo durch Deutschland aus als danach, dass Putin die Lieferungen stoppen könnte, wenn die westlichen Kunden sein Gas nicht künftig in Rubel bezahlen.