Essen. Eon begrüßt Habecks Gas-Notfallplan und ruft Verbraucher zum Energiesparen auf. NRW-Wirtschaft warnt vor Produktionsstopps und Arbeitslosigkeit.
Deutschland bereitet sich auf einen Gasnotstand vor. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) rief am Mittwoch die Frühwarnstufe des Notfallplans aus - und alle privaten und gewerblichen Verbraucher auf, ihren Verbrauch zu drosseln. Die Industrie rechnet mit gravierenden Folgen für die Unternehmen und massenhafter Kurzarbeit für den Fall, dass Russlands Präsident Vladimir Putin den Hahn zudreht.
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„Die Situation ist ernst. Wir müssen uns auf ein dramatisches Szenario vorbereiten, das droht, sollten wir von der russischen Gasversorgung abgeklemmt werden. Die Schäden wären immens“, sagte Evonik-Chef Christian Kullmann der WAZ, zugleich Präsident des Verbands der Chemischen Industrie (VCI). Die Chemieindustrie ist mehr als andere von Erdgas als Brenn- und Rohstoff abhängig – und ohne ihre Produkte könnten viele andere Industrien nicht mehr produzieren.
Moskau verschiebt Rubel-Forderung
Ein Lieferstopp rückt näher, weil Putin sein Gas von westlichen Staaten künftig in Rubel bezahlt wissen will. Die lehnen das ab, sehen darin einen Vertragsbruch. Vor allem würde die EU ihre eigenen Sanktionen gegen den russischen Finanzsektor schwächen. Zwar erklärte Moskau am Mittwoch, die Rubel-Forderung trete nicht, wie zunächst angekündigt, bereits am Donnerstag in Kraft. Grundsätzlich will der Kreml aber in Zukunft keine Dollar oder Euro mehr akzeptieren.
Minister Habeck betonte, aktuell sei die Gasversorgung gesichert. Doch das könnte sich schnell ändern, weshalb er die erste von drei Stufen des Notfallplans ausrief. Ein Krisenstab soll nun täglich die Versorgungslage prüfen. In der dritten, der „Notfallstufe“, käme ein von der Bundesnetzagentur aufzustellender Abschaltplan zum Zuge, der industrielle und gewerbliche Gaskunden als erstes abklemmen würde, Privatverbraucher zuletzt.
Evonik-Chef Kullmann warnt vor Kettenreaktion in der Industrie
„Ohne Gasversorgung stehen unsere Werke innerhalb kurzer Zeit still. Das hieße: Kurzarbeit für Hunderttausende, wenn nicht gar Millionen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, verdeutlicht Chemie-Präsident Kullmann die Folgen. Er warnt vor einer Kettenreaktion mit massiven Folgen für viele Branchen, denn: „90 Prozent aller Produkte, die in Deutschland hergestellt werden, funktionieren nur, weil Chemie drin ist.“
NRW-Arbeitgeberpräsident Arndt Kirchhoff befürchtet ebenfalls „im Detail noch gar nicht abschätzbare Auswirkungen auf die gesamte Wertschöpfungskette der deutschen Wirtschaft“ – von der Stahl- und Chemie- bis zur Elektro- und Pharmaindustrie. Ohne ausreichende Energieversorgung drohten „Einschnitte für Wirtschaft und Arbeitsplätze, denen wir seit vielen Jahrzehnten nicht mehr ins Auge blicken mussten“, so Kirchhoff. Er warnt vor gesellschaftlichen Problemen, wenn „infolge eines Stillstands der deutschen Industrie schlimmstenfalls Millionen Arbeitnehmer in Kurzarbeit gehen müssen oder gar binnen kurzer Zeit arbeitslos werden“.
Eon und Uniper begrüßen Vorgehen Habecks
Der Düsseldorfer Energieversorger Uniper begrüßte die Ausrufung der Frühwarnstufe im Notfallplan Gas. Deutschlands größter Kunde des russischen Staatskonzerns Gazprom betonte, das Land müsse „auf eine Eskalation vorbereitet sein, die niemand derzeit ausschließen kann“. Der Essener Energiekonzern Eon erklärte auf Anfrage, die Bundesregierung zu unterstützen und bekräftigte Habecks Aufruf zum Energiesparen. Das sei „zu allen Zeiten sinnvoll, das gilt vor dem Hintergrund der aktuellen Herausforderungen mehr denn je“, sagte ein Eon-Sprecher der WAZ.