Warstein. Der Chiphersteller Infineon investiert gerade Milliarden Euroin den Ausbau der Kapazitäten. Auch das Werk in Warstein-Belecke wächst weiter.
Die Chipkrise hält die Wirtschaft weltweit in Atem. An Infineon, Deutschlands größtem Halbleiterhersteller, liegt es nach eigenem Bekunden nicht. „Für unsere Module bekommen wir die Chips aus unseren eigenen Werken in Dresden, Villach in Österreich und Kulim in Malaysia“, sagt Dr. Arne Kohring, Sprecher der Warsteiner Betriebsleitung.
Kohring ist auch Chef des Infineon-Geschäftsfeldes High Power Semi-Conductors (Leistungs-Halbleitermodule) und damit für das Werk in Ungarn und einen Produktionsbereich in China zuständig. In Villach am Wörthersee hat das börsennotierte Münchner Unternehmen im vergangenen Herbst gerade erst eine neue Chipfabrik eröffnet - für rund 1,6 Milliarden Euro. Eine mutige Entscheidung, die bereits 2019 getroffen worden sei, also noch bevor das Ausmaß des weltweiten Chipmangels klar wurde.
Produkte für die Energiewende
Infineon reagiert weiter auf die aktuell riesige Nachfrage weltweit. Vor knapp einem Monat wurde bekannt gegeben, dass auch die Chipfabrik in Malaysia ausgebaut wird – für zirka zwei Milliarden Euro. Das neue Werk soll ab Mitte 2024 produzieren - mit neuen Standards, sprich effizienteren Materialien wie Siliziumkarbid und Galliumnitrid, von denen sich Infineon einen Technologievorsprung erwartet.
Infineon wächst und investiert also viel. „In etwa 13 Prozent des jährlichen Umsatzes“, sagt Nikolas Danckwerts, Vize Präsident Finanzen und Mitglied der Betriebsleitung am Standort Warstein-Belecke. Mit hoher Zuversicht, dass dieses Geld langfristig gut angelegt ist. „Wir glauben an unsere Megatrends rund um Digitalisierung und Elektrifizierung“, sagt Danckwerts.
Auch im Sauerland, einem der Innovationsstandorte des Tech-Konzerns, wird investiert, wenn auch ein paar Nummern kleiner als in Österreich oder Malaysia. In Belecke werden gerade rund 40 Millionen Euro verbaut. Das Geld fließt in Automatisierung, die Entwicklung neuer Produkte und die Kapazitätserweiterung. Neue Maschinen zur Fertigung von Modulen, wie sie für die Energiewende benötigt werden, gehören dazu. Die Infineon-Produkte werden für Solaranlagen, Windkrafträder, für Lade-Infrastruktur, in Elektro-Fahrzeugen und in den insgesamt immer smarter werdenden Autos eingesetzt.
Die globale Nachfrage ist in diesem Segment seit rund zwei Jahren viel größer als das Angebot und Infineon ein enorm wichtiger Lieferant der Automobilindustrie. Die klagt weiter über eine Chip-Krise, in deren Folge Produktionsstopps und am Ende lange Lieferzeiten für die Kunden stünden. Infineon-Manager Kohring nennt das schon viel zitierte Produktionsloch in der Autoindustrie vor zwei Jahren als einen Auslöser. Die Chiphersteller schwenkten damals um auf Chips für Unterhaltungselektronik, IT-Ausstattung für mobiles Arbeiten und smarte Gebäudetechnik. „Es liegt aber auch daran, dass der Bedarf an Chips in der Autoindustrie enorm gestiegen ist. Immer mehr Steuergeräte mit immer mehr Chips werden verbaut, nicht nur in Elektroautos.“
Und nun dürfte auch der Ausbau Erneuerbarer Energien durch die Debatte um Abhängigkeit von russischem Gas deutlich beschleunigt werden. In Warstein-Belecke sind die Möglichkeiten für die Fertigung aufgrund der zur Verfügung stehenden Fläche nach eigenen Angaben endlich. Aktuell arbeiten dort rund 2000 Beschäftigte aus rund 40 Ländern der Welt und noch einmal 300 bei Infineon Bipolar, einem Unternehmen, an dem auch Siemens beteiligt ist.
Ziel: Infineon 2030 CO2-neutral
Mehr als 700 Ingenieure tüfteln im Sauerland an der Energiewende mit – Tendenz steigend. Jüngst meldete man, sich nach Soest auszudehnen, weil der Platz in Warstein eng begrenzt ist. Dennoch sucht Infineon weiter nach Ingenieuren, die Lust haben, von Belecke aus an einer umweltfreundlicheren Welt zu arbeiten. „Der ökologische Nettonutzen der Produkte, die wir hier entwickeln, liegt bei 1:33“, sagt Infineon-Sprecher Jörg Malzon-Jessen. Sprich: Pro aufgewendete Tonne CO2 in der Entwicklung und Fertigung sorgt der Halbleiter draußen in der Welt statistisch für 33 Tonnen Einsparung. Darin sei selbst der CO2-Fußabdruck von Reisen der Infineon-Vertriebsmitarbeiter berücksichtigt, wenn sie zu Kunden unterwegs sind. Infineon arbeitet daran, den direkten CO2-Fußabdruck zu verringern. Schon 2030 will der Konzern CO2-neutral arbeiten, bis 2025 sollen 70 Prozent dieses Ziels erreicht sein.
Ältester Halbleiterstandort Deutschlands
Den Standort Warstein-Belecke gibt es seit 1945, damals gegründet von AEG, die als erste deutsche Firma mit der Produktion von Halbleitern begannen. 1990 wurde die eupec GmbH gegründet, die zu jeweils 50 Prozent zur AEG und zu Siemens gehörte. 1996 wurde das Unternehmen dann eine 100-prozentige Siemens-Tochter. 1999 übernahm Infineon die eupec. Sechs Jahre später folgte dann die Integration in den Infineon-Konzern. 2007 wurde dann der Produktionsbereich der bipolaren Bauelemente als Infineon Technologies Bipolar Gmbh & Co. KG als Joint Venture mit Siemens ausgegründet.
Die Infineon Technologies AG gehört zu den zehn größten Halbleiterunternehmen der Welt. Mit mehr als 50.000 Beschäftigten erzielte das Unternehmen im Geschäftsjahr 2021 (Ende September) einen Umsatz von rund 11,1 Milliarden Euro.