Lippstadt. Die Autobranche leidet. Die Produktion stockt, Umsätze sinken, auch beim Zulieferer Hella aus Lippstadt. Warum man dennoch „sehr zufrieden“ ist.

Die Rohstoff- und Mikrochipknappheit wird die Autoindustrie nach Einschätzung des Hella-Chefs Rolf Breidenbach noch bis Mitte 2023 negativ beeinflussen. Die Auswirkungen der weltweiten Mangelwirtschaft spürt der Licht- und Elektronikkonzern aus Lippstadt deutlich, sie ist an den Ergebnissen für das erste Geschäftshalbjahr ablesbar: Der Gesamtumsatz sank auf 3 Milliarden Euro und damit um 100 Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr. Allerdings behauptet sich Hella deutlich besser als viele Mitbewerber. Entsprechend ist der Vorstand um Breidenbach sogar „sehr zufrieden“.

Hella-Chef Rolf Breidenbach lässt seine Zukunft nach der Übernahme durch den französischen Faurecia-Konzern, voraussichtlich Ende Januar, weiter offen.
Hella-Chef Rolf Breidenbach lässt seine Zukunft nach der Übernahme durch den französischen Faurecia-Konzern, voraussichtlich Ende Januar, weiter offen. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Hella steht kurz vor der Serieneinführung des massentauglichen LED-Scheinwerfers „SSL-HD“ mit 25.000 einzeln ansteuerbaren Pixeln, der ab Mitte dieses Jahres zuerst in Deutschland und dann in Osteuropa und China produziert werde. „Damit können wir mehr und mehr die Vision des intelligenten Scheinwerfers realisieren“, verspricht Breidenbach.

Das Unternehmen aus Westfalen bleibt ein Innovationstreiber. Die Investitionen in Forschung und Entwicklung (F+E) wurden trotz gestiegener Produktionskosten und geringeren Gewinnen nicht zurückgefahren. Die F+E-Quote stieg entsprechend im Vergleich zum Vorjahr von 9,6 auf 11,1 Prozent. Mit 338 Millionen Euro (Vorjahr 297 Mio. Euro) wurde hier noch einmal tiefer in die Tasche gegriffen. „Wir investieren weiter massiv in Forschung und Entwicklung“, kündigt Breidenbach ein Festhalten an dieser bislang erfolgreichen Strategie an.

Insbesondere im für Hella mittlerweile wichtigsten Markt in Asien konnten laut Vorstand im ersten Geschäftshalbjahr deutlich Marktanteile gewonnen werden. Europa ist zwar nach wie mit 1,74 Mrd. Euro (minus 7,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr) der umsatzstärkste Markt für die Lippstädter, aber Asien/Pazifik holt auf und liegt mit 683 Mio. Euro (plus 26 Prozent) nun bereits von dem Amerikamarkt (612 Mio. Euro; minus 10 Prozent).

Aktuell eine Milliarde Euro Liquidität

Hella steht finanziell weiter gut da. Die Eigenkapitalquote stieg auf 41,6 Prozent. „Wir haben mehr als eine Milliarde Euro Liquidität“, betonte Finanzchef Bernard Schäferbarthold. Um Stärke zu beweisen und die Autobauer nicht zu verprellen, wird alles daran gesetzt, möglichst jederzeit lieferfähig zu sein. Dafür kaufen die Lippstädter, weil es offenbar sein muss, von Zwischenhändlern auch Mikrochips und andere Bauteile zu Höchstpreisen ein und nehmen dabei aktuell Verluste in Kauf. „Die Mikrochips sind auf den Brokermärkten deutlich teurer als normal. Wir reden hier von Faktoren bis zu 10“, sagt der Finanzchef. Besonders im September und Oktober seien die Preise absurd hoch gewesen. Auch wenn ein Chip eigentlich nicht die Welt koste, rede man hier in Summe von Millionenbeträgen an Mehrkosten für Hella. Geld, das auch in die Hand genommen wird, um die Produktionslinien möglichst effizient zu betreiben. Momentan sei Stop and Go die Regel.

Was plant der Milliardär Paul Singer mit seinen Hella-Anteilen?

Beim Einkauf erhofft sich das Lippstädter Unternehmen deutliche Vorteile, wenn Hella bald unter einem Dach mit dem französischen Zulieferer Faurecia angekommen ist. Im August wurde bekannt, dass die Franzosen das Mehrheitsaktienpaket in Höhe von 60 Prozent von den Familien Hueck und Röpke übernehmen würden. Inzwischen hat Faurecia nach Hella-Angaben von Einzelaktionären weiter Anteile eingesammelt und kommt auf 79,5 Prozent. Gleichzeitig hat sich der US-Milliardär Paul Singer mit seinem Hedgefonds Elliott Anteile von mehr als 10 Prozent geschnappt, wie im November 2021 öffentlich wurde. Ob Singer an die Innovationskraft des Faurecia/Hella-Konzern glaubt, oder sich nach kurzer Zeit mit sattem Gewinn herauskaufen lassen will, bleibt Spekulation.

Faurecia hatte eigentlich deutlich mehr als die knapp 80 Prozent Anteile angestrebt. Dies gelang bisher nicht. Dennoch laufe die Fusion nach Plan, versichert der amtierende Hella-Chef Rolf Breidenbach. Ende Januar wird mit Vollzug der Transaktion gerechnet. Irgendwann im Frühjahr startet dann das operative Geschäft des dann ehemaligen Familienunternehmens unter dem Faurecia-Konzerndach, vorerst eigenständig. Ob Breidenbach seine Zukunft im neuen Konzern sieht, ließ er am Donnerstag offen.

Zahlen:

Der Automarkt brach in den vergangenen sechs Monaten ein: 36,2 Millionen Neufahrzeuge bedeuten ein Minus von 15,3 Prozent (Stand November 2021). Hella verlor im Automotivesegment dagegen nur knapp 5 Prozent an Volumen und legte im Asien-Pazifikraum beim Umsatz sogar um 26 Prozent zu.

Die Beschäftigtenzahl bleibt beim Autozulieferer aus Lippstadt mit 35.800 insgesamt stabil (Stand 30. November 2021). 8.330 Mitarbeiter in Deutschland bedeuten aber 9,6 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. In Amerika blieb die Zahl mit rund 6.900 unverändert, während Hella in Rest-Europa einstellte (plus 3,4 Prozent) und vor allem in Asien/Pazifik stark wuchs (gut 6.000 Mitarbeiter, plus 9,1 Prozent).

Für das gesamte Geschäftsjahr, das am 31. Mai 2022 endet, bleibt es bei der im November korrigierten Prognose von 5,9 bis 6,2 Milliarden Euro Umsatz und einer Gewinnmarge (Ebit) von 3,5 bis 5 Prozent.