Hagen. Bundesminister Habecks Eröffnungsbilanz zur Klimawende löst in Windkraftbranche in Südwestfalen keine Euphorie, aber gewisse Hoffnung aus.

Zum Erreichen der Klimaziele hatte die neue Bundesregierung unter Kanzler Olaf Scholz (SPD) bereits kurz nach der Wahl eine deutliche Tempoerhöhung beim Ausbau Erneuerbarer Energien, der Netzinfrastruktur und Maßnahmen wie Wasserstoffnutzung angekündigt. Die vom Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (Grüne) am Dienstag vorgestellte „Eröffnungsbilanz“ wirkte ein wenig mehr wie Absicherung gegen zu hohe Erwartungen an die eigene Person als wie ein Blitzstart ins klimaneutrale Zeitalter.

Die neue Bundesregierung starte bei den CO2-Minderungswerten nicht auf der Ziellinie, sondern mit einem „gehörigen Rückstand“, erklärte Habeck – kündigte aber immerhin zwei Gesetzespakete innerhalb weniger Monate an, die Deutschland auf Kurs bringen sollen: „Osterpaket“ und „Sommerpaket“ benennt der Grünen-Minister ungefähre Zeitpunkte, wann sich der Bundestag mit konkreten Vorschlägen zum Ausbau bei Windkraft an Land und zu Wasser, Photovoltaik auf dem Eigenheimdach ebenso wie auf bisherigen militärischem Sperrgebiet befassen soll.

Knackpunkt: 2-Prozent-Regelung

Der Vorsitzende des Landesverbandes Erneuerbare Energien und frühere Grünenfraktionsvorsitzende im NRW-Landtag, Reiner Priggen, hat Verständnis, dass Habeck nach ein paar Tagen im Amt noch keine Nägel mit Köpfen machen konnte. Um aber Geschwindigkeit aufzunehmen und noch in diesem Jahr etwas zu bewegen, sei ein Gesetzespaket um Ostern „bei allem Respekt vor 100 Tagen im Amt“ schon notwendig.„Das Paket muss die Themen Abstandsregelungen, Novelle des Baugesetzbuches und den Ausbau der Photovoltaik umfassen“, sagt Priggen.

Ein Gesetzespaket um Ostern im Bundestag sei „bei allem Respekt vor 100 Tagen im Amt“ schon notwendig, sagt Reiner Priggen, Vorsitzender des Landesverbandes Erneuerbare Energien (LEE) NRW: „Das Paket muss die Themen Abstandsregelungen, Novelle des Baugesetzbuches und den Ausbau der Photovoltaik umfassen.“
Ein Gesetzespaket um Ostern im Bundestag sei „bei allem Respekt vor 100 Tagen im Amt“ schon notwendig, sagt Reiner Priggen, Vorsitzender des Landesverbandes Erneuerbare Energien (LEE) NRW: „Das Paket muss die Themen Abstandsregelungen, Novelle des Baugesetzbuches und den Ausbau der Photovoltaik umfassen.“ © FUNKE Foto Services | Bernd Thissen

Ein Konfliktpunkt mit der NRW-Landesregierung dürfte die von Habeck angestrebte 2-Prozent-Flächenvorgabe sein, die in jedem Bundesland umgesetzt werden soll, auch in Bayern und im bevölkerungsreichen NRW, wo vor allem die 1000-Meter-Abstandsregelung zu Wohnbebauung in der Kritik der Windkraftbefürworter steht. Eine Verdreifachung des Windkraftzubaus, wie jüngst von der NRW-Landesregierung versprochen, sei mit dieser Regelung nicht zu machen. „Die 1000-Meter-Regelung war ein Fehler. Ich vermute aber, dass sie vor der Landtagswahl im Mai nicht mehr fallen wird“, sagt der LEE-Vorsitzende.

Auch die Ankündigung aus Düsseldorf, die Borkenkäferflächen in Südwestfalen in den Blick zu nehmen, ist Priggen zu schwammig. Nach gültigem Landesentwicklungsplan (LEP) sind Windkraftprojekte auf Waldgebiet nach wie vor quasi das letzte Mittel der Wahl. Eine LEP-Änderung sei durchaus noch im ersten Quartal 2022 machbar und sollte nach Priggens Ansicht nicht in die kommende Legislatur verschoben werden, um nicht weiter Zeit beim Ausbau der Windkraft an Land zu verlieren.

Potenzial im Wald

Vorsichtig optimistisch nach Habecks „Bilanz“ und den angekündigten Gesetzespakten ist Karl Prinz zu Wittgenstein, Windkraft-Projektentwickler und Vorsitzender der LEE-Südwestfalen: „Ich denke, dass Minister Habeck ein paar Barrieren aus dem Weg räumen wird. Mehr zu tun als die alte Bundesregierung ist aber auch nicht schwierig und bisher sind es nur Ankündigungen.“

Wittgenstein hofft darauf, dass zumindest die aus seiner Sicht „desaströse“ starre Abstandsregelung in NRW fallen wird, die Projekte seines Unternehmens Wittgenstein New Energy in Südwestfalen und dem Paderborner Land blockiert, die zum Teil nur knapp unter der 1000-Meter-Abstandsgrenze liegen. Auch die Nutzung geschädigter Waldflächen sei ein „riesiges Potenzial für Windkraft“.