Hagen. Die Messebranche lag lange brach. Westfalenhallen-Geschäftsführerin Sabine Loos im Interview über Corona und wie Messen wieder möglich sind.

Mitte März 2020 verfiel die Messe- und Kongressbranche in Deutschland quasi über Nacht in Schockstarre. Nach rund 19 Monaten lief das Geschäft im September wieder an – und schon droht es erneut ausgebremst zu werden. In NRW sind in dieser Woche zwei Präsenz-Veranstaltungen gestartet: die Fachmesse Medica in Düsseldorf und die Publikumsmesse Intermodellbau in Dortmund. Was die Auszeit für die Branche bedeutet hat und wie sich Messen in Zukunft verändern könnten, erläutert Sabine Loos, Geschäftsführerin der Dortmunder Westfalenhallen GmbH, im Gespräch mit dieser Zeitung.

Wie erinnern Sie die Situation Mitte März 2020?

Sabine Loos: Die Vorzeichen zu Beginn des letzten Jahres standen außerordentlich gut. Die Ergebnisse aus dem ersten Quartal 2020 lagen mit 16,3 Prozent weit über dem Plan. Die Westfalenhallen Unternehmensgruppe, und damit auch die Messe Dortmund, war auf einem sehr guten Weg, die Rekordumsätze der Vorjahre nochmals zu übertreffen. Mit 2020 hatte sich ein Jahr angebahnt, dass das beste Jahr der Unternehmensgeschichte zu werden schien. Doch dann versetzte bekanntlich die Corona-Pandemie das gesamte Messe- und Eventgeschäft in den Stillstand. Die Politik verhängte ein faktisches Veranstaltungsverbot! Folglich ging 2020 in die Geschichte ein als das Jahr mit der geringsten Zahl an Veranstaltungen. Nach dem Lockdown Mitte März sind 23 Veranstaltungen allein im Messebereich ausgefallen.

Wie ist die GmbH bis heute durch die Pandemie-Zeit gekommen?

Fünf Messen konnten wir 2020 verschieben und im zweiten Halbjahr realisieren. Für den Großteil der mehr als 100 Konzerte, Shows und Sportevents, die seit Pandemiebeginn hätten stattfinden sollen, konnten wir glücklicherweise nach intensiven Planungen Ersatztermine für die Jahre 2022, ‘23 und ‘24 festzurren. Im Messekalender 2021 kam es zu rund 30 Absagen und Verschiebungen. Darunter Dortmunds Leitmessen wie die Jagd&Hund und die Creativa aus dem Besucherbereich sowie die Fachmessen Intertabac oder elektrotechnik.

Wie lautet die Zukunfts-Prognose?

Der Messekalender für 2021 beinhaltet noch die Termine für die VapersCom und ComicCon sowie unsere Veggieworld-Termine in Berlin, München und Shanghai. Die Westfalenhalle plant weitere 24 Konzerte, Musicals, Sport- und Comedyevents, bspw. Cavalluna oder die Ehrlich Brothers.

Und der Blick nach vorn?

Es wird eine Zeit nach Corona geben und die Menschen werden wieder Veranstaltungen jeglicher Art besuchen. Wir werden wieder auf Messen und Konzerte gehen und uns auf Kongressen weiterbilden. Daran glaube ich felsenfest. Und auch unser Messe-Restart im Herbst unterstreicht das schon!

Werden sich die Besucher bei Messen wieder treffen wie vor Corona?

Eines spüren wir alle nach rund 19 Monaten Corona ganz deutlich. Die Menschen möchten ihre Freizeit wieder gestalten. Das spiegeln uns Besucher, Aussteller und Partner in den zahlreichen Gesprächen. Im Fokus steht dabei weiter das physische Messe- bzw. Event-Erlebnis – live und vor Ort. Für diese Zeit müssen wir gewappnet sein. Deshalb sind die Investitionen in die Südhallen und die Westfalenhalle genau das richtige Signal an Veranstalter, Kunden und den Wirtschaftsstandort Dortmund. Das gesamte Areal rund um die Strobelallee wird eine Weiterentwicklung erfahren. Vor allem die zwei geplanten neuen Messehallen (Halle 9 & 10) sowie ein neues Kongresszentrum sind hervorzuheben. Bis zur EM 2024 soll die erste Phase des Baus von Messehallen und Kongresszentrum verwirklicht werden. Auch die Westfalenhalle erhält eine Renovierung.

Die Messe Intermodellbau, die bis zum 20. November in den Westfalenhallen läuft, lockte am Eröffnungstag am Mittwoch wohl nicht ganz so viele Besucherinnen und Besucher an wie in Vor-Corona-Zeiten. Es gilt „3G“.
Die Messe Intermodellbau, die bis zum 20. November in den Westfalenhallen läuft, lockte am Eröffnungstag am Mittwoch wohl nicht ganz so viele Besucherinnen und Besucher an wie in Vor-Corona-Zeiten. Es gilt „3G“. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Was ändert sich?

Die Digitalisierung offeriert uns bei Messen neue Chancen. Schon jetzt ergänzen wir Formate um nutzerorientierte Online-Angebote. So können wir Besucher und Aussteller vor, während und nach der Messe-Ausgabe ganzjährig an das Format binden. Die Messe Dortmund verfolgt bei ihren Planungen ganz klar den hybriden Ansatz.

Wie ist der Plan für 2021/22?

Der Messekalender 2022 verspricht

wieder Normalität, dafür sorgt auch unser Hygienekonzept. Es bietet aus unserer Sicht ein sehr hohes Sicherheitsniveau, bis wir Corona irgendwann gänzlich hinter uns gelassen haben. 2022 wird zudem ein Jahr neuer Ideen und Formate. So feiert die weltweit größte Kartmesse (IKA) im Januar 2022 ihre Ruhrgebietspremiere. Im September präsentiert die Messe Dortmund zudem ihre neue Fachmesse VertiFarm. Die Plattform vernetzt Wirtschaft, Politik, Industrie und Handel für Zucht- und Anbaumöglichkeiten der Zukunft.

Bislang 43,5 Mrd. Euro Schaden nur für die Branche

Den gesamtwirtschaftlichen Schadendurch Corona-Auflagen beziffert der deutsche Messeverband Auma bisher auf rund 43,5 Milliarden Euro, allein in der eigenen Branchen. Ausfälle für Hotels und Gaststätten, Dienstleister wie Transportunternehmen, aber auch viele kleinere Unternehmen, die ihre Kunden ohne Messen nicht erreicht haben, sind dabei gar nicht mitbetrachtet.

Allein in Dortmund wurden vor Corona 212 Millionen Euro durch Besucher und Aussteller bei Messen und Veranstaltungen jährlich ausgegeben. Fast 200.000 Übernachtungen in der Stadt gehen pro Jahr auf das Geschäft der Westfalenhallen zurück. Rund 2.200 Arbeitsplätze in Dortmund hingen und hängen von den Westfalenhallen ab, wie die letzte ifo-Studie zeigte.