Dortmund. Das Handwerk will bei der Energiewende und nachhaltigem Bauen eine zentrale Rolle spielen. Das Bewusstsein dafür wächst bei Betrieben und Kunden.
Das Thema Nachhaltigkeit hat es aus den Akademikerköpfen ins bodenständige Handwerk geschafft: Immer mehr Kunden verlangen nachhaltiges Bauen und Sanieren, immer mehr Zimmerer und Heizungsbauer bieten sie an. Doch vor allem für kleinere Betriebe gibt es noch finanzielle und bürokratische Grenzen – das geht aus einer Umfrage der Handwerkskammer (HWK) zu Dortmund hervor, die auch für das östliche Ruhrgebiet bis Bochum zuständig ist.
Die HWK Dortmund ist in NRW die derzeit federführende Kammer beim Thema Nachhaltigkeit. Deshalb hängte sie ihrer halbjährlichen Konjunkturumfrage in diesem Herbst einige Fragen zu nachhaltigem Handwerk, den Motivationen und Hindernissen an. Die Sonderauswertung zeigt für HWK-Geschäftsführerin Olesja Mouelhi-Ort, dass viele Betriebe beim Thema Nachhaltigkeit auf einem guten Weg und einige dabei schon sehr weit seien: „Die Nutzung erneuerbarer Energien, umweltschonende Produkte und Dienstleistungen sowie alternative Antriebe sind längst selbstverständlich“, sagt sie. Gleichwohl gebe es noch einiges zu tun.
Jeder zweite Handwerker bietet klimaschonende Produkte an
Das zeigen auch die Ergebnisse: Drei von vier Betrieben gaben in der Umfrage an, ressourcen- und energieeffizient zu arbeiten. Gut die Hälfte (52 Prozent) bieten ihren Kunden gezielt energiesparende und klimaschonende Produkte an, fast jeder zweite Handwerker tut dies demnach noch nicht. Erneuerbare Energien wollen nach eigenen Angaben vier von zehn Betrieben (38 Prozent) nutzen oder tun dies bereits, etwa genauso viele (36 Prozent) sehen im Kauf von Firmenfahrzeugen mit alternativem Antrieb einen Beitrag zur Energiewende. An eine energetische Sanierung ihres Firmengebäudes denkt derzeit nicht einmal jeder siebte Handwerker (13,4 Prozent).
Noch wichtiger als die ökologische ist den Betrieben die soziale Nachhaltigkeit: hier gaben 73 Prozent der befragten Handwerker an, aktiv oder sehr aktiv zu sein. Es geht vor allem um gute Arbeitsbedingungen und ein gutes Betriebsklima, um Fachkräfte langfristig zu binden bzw. im immer härter werdenden Kampf um guten Nachwuchs punkten zu können. Zuallererst setzen die Handwerker darauf, ihren Mitarbeitern die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu ermöglichen (71 Prozent), 44 Prozent gaben an, ihren Beschäftigten Sport-, Bildungs- oder Kulturangebote zu unterbreiten. Unter ökonomischer Nachhaltigkeit verstehen die meisten Investitionen in Fortbildungen, Ausbildung und langfristige Investitionen in den Betrieb.
Kleine Betriebe tun sich schwerer
Als größtes Hemmnis für mehr Nachhaltiges gilt der Umfrage zufolge die Betriebsgröße: Zwei von drei Handwerkern gaben an, sie seien zu klein, um nachhaltiger arbeiten zu können, fehlende finanzielle Mittel gaben 46 Prozent an. Beides gehört zusammen: Vor allem kleinere Betriebe tun sich schwer mit größeren Anschaffungen, etwa von neuen Firmenwagen oder energiesparenderen Maschinen und Werkzeugen. So sei es vielen kleineren Betrieben nicht möglich, mal eben ihre Fahrzeugflotte von Diesel auf Elektro umzustellen, sagt Kammervorständin Mouelhi-Ort. Schon gar nicht, wenn sie erst vor wenigen Jahren die alten Diesel durch modernere ersetzt haben, um der Feinstaub-Problematik aus dem Weg zu gehen.
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Dass nachhaltiges Arbeiten gerade jetzt auch viel Geld sparen kann, zeigt Jochen Schneider in seinem Wittener Elektrotechnik-Betrieb ehm, wo die Kammer ihre Herbstumfrage präsentierte. Ein neues, digital gesteuertes Fehlermanagement ermögliche es seiner Firma, „deutlich produktiver zu arbeiten, die Fehlerkosten erheblich zu reduzieren“, sagt Schneider. Denn die sind oft sehr hoch, im Durchschnitt liege der Anteil der Fehlerkosten bei 15,4 Prozent. Weniger Fehler bedeuten auch weniger Materialeinsatz und dadurch niedrigere Kosten. „Wie wichtig dieses ist und in der Zukunft sein wird, zeigt uns gerade die aktuelle Entwicklung der Preise und der Verfügbarkeit von Rohstoffen und Vorprodukten“, betont der Elektrotechniker. Der weltweite Mangel an Chips, Holz und Metallteilen hat die Beschaffungspreise in diesem Jahr explodieren lassen.
„Bei Förderprogrammen blickt keiner durch“
Viel Luft nach oben gibt es im Handwerk noch beim Ausschöpfen vorhandener Fördertöpfe für nachhaltiges Bauen. Zu kompliziert, zu zeitraubend, zu unübersichtlich, findet auch Jochen Schneider. „Als kleines Unternehmen können Sie Förderanträge gar nicht ohne externe Hilfe bewältigen“, sagt er, „es gibt keine Stelle, die bei allen Programmen durchblickt, auch die Kammer nicht“. Und weil ein Förderbescheid viele Monate auf sich warten lasse und man vorher nicht anfangen dürfe, stellten viele Betriebe erst gar keinen Antrag.
Diesen Wink hat die Kammer verstanden, HWK-Präsident Berthold Schröder erklärte, die Aufgabe der Kammern bei der Förderberatung werde immer wichtiger, mit den häufigen Änderungen aber auch anspruchsvoller. Er wünscht sich „mehr Konstanz“ in den Programmen. HWK-Geschäftsführerin Olesja Mouelhi-Ort verspricht: „Wir werden unseren Mitgliedern stärker als bisher passgenaue Beratungsangebote unterbreiten und geeignete Fördermöglichkeiten aufzeigen.“ Dabei wolle die Kammer gezielt junge Handwerker einbeziehen, denn: „Sie sind die Generation von morgen, der wir unsere Systeme übergeben. Sie sollen kreativ sein und sagen, in welche Richtung es gehen muss.“