Essen. Kriminelle mögen Bargeld-Geschäfte. Im Kampf gegen Geldwäsche fordert die EU eine Obergrenze von 10.000 Euro. NRW und Kfz-Handel sind dagegen.
Wer mit einer Tasche voller Geldscheine zum Autohändler oder Juwelier fährt, muss ein besonderes Faible für Bargeld haben – oder etwas zu verbergen. Um Geldwäsche einzudämmen, will die Europäische Union eine Obergrenze für Barzahlungen von höchstens 10.000 Euro einführen. 18 der 27 EU-Länder haben eine, Deutschland nicht. Warum? Auf diese Frage erhielt unsere Redaktion Antworten aus Politik und Wirtschaft, die große Zweifel hinterlassen, ob Deutschland sich von Brüssel wird überzeugen lassen.
Dabei macht unser Rechtssystem Deutschland „attraktiv für Geldwäscheaktivitäten“ – wie der Bundesverband deutscher Banken (BdB) einräumt. Denn die Organisierte Kriminalität sei bestrebt, ihre kriminellen Gewinne nicht nur zu verschleiern, sondern sie auch in einem legalen System langfristig gegen den Zugriff krimineller „Wettbewerber“ zu sichern, so der BdB. Die Möglichkeit der unbegrenzten Barzahlung sei auch ein Aspekt, sollte aber „nicht überschätzt werden“.
Zoll: Güterhändler anfällig für Geldwäsche
Die Generalzolldirektion lässt keinen Zweifel daran, wer bevorzugt große Barzahlungen tätigt: „Das Geldwäscherisiko wird durch anonyme Transaktionsmöglichkeiten, wie sie auch bei Bargeld gegeben sein können, verstärkt. Insbesondere bargeldintensive Branchen, wie beispielsweise Güterhändler, sind anfällig für Geldwäsche. Dies hat bereits die erste Nationale Risikoanalyse gezeigt“, erklärte die Behörde, deren Spezialeinheit FIU für Schwarzgeld-Delikte zuständig ist. Sie hat insbesondere Auto-, Schmuck-, Gold- und Kunsthändler im Blick.
Das Geldwäsche-Gesetz
In Deutschland müssen sich Händler und Dienstleister laut Geldwäschegesetz seit 2017 bei Barzahlungen ab 10.000 Euro einen Ausweis zeigen lassen und den Identitätsnachweis aufbewahren.
2020 wurde diese Grenze für Edelmetalle und Diamanten auf 2000 Euro gesenkt. Beim Kauf von Immobilien müssen Barzahlungen über 10.000 Euro grundsätzlich von den beteiligten Rechtsanwälten, Notaren und Steuerberatern gemeldet werden.
Für Kreditinstitute hat die Bankenaufsicht Bafin erst im Juni neue Anwendungsrichtlinien erlassen: Sie sollen bei Bargeld-Einzahlungen ab 10.000 Euro einen Nachweis zur Herkunft des Geldes einfordern. Erbringen die Kunden ihn nicht, haben sie vier Wochen Zeit, Belege nachzureichen, andernfalls muss die Bank den Vorgang der Geldwäschespezialeinheit FIU melden.
Eine gesetzliche Bargeldobergrenze von 10.000 Euro sei „nicht das richtige Instrument, um effektiv gegen Geldwäsche vorzugehen“, legt sich das von Lutz Lienenkämper (CDU) geführte NRW-Finanzministerium fest. Eine pauschale Bargeldobergrenze würde für alle gelten und das sei „unangemessen“, weil es die Bürgerinnen und Bürger „massiv in ihrer Freiheits- und Privatsphäre beeinträchtigen würde“. Bislang gebe es „keine belastbaren Anhaltspunkte dafür, dass eine solch pauschale Beschränkung von Bargeldzahlungen tatsächlich zu einer Eindämmung von Geldwäschedelikten, Terrorismusfinanzierung und anderen kriminellen Handlungen führen könnte“.
EU-Kommissarin will Schlupflöcher schließen
Die EU und die meisten ihrer Mitgliedsstaaten sehen das anders. Es gehe nicht darum, Bürgern die Möglichkeit von Bargeldzahlungen zu nehmen, sondern darum, Schlupflöcher für Kriminelle zu schließen, begründete EU-Finanzmarktkommissarin Mairead McGuinness ihren Vorstoß.
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Die Landesregierung verweist auf die zuletzt mehrfach verschärften Regelungen im Kampf gegen Geldwäsche: Wer heute mehr als 10.000 Euro hinlegt, muss sich ausweisen. Der Verkäufer muss den Identitäts-Nachweis aufbewahren und Verdachtsfälle der FIU melden. Und wer mehr als 10.000 Euro in bar zu seiner Bank schleppt, muss belegen, wo er es herhat. Wer das ernster nimmt, zeigt die FIU-Statistik überdeutlich: Von den 144.000 Verdachtsmeldungen kamen nur rund 4300 von Gewerbetreibenden, der Rest von Kreditinstituten.
Grüne wollen Barkauf von Immobilien verbieten
Nach wie vor werden in Deutschland viele Autos, Uhren und Schmuckstücke bar bezahlt, anders als in den meisten anderen europäischen Ländern. Wenn der Verkäufer einverstanden und dies notariell festgehalten ist, können sogar Häuser in Deutschland nach wie vor mit einem Koffer voller Geld bezahlt werden. Die Forderung der Grünen, dies zu verbieten, dürfte in den Koalitionsverhandlungen auf den Widerstand der anderen Parteien stoßen. Auch Kanzlerkandidat Olaf Scholz hatte sich bereits dagegen ausgesprochen.
Wie NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) das sieht? Sein Ministerium äußerte sich nicht, verwies mangels Zuständigkeit beim Thema Bargeldgrenze an die Ressorts Wirtschaft und Finanzen weiter, die dagegen sind. Dass er eine andere Sicht auf Thema haben könnte, ergibt sich aus seinem zur Chefsache erklärten Kampf gegen die Clankriminalität. Und mehr noch aus den Schwierigkeiten des Rechtsstaats im Umgang mit besonders dreisten Vorgehensweisen.
Clan in Leverkusen hatte 335.000 Euro in der Villa
Der libanesischen Familie, deren Leverkusener Villa im Juni medienwirksam gestürmt wurde, wirft die Staatsanwaltschaft nicht nur vor, Sozialleistungen von mehr als 400.000 Euro widerrechtlich bezogen zu haben. Die Villa soll der Sohn des Clanoberhaupts vor Jahren gekauft und an seinen Vater vermietet haben. Gezahlt hat die Miete das Jobcenter. Die Polizei fand bei ihrer Razzia neben Schusswaffen, Schmuck und einer auf 30.000 Euro geschätzten Armbanduhr auch 335.000 Euro Bargeld.
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„Wir haben ihn nicht nur festgenommen, sondern ihm auch sein Zuhause weggenommen“, hatte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) über den 46-Jährigen gesagt, der in Deutschland als Nummer zwei des libanesischen Al-Z.-Clans gilt. Vergangene Woche musste er einräumen, dass die Familie immer noch in der auf eine Million Euro taxierten Villa lebt, die nun als beschlagnahmt gilt.
Landeskriminalamt: Geldwäsche in Reinkultur
Den jahrelangen Ermittlungen des Landeskriminalamts zufolge soll die Familie ihr unter anderem mit Drogenverkauf erworbenes Geld in Autos, Barbershops und auch in Immobilien investiert haben. Thomas Jungbluth, der leitende Ermittler gegen Organisierte Kriminalität im Landeskriminalamt NRW, nannte die Umstände der Finanzierung der Immobilie „Geldwäsche in Reinkultur“.
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Grundsätzlich würde eine Bargeldobergrenze „zu mehr Datenspuren bei Transaktionen im Handel führen“, erklärt der Bankenverband. Die Herkunft des Geldes zu verschleiern, würde demnach schwerer. Die Banken bezweifeln aber, ob das „die entscheidende Waffe im Kampf gegen Schwerkriminalität“ sei. Ein besserer Austausch mit den Behörden und europaweit einheitliche Regeln beim Nachweis der Käuferidentität seien wichtiger.
EU will auch Kryptowährungen stärker reglementieren
Die EU setzt freilich nicht nur auf die Bargeldgrenze, sondern will eine neue Überwachungsbehörde schaffen und die auch von der Organisierten Kriminalität als Alternative entdeckten Kryptowährungen wie Bitcoin stärker reglementieren. Bargeldgrenzen gehörten aber dazu. Frankreich etwa zieht sie bei 1000 Euro, Spanien bei 2500, Italien und Belgien bei 3000 Euro. Diese Länder wünschen sich schon aus Wettbewerbsgründen eine europaweite Begrenzung von Bargeschäften. Belgische Juweliere etwa schätzen, dass ihnen bis zu 30 Prozent Umsatz verloren gehen, weil es in den Nachbarländern Luxemburg und Deutschland keine Obergrenze gibt.
Marcus Büttner, Hauptgeschäftsführer des Kfz-Handels in NRW, ist erwartungsgemäß auch gegen Barzahlungs-Grenzen. Anteilig gingen die Barkäufe zwar besonders in den großen Autohäusern zurück. Bei kleineren Gebrauchtwagenhändlern spielten sie aber noch eine größere Rolle. Büttner führt ein sehr aktuelles Argument ins Feld: Wer derzeit auf ein Auto spare, bewahre sein Geld wegen der inzwischen von vielen Banken bereits bei Einlagen ab 10.000 Euro erhobenen Strafzinsen oft lieber zuhause auf. Man könne Sparer schließlich nicht zwingen, ihr Geld verlustbringend auf die Bank zu legen, damit sie ein Auto kaufen können, so Büttner.