Düsseldorf. Sie sollten laut Landesregierung ihr Heim verlieren, leben aber noch dort, zahlen keine Miete und kassieren womöglich Sozialleistungen.
Die Polizeiaktion am 8. Juni in einer Leverkusener Villa dürfte vielen Bürgern noch als Coup gegen die Clan-Kriminalität in Erinnerung sein. Damals verbreitete die Landesregierung die Botschaft, man habe einen der berüchtigtsten Clan-Bosse Deutschlands aus seinem Luxushaus vertrieben. Heute stellt sich heraus: Die Bewohner leben immer noch dort und sogar umsonst.
An jenem Dienstagmorgen im Juni rammte ein Panzerfahrzeug der Polizei filmreif das Tor zum prächtigen Clan-Anwesen in Leverkusen-Rheindorf. Die zahlreich eingesetzten Beamten fanden 335.000 Euro Bargeld, Schmuck und teure Uhren, obwohl die Hausbewohner -- eine staatenlose und daher nicht abschiebbare Familie -- offenbar Sozialleistungen bezogen.
"Schlag gegen die erste Liga der Clan-Kriminalität"
Ein 46-jähriger Mann, der in Deutschland als „Nummer zwei“ des berühmt-berüchtigten libanesischen Al-Zein-Clans, gilt, seine 42-jährige Ehefrau und die beiden Söhne (24/28) wurden vorübergehend festgenommen. NRW-Innenminister Herbert Reul, der sich als Kämpfer gegen kriminelle Clans versteht und zuletzt auch während des Bundestagswahlkampfes die Erfolge des Landes NRW in diesem Kampf herausstellte, fand damals überschwängliche Worte: „Das ist heute ein Schlag gegen die erste Liga der Clan-Kriminalität“, sagte er über die Aktion und über das Familienoberhaupt: „Wir haben ihn nicht nur festgenommen, sondern ihm auch sein Zuhause weggenommen.“ Die Villa werde im Grundbuch dem Staat über-, die Familie ausgetragen.
Eine Übertreibung, wie man heute weiß. Denn tatsächlich leben die Clan-Mitglieder noch immer in der Villa, deren Wert von den Behörden auf etwa eine Million Euro geschätzt wird. Die Bewohner müssen auch keine Miete an den Staat zahlen. Inzwischen wurde zwar vorläufig ein Verkaufsverbot für die Immobilie erlassen und ins Grundbuch eingetragen, nicht aber ein neuer Eigentümer. Das steht in einem aktuellen Bericht von NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) an den Rechtsausschuss des Landtags. Wegen der Beschlagnahmung dürfen die Beschuldigten das imposante Anwesen zwar nicht verkaufen und das Geld zur Seite legen, bis die Frage einer Eigentumsübertragung auf den Staat geklärt sei. Ein endgültiger Übergang an den Staat ist dem Bericht zufolge allerdings gar nicht vorgesehen.
Clan-Mitglieder kassieren womöglich immer noch Sozialleistungen
Ob die Bewohner immer noch Sozialleistungen kassieren, obwohl gegen sie Ermittlungen wegen Sozialleistungsbetruges laufen, weiß die Landesregierung nicht. Das NRW-Sozialministerium dürfe dies gar nicht beim zuständigen Jobcenter Leverkusen prüfen, weil hier die Bundesagentur für Arbeit zuständig sei und nicht die NRW-Regierung, heißt es. „Aus Gründen des Sozialdatenschutzes“ könnten ohnehin keine Auskünfte erteilt werden – selbst dann, wenn die Informationen vorlägen.
Innenminister Herbert Reul hat laut dem Bericht inzwischen erklärt, dass seine forschen Statements am Tag des Sturms auf die Villa „juristisch nicht präzise“ gewesen seien. Es sei ihm darum gegangen, „den komplexen juristischen Vorgang sowie den Einsatz- und Ermittlungserfolg zu veranschaulichen“.
SPD: "So verlieren die Clans noch den letzten Respekt vor der Polizei"
Die SPD, die nach der spektakulären Hausdurchsuchung der Landesregierung einige Fragen stellte, findet die Antworten erhellend: „Innenminister Herbert Reul hat im Juni angekündigt, dass die Villa ,bereits in wenigen Stunden‘ dem Staat gehören würde. Jetzt kommt raus, dass die Ermittlungsbehörden bisher nicht einmal beantragt haben, die Villa auf den Staat umzuschreiben. Im Gegenteil! Der Clan darf da sogar mietfrei weiter wohnen“, sagte der Innenexperte der SPD-Landtagsfraktion, Sven Wolf, dieser Redaktion. „So verlieren die Clans auch noch den letzten Respekt vor der Polizei“, vermutet der Abgeordnete.
Parallel zu der Aktion in Leverkusen hatte die zuständige Zentralstelle für die Verfolgung Organisierter Straftaten (ZeOS) weitere Häuser, Wohnungen, Büros und Geschäfte im Rheinland und im Ruhrgebiet durchsuchen lassen, um Beweise gegen den Clan zu sichern.