Berlin/Essen. Die IG Metall fordert von der künftigen Bundesregierung einen massiven Ausbau der Wasserstoff-Infrastruktur. Das soll auch Thyssenkrupp helfen.

Die IG Metall fordert von der künftigen Bundesregierung massive Investitionen in den Ausbau der Wasserstoff-Infrastruktur. „Wir brauchen einen Einstiegsplan“, sagte Jürgen Kerner, der Vorstandsmitglied der Gewerkschaft sowie Aufsichtsrat von Siemens und Thyssenkrupp ist, am Rande einer Tagung der IG Metall in Berlin. Kerner kritisierte, das Vorgehen der bisherigen Bundesregierung sei zu zögerlich gewesen. „Für den Ausstieg aus Kohlestrom und Atomenergie werden Milliarden zur Verfügung gestellt – zu Recht. Aber wenn es um den Einstieg in essenzielle neue Technologien wie den grünen Wasserstoff geht, tun wir uns sehr schwer. Das muss sich dringend ändern.“

Matthias Deutsch, Wasserstoffexperte der Berliner Denkfabrik Agora, erklärte, insbesondere für Branchen wie die Stahl- und Chemieindustrie sei der Einsatz von Wasserstoff von enormer Bedeutung, um eine klimaneutrale Produktion aufzubauen. Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen sei derzeit aber noch „teuer und knapp“. Angesichts milliardenschwerer Investitionskosten könne ein Umbau der Industrie nicht allein durch Veränderungen beim Preis für den Ausstoß des Klimagases Kohlendioxid gelingen. Insbesondere beim Aufbau einer Gasinfrastruktur müsse der Staat stärker als bisher mithelfen, betonte der Experte.

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Die IG Metall sieht nicht nur in der Stahlindustrie, sondern auch bei Anlagenbauern, in der Bahnindustrie, im Schwerlastverkehr sowie bei Triebwerkherstellern Handlungsbedarf. Für die Herstellung von Wasserstoff werde unter anderem der Strombedarf enorm steigen, heißt es in einem Forderungspapier der Gewerkschaft mit Blick auf die anstehenden Verhandlungen zu einem Koalitionsvertrag. „Wir fordern die Bundesregierung auf, den Strombedarf für die Zukunft realistisch einzuschätzen“, mahnt die IG Metall.

Tekin Nasikkol, der Gesamtbetriebsratschef von Deutschlands größtem Stahlkonzern Thyssenkrupp Steel, warnte in Berlin davor, dass Deutschland den Anschluss verlieren könnte. „Während wir noch reden, werden anderswo schon Verträge geschlossen“, sagte Nasikkol.

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So hatte der Autobauer Mercedes unlängst angekündigt, sich als erster Pkw-Hersteller am schwedischen Start-up H2 Green Steel (H2GS) zu beteiligen. Die erst im vergangenen Jahr gegründete Firma will in Nordschweden eine fossilfreie Stahlproduktion in großem Maßstab aufbauen. H2GS plant, fünf Millionen Tonnen fossilfreien Stahl bis zum Jahr 2030 zu produzieren. Zum Vergleich: Deutschlands Branchenprimus Thyssenkrupp Steel stellt jährlich etwa elf Millionen Tonnen Rohstahl her. Ab 2030 will Thyssenkrupp in Duisburg pro Jahr rund drei Millionen Tonnen CO2-neutralen Stahl produzieren.

Die Arbeitnehmervertreter machen Druck. Für den 29. Oktober plant der Thyssenkrupp-Betriebsrat einen „Stahl-Aktionstag“ mit einer Großkundgebung, an der mindestens 5000 Beschäftigte teilnehmen sollen. Nasikkol forderte, die neue Bundesregierung müsse einen zehn Milliarden Euro schweren „Transformationsfonds“ für den Umbau der Stahlindustrie bis zum Jahr 2030 auf den Weg bringen. Die Unternehmen könnten die nun notwendigen Investitionen nicht aus eigener Kraft finanzieren.