Essen. Wichtige Vereinbarung der Steag und ihrer Muttergesellschaft KSBG mit den Banken steht. Nun hat der Treuhänder zwei Jahre Zeit für die Sanierung.

Steag-Technikvorstand Ralf Schiele konnte die gute Nachricht nicht mehr für sich behalten: Es habe am vergangenen Freitag eine „finanzielle Weichenstellung für die Weiterentwicklung des Konzerns“ gegeben, sagte er am Montag bei einem Termin in Herne. Welcher Art genau die gute Nachricht sei, blieb zunächst im Raume stehen. Auf Nachfrage bestätigte der Essener Energiekonzern unserer Zeitung nun, dass die Steag endlich mit ihren Geldgeberinnen einig geworden ist: Die Banken haben die Finanzierung bis Ende 2023 zugesagt.

Der Optimismus wächst im schwer angeschlagenen Stromkonzern, dessen bisheriges Geschäftsmodell mit vielen Steinkohlekraftwerken sich im Zuge der Energiewende in Luft auflöst. Und während sich die Konkurrenz seit Jahren neu erfindet, wurde die Steag zwischen den verschiedenen Interessen ihrer kommunalen Eigentümerinnen zerrieben. Nun mehren sich die Hoffnungsschimmer: Die sechs Ruhrgebietsstädte haben sich auf den gemeinsamen Ausstieg und einen Treuhänder verständigt, der den Verkauf ihrer Anteile managen soll. Die Banken stehen. Und gleichzeitig kommt die Steag bei der Abwicklung ihrer Kohlekraftwerke und dem Ausbau anderer Geschäftszweige voran, erhält für die Stilllegung sogar eine ansehnliche Entschädigung in dreistelliger Millionenhöhe.

Umstieg auf Erneuerbare Energien und Dienstleistungen

In Herne nahm die Steag mit ihren Partnern Thyssengas und Siemens Energy die Erdgasversorgung für das Kraftwerk in Betrieb, das ab nächstem Sommer 600 Megawatt Strom und 400 MW Wärme erzeugen soll. Es ist eines jener Brücken-Kraftwerke, die den Übergang von der fossilen zur erneuerbaren Energieerzeugung absichern sollen. Gas verursacht deutlich weniger Treibhausgas, wird aber ebenfalls in einer klimaneutralen Wirtschaft in wenigen Jahrzehnten Geschichte sein. Umso wichtiger ist es, jetzt für gut zwei Jahre den Rücken frei zu haben, um Erneuerbare Energien und das bei der Steag gepflegte Geschäft mit technischen Dienstleistungen auszubauen.

Steag-Technikvorstand Ralf Schiele verbreitet beim symbolischen Anschluss des neuen Gaskraftwerks in Herne an die Gasversorgung viel Optimismus.
Steag-Technikvorstand Ralf Schiele verbreitet beim symbolischen Anschluss des neuen Gaskraftwerks in Herne an die Gasversorgung viel Optimismus. © FUNKE Foto Services | Alexa Kuszlik

Die Banken zu überzeugen, ist nie leicht, für die Steag mit ihren mehr als 50 Kreditgeberinnen gilt das aber ganz besonders. Darüber war zuletzt auch das eigentlich bereits verabredete Modell mit der RAG-Stiftung als Treuhänderin gescheitert. Den Banken erschien die Kohlestiftung mit ihrem politisch besetzten Kuratorium nicht als die beste Garantin für die geforderte harte Sanierung des Unternehmens, um es hübsch für den Verkauf zu machen. Nachdem die Banken den Insolvenz- und Sanierungsexperten Jan Markus Plathner als Treuhänder durchgesetzt haben, sichern sie nun die Finanzen der Steag und ihrer Muttergesellschaft KSBG ab, in denen die beteiligten Kommunen sitzen.

Aufsichtsratschef Pehlke: Ein Meilenstein für die Steag

„Das ist ein Meilenstein für die Steag, das gibt uns die nötige Stabilität, um das Unternehmen zu einem grünen Energieversorger umzubauen“, sagte Steag-Aufsichtsratschef Guntram Pehlke unserer Zeitung. Bis Ende 2023 habe man nun Zeit für die Restrukturierung und könne so den Verkaufsprozess vorantreiben.

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Plathner soll als Geschäftsführer der Treuhandgesellschaft den Essener Energiekonzern auf Kurs bringen und so attraktiv für Investoren machen. Die Stadtwerke aus Duisburg, Dinslaken, Oberhausen, Essen, Bochum und Dortmund überantworten ihm dafür ihre Anteile an der Steag, die sie vor zehn Jahren gemeinsam für 1,2 Milliarden Euro vom Essener Chemiekonzern Evonik gekauft haben.

IGBCE befürchtet eine harte Sanierung der Steag

Die Kommunen, die zunächst die RAG-Stiftung favorisiert hatten, geben ihr Unternehmen mit knapp 6000 Beschäftigten damit in die Hand eines ausgewiesenen Insolvenzexperten. Sie müssen wissen, dass dies mit Einschnitten verbunden sein wird, mit einiger Wahrscheinlichkeit auch einem weiteren Stellenabbau. Plathner hat sich bei der Hamburger Kanzlei Brinkmann & Partner einen Namen als harter Sanierer gemacht. Und als solcher ist nicht der Mann der Wahl für die Gewerkschaft IGBCE. Deren Chef Michael Vassiliadis bangt um die Arbeitsplätze, kritisierte die Revierstädte dafür, dass sie die „politische, wirtschaftliche und soziale Balance aufgegeben“ hätten, wie er unserer Zeitung sagte.

Für die Steag ist es gleichwohl bereits ein Fortschritt, dass sich ihre sechs Eigentümerinnen in diesem Sommer überhaupt auf einen gemeinsamen Ausstieg geeinigt haben, denn das hat immerhin zwei kostbare Jahre gedauert. Um die Banken überhaupt bei der Stange und ihre Beteiligungsgesellschaft KSBG liquide zu halten, mussten sie erneut 30 Millionen Euro nachschießen, was den vorerst letzten Streit auslöste. Denn an dieser letzten Geldspritze beteiligen sich nur Dortmund, Essen, Duisburg und Dinslaken – Bochum und Oberhausen nicht. Das soll nach dem Verkauf der Steag-Anteile beim Verteilen der Erlöse berücksichtigt werden.