Essen. Neue Studien zeigen einen dramatischen Anstieg an Lebensmittelverschwendung. NRW-Konzerne kämpfen mit verschiedenen Konzepten dagegen an.

Händler in NRW kämpfen gegen die steigende Lebensmittelverschwendung an. Denn laut einer kürzlich veröffentlichten Studie des WWF werden weltweit Jahr für Jahr durchschnittlich 2,5 Milliarden Tonnen Lebensmittel weggeworfen. Das ist mehr als bisher angenommen: Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen schätzte die Lebensmittelverschwendung bislang auf 1,2 Milliarden Tonnen.

Laut Umweltorganisation resultiere der neu ermittelte Anstieg aus erstmals vorgenommenen Schätzungen für die Verluste vor und während der Ernte. Zudem sei das Volumen der Lebensmittelproduktion seit 2011 deutlich gestiegen. Pro Kopf liegen die geschätzten Lebensmittelabfälle in Deutschland bei rund 75 Kilogramm im Jahr, deutschlandweit ergibt das 6.263.775 Tonnen Lebensmittelabfälle im Jahr. Damit landet Deutschland auf Platz fünf der Länder, deren Haushalte die meisten Lebensmittel verschwendet - direkt hinter China, Indien, den USA und Japan.

Händler in NRW versuchen darauf zu reagieren. Bei der Metro sieht Sprecherin Sirin Emre-Flender dringenden Handlungsbedarf. Bereits 2016 habe sich der Großhandelskonzern Metro deshalb dazu verpflichtet, den Verlust von Lebensmitteln bis 2025 im eigenen Unternehmen zu halbieren.

Verlust von Nahrungsmitteln schon auf dem Feld vermeiden

„Um den Verlust wertvoller Nahrungsmittel schon auf dem Feld oder auf dem Weg in die Stores zu reduzieren, haben wir in ländlichen Gebieten, wie zum Beispiel in Indien, Sammelstellen eingerichtet“, so Emre-Flender. „Dadurch wurde die durchschnittliche Dauer der Lieferung bis zum Markt von 36 auf acht Stunden reduziert.“ Das senke die Menge der Lebensmittel, die aufgrund von Klima und Hitze verderben, deutlich.

WWF-Sprecherin Wiebke Elbe sieht bei der Ernte auf dem Feld noch ein anderes Problem: „Am Beispiel Kartoffeln kann man sehen, dass viele Lebensmittel bereits schon an der Produktionsstätte aussortiert werden, weil sie nicht der Norm entsprechen. Das muss sich ändern.“ So gehen laut neusten WWF-Schätzungen jährlich rund 1,5 Millionen Tonnen Kartoffeln auf dem Weg vom Acker bis zum Teller verloren.

Um der Lebensmittelverschwendung vor Ort in den Märkten entgegen zu wirken, kooperiert die Metro mit Start-ups und Initiativen wie „United Against Waste“, die durch ein Analyse-Methode Ursachen für Lebensmittelverschwendung erkennt und praktische Lösungen zur Abfallreduzierung entwickelt. Dabei werden laut des Start-ups individuelle Maßnahmen zur Restevermeidung erarbeitet, die auf das jeweilige Unternehmen abgestimmt seien.

Nutzer erhalten mit einem Klick Rezepte für Lebensmittelreste

Discounter Aldi Süd unterstützt ebenfalls Start-ups, die nachhaltige Konzepte voranbringen wollen und arbeitet seit vergangenem Jahr mit Plant Jammer zusammen. Das dänische Start-Up helfe Verbraucherinnen und Verbrauchern, passende Rezepte für Lebensmittelreste aus dem eigenen Kühlschrank zu finden.

Mit wenigen Klicks könnten Nutzerinnen und Nutzer angeben, welche Lebensmittel sie verwerten möchten, inklusive Allergien oder bestimmter Vorlieben. Aldi Süd-Sprecherin Nastaran Amirhaji ist von dem Konzept der Lebensmittelrettung überzeugt: „Wir bringen diesen innovativen Service mit Verwertungstipps ab sofort auf unsere Webseite.“

Bestellsysteme reduzieren Abfallmengen

Zusätzlich setzen Metro und Aldi auf ein Bestellvorschlagssystem, mit dem die benötigte Ware der jeweiligen Filiale für jeden Tag erfasst und entsprechend bestellt werden könne, um weniger wegwerfen zu müssen. Aldi Süd-Sprecherin Amirhaji: „Zeichnet sich trotz sorgfältiger Planung ab, dass Produkte nicht verkauft werden, bieten wir die Ware zu einem reduzierten Preis an.“

„Solch ein Waren-Management ist sinnvoll“, betont WWF Sprecherin Wiebke Elbe. Darüber hinaus sei es wichtig auf die Portionierung von Angeboten zu achten. „Wenn große Portionen zum kleinen Preis angeboten werden, können viele Kunden die zu große Menge zu Hause nicht vollständig verwerten.“

Gut erhaltene Lebensmittel gehen an die Tafel

Metro-Sprecherin Sirin Emre-Flender sagt, dass es trotz guter Planung, immer wieder vorkomme, dass Lebensmittel übrig blieben, die nicht mehr verkauft werden können. „Doch Lebensmittel wegzuwerfen, ist nie unsere erste Option.“ Allein im Geschäftsjahr 2019/2020 habe die Metro deutschlandweit etwa 16 Millionen Mahlzeiten an gemeinnützige Organisationen, wie die Tafeln, gespendet. Mit der Lebensmittelretter-App Too Good To Go hätten die Gastronomiebetriebe der Metro bereits 135.000 Portionen Essen retten können.

Die übrig gebliebenen Lebensmittel zu spenden sei ein guter Ansatz, so WWF-Sprecherin Wiebke Elbe. Allerdings sei es erschütternd, dass es bei all dem Lebensmittelüberfluss Organisationen wie die Tafel überhaupt brauche.

Mindesthaltbarkeitsdatum ist nur ein Richtwert

Bei Aldi Süd werden laut Sprecherin Nastaran Amirhaji Äpfel mit Schönheitsfehlern im Laden als „Krumme Dinger“ gekennzeichnet. Neben dem Mindesthaltbarkeitsdatum auf Milch- und Käsepackungen solle der Slogan „Riech mich! Probier mich! Ich bin häufig länger gut!“ Verbraucherinnen und Verbraucher auf den Umgang mit Lebensmitteln sensibilisieren, so Amirhaji.

Auch WWF-Sprecherin Wiebke Elbe betont, dass das Mindesthaltbarkeitsdatum nur ein Richtwert sei. Deshalb rät sie Lebensmittelhändlern dazu, Slogans wie sie auf Milch- und Käsepackungen stehen, auch auf andere Lebensmittel auszuweiten. Beim Obst und Gemüse sei es genauso, so Elbe. „Es ist nicht nur der Apfel, der noch gegessen werden kann, obwohl er optisch nicht der Norm entspricht. Diese Einzelaktionen müssen sich auf viele Produkte ausweiten.“