Essen. Privatbahn Abellio rettet sich in Schutzschirmverfahren. Staat zahlt drei Monate Löhne der 3100 Mitarbeiter. Insolvenzexperte sieht gute Chancen.

„Wir fahren weiter“, betont Abellio auf seiner Internetseite. Der private Bahn-Konkurrent, der in NRW so wichtige Strecken wie den Rhein-Ruhr-Express der Linie RE1 mitten durchs Ruhrgebiet bedient, muss seine Kunden einmal mehr beruhigen. Seitdem Abellio im vergangenen Jahr mehrfach über hohe Verluste geklagt und bessere Vergütungen oder Subventionen vom deutschen Staat gefordert hatte, stellt sich die Frage, wie lange die Privatbahn noch in Deutschland fährt. Nun hat Abellio beim Amtsgericht Berlin-Charlottenberg Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach dem so genannten Schutzschirmverfahren gestellt.

Die Tochter des gleichnamigen niederländischen Bahnunternehmens, das wiederum der dortigen Staatsbahn gehört, schreibt seit Jahren Verluste. Die hat die niederländische Mutter bisher ausgeglichen, darauf aber schon lange keine Lust mehr. Ohne „angemessene Kompensation“ sei „die Fortführung eines qualitativ hochwertigen Schienenpersonennahverkehrs durch Abellio“ gefährdet, warnte der niederländische Finanzminister Wopke Hoekstra im vergangenen Jahr höchstpersönlich die betroffenen Bundesländer. In NRW bewirtschaftet Abellio 15 Regionalzugstrecken.

Abellio hat drei Monate Zeit für Insolvenzplan

Das Schutzschirmverfahren ermöglicht eine Weiterführung unter dem bestehenden Management, das allerdings Insolvenzexperten zur Seite gestellt bekommt. Generalbevollmächtigter für Abellio ist der renommierte Insolvenzrechtler Lucas Flöther aus Halle an der Saale. „Abellio verfügt über eine gute Perspektive, sich mit geeigneten Restrukturierungsmaßnahmen zu sanieren“, sagt er. Voraussetzung für ein Schutzschirmverfahren ist, dass dem Unternehmen die Zahlungsunfähigkeit droht, aber noch nicht eingetreten ist. Das Abellio-Management muss nun einen Insolvenzplan aufstellen, der aufzeigt, wie Abellio nach dem Schutzschirmverfahren wieder profitabel fahren kann. Dafür hat es nun drei Monate Zeit. Insgesamt dauert das Verfahren in der Regel neun Monate.

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Wie bei den anderen Insolvenzverfahren auch, ist das Unternehmen zunächst drei Monate lang vor dem Zugriff seiner Gläubiger geschützt. Ebenso lang werden die Löhne der rund 3100 Beschäftigten von der Bundesagentur für Arbeit übernommen, Abellio spart allein dadurch geschätzt rund 40 Millionen Euro. Zur Einordnung: 2019 fuhr die Privatbahn in Deutschland einen Verlust von 33 Millionen Euro ein.

Steigende Kosten überfordern Privatbahn

Verantwortlich macht Abellio dafür die nicht mehr auskömmlichen Vergütungen durch die regionalen Verkehrsverbünde, hier den VRR. Das ist auch eine Folge des harten Wettbewerbs bei der Streckenvergabe: Den Zuschlag erhält der günstigste Anbieter, die Verträge laufen lang, bis zu 15 Jahre. Die zuletzt starken Kostensteigerungen durch Baustellen und dafür zu schaffende Schienenersatzverkehre sowie vor allem durch höhere Löhne besonders für die von allen Konkurrenten umworbenen Lokführer können dann nicht mehr über den Ticketverkauf reingeholt werden.

Doch die Nachverhandlungen führten nicht zum erhofften Erfolg. All das müsse vor der Abgabe eines Angebots einkalkuliert werden, hieß es stets aus der NRW-Landesregierung. „Der Schritt unter den Schutzschirm ist nach über anderthalb Jahren intensiver Verhandlungen mit den regionalen Aufgabenträgern die beste Option, den Unternehmenserfolg langfristig zu sichern“, sagte nun Abellio-Deutschlandchef Michiel Noy. Die Frage ist jetzt aber, wie der Plan für die Zukunft aussehen könnte. Verhandlungen über höhere Vergütungen dürften auch im Schutzschirmverfahren eine tragende Rolle spielen.