Hagen. Die Mitarbeiter der großen Brauereien in NRW bekommen eine Corona-Prämie und ab 2022 mehr Geld – außer bei Warsteiner und Paderborner.
Riesig ist der Schluck aus der Lohnpulle für die Beschäftigten der großen Brauereien in Nordrhein-Westfalen nicht, aber immerhin gibt es 750-Euro-Corona-Prämie (netto) und ab 2022 auch wieder eine Lohnsteigerung um 2,4 Prozent. Ausnahme: Die 740 Beschäftigten der Warsteiner und der Paderborner Brauerei schauen, zumindest vorerst, in die Röhre.
Am Freitag gab es einen Abschluss für die Sauer- und Siegerländer Brauereien mit Veltins, Krombacher (inklusive Rolinck) und normalerweise auch Warsteiner (mit Paderborner), für die traditionell eine eigene Verhandlung stattfindet. Für alle anderen tarifgebundenen Brauereien in NRW tagt die große Rheinisch-Westfälischen-Runde mit den meisten anderen namhaften Brauereien von Bitburger und König, den zur Radebergergruppe gehörenden Dortmundern (Stifts, Brinkhoff, DAB) über Fiege bis zu den Kölsch- und Altbierbrauern aus dem Rheinland. Dort hatte man sich bereits eine Woche früher verständigt. Das Kuriose: Dieser Abschluss gilt auch für die Beschäftigten der zur Warsteiner-Gruppe gehörenden Brauereien Herforder und Frankenheim, die zur Rheinisch-Westfälischen Runde gehören. Für sie gibt es die Prämie und die Entgelterhöhung ab 2022.
Ein absolutes Novum in der Geschichte
Was gerade passiert ist, ist ein Novum. Noch nie ist eine der Sauer- und Siegerländer Brauereien mit ihren insgesamt rund 2500 Beschäftigten ausgeschert. Während Krombacher und Veltins akzeptierten, hatte sich die Haltung der Warsteiner bereits früh angedeutet. Im Februar sind die Tarifverhandlungen gestartet. „Schon in der zweiten Verhandlung signalisierte der Warsteiner-Personalchef, dass man nicht mitgehen werde“, sagt Ina Korte-Grimberg, Landessekretärin der NGG. Die dritte Runde ließ Warsteiner ganz aus. Zur vierten und abschließenden am vergangenen Freitag setzte man sich nach Informationen dieser Zeitung wieder mit an den Tisch, um das Nein mitzuteilen. „Wir verstehen es selbst kaum. Es herrscht große Betroffenheit“, sagt die Gewerkschafterin. Laut NGG habe die Warsteiner-Geschäftsführung nicht nur das Ergebnis der Tarifverhandlungen nicht anerkannt, sondern „die Angebote abgelehnt und die Verhandlungen in weiten Teilen blockiert.“
Warsteiner sieht im zweiten Corona-Jahr kaum Spielraum
Der Warsteiner-Brauerei mit ihrem Hauptgeschäft am Stammsitz erscheint die finanzielle Belastung, die allein für den Standort Warstein knapp eine halbe Million Euro an Corona-Prämie ausmachen würde, in der aktuellen Krisensituation deutlich zu hoch: „Wir hätten uns von der Gewerkschaft NGG mehr Augenmaß für die wirtschaftliche Lage der Brauereien im bereits zweiten Corona-Jahr gewünscht und können, die aus unserer Sicht überzogenen Forderungen zum Wohle des gesamten Unternehmens, nicht akzeptieren“, lässt die neue Warsteiner-Sprecherin Simone Lápossy wissen.
Warsteiner, für die neben dem Fassbierabsatz in der Corona-Krise auch die ausländischen Märkte für relevante Umsatzeinbußen gesorgt haben dürften, verweist auf den Abschluss im Jahr 2020, der eine Entgelterhöhung um 2,3 Prozent vorsah. „Wir sind der Überzeugung, dass der krisengebeutelte Markt - mit langen Lockdown-Phasen, weitestgehend geschlossener Gastronomie und nahezu keinen Veranstaltungen derzeit kein darüber hinaus gehendes finanzielles Angebot an die Arbeitnehmer hergibt. Trotzdem hatten wir der NGG ein Angebot gemacht – es war der Gewerkschaft aber nicht hoch genug.“ Nach Informationen dieser Zeitung war man im Hause Cramer bereit, eine deutlich geringere Corona-Prämie zu zahlen. Wie der Konflikt nun weiter ausgetragen wird, ist offen.
Während man möglicherweise in der Warsteiner-Chefetage im Sauerland hofft, noch einmal ins Gespräch kommen zu können, könnte die Gewerkschaft NGG in der traditionell gut organisierten Branche an den Standorten Warstein mit 640 und Paderborn mit rund 100 Beschäftigten auch über Arbeitskampf nachdenken. Und dies womöglich in einer Phase, wo durch Lockerungen gerade die Geschäfte mit der Gastronomie wieder anziehen dürften – auch wenn von einem Effekt der Fußball-Europameisterschaft noch nicht allzu viel zu spüren ist.
In Bayern geht es zum Schlichter
Bundesweit hat die Corona-Krise erhebliche Auswirkungen auf die Braubranche. Die Schließungen von Hotels und Gaststätten in den Lockdowns bedeuteten auch, dass kein Tropfen Bier mehr durch die Zapfhähne lief. Das Fassbiergeschäft ist überall eingebrochen. Der Januar und der Februar 2021 waren für die Branche ein ganz mieser Start ins Jahr. Die in den vergangenen Monaten unterschiedlich stark gestiegenen Flaschenbierabsätze konnten diese Umsatzverluste nicht oder nur teilweise kompensieren.
Verhandelt wurde und wird auch in anderen Regionen. In Norddeutschland mit Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg Vorpommern etwa. Oder in Bremen mit Becks, wo es laut NGG Streiks gab, dann aber eine höhere Einigung als in NRW. Auch in Bayern ist es schwierig. Dort sind überdurchschnittlich viele Brauereien stärker vom Fassbierabsatz abhängig als etwa Veltins und Krombacher – und eigentlich auch Warsteiner. In Bayern finden sich Gewerkschaften und Arbeitgeberverband nun beim Schlichter wieder, weil keine Einigung erzielt werden konnte. Anders als in NRW und auch im Sauer- und Siegerland mit Krombacher und Veltins: „Wir freuen uns, dass wir einen Abschluss hinbekommen haben, der sinnvoll und zeitgemäß ist und das Engagement der Beschäftigten berücksichtigt“, kommentiert Veltins-Sprecher Ulrich Biene den Abschluss.
Übernahmegarantie
Dieser Abschluss sieht im Sauer- und Siegerland finanziell die gleiche Höhe vor wie im restlichen NRW. Die Prämie soll in zwei Raten ausgezahlt werden. 500 Euro mit der kommenden Lohnabrechnung und 250 Euro spätestens im März 2022. Neben den 2,4 Prozent Lohn- und Gehaltssteigerung ab 1. Januar 2022 gelten in Südwestfalen auch noch qualitative Zusagen: Übernahmegarantie für Auszubildende für ein halbes Jahr. Außerdem die Verlängerung des Altersteilzeittarifvertrages bis Ende 2022. Beide Bestandteile haben eine Signalwirkung für eine Region, die um Fachkräfte heute schon ringt.