Warstein. Die Brauwirtschaft erlebt eines der schwierigsten Jahre ihrer Geschichte. Die Warsteiner Brauerei hält unbeirrt an frecher Markenstrategie fest.
Spektakuläre Höhenflüge gibt es in der Brauereibranche im Corona-Jahr wohl kaum. Einzige Ausnahme, wenn man so will: Die Warsteiner Ballon Challenge, die in der vergangenen Woche im Sauerland stattgefunden hat. Tatsächlich bleibt die Brauerei selbst auf dem Teppich, fährt ihr Geschäft aber keineswegs auf Sparflamme. Während laut einer aktuellen Umfrage des Brauerbundes 70 Prozent aller Brauereien in Deutschland ihre Werbeetats kürzen, will man bei Warsteiner unbeirrt auf Kurs bleiben. „Wir haben wegen der Coronakrise keine einzige Investition zurückgestellt“, sagt Brauereichef Christian Gieselmann.
„Nicht-Werbung“ als Statement
Die Absatzeinbrüche seien für die Branche und auch für Warsteiner „schon schmerzhaft“, lässt Gieselmann keinen Zweifel aufkommen. Zwei bis drei Jahre werde man Corona-Effekte sicher spüren.
Dennoch will man sich bei der Traditionsbrauerei nicht vom Weg abbringen lassen. Und der ist seit geraumer Zeit etwas anders als bei vielen Konkurrenten. Man mischt sich in aktuelle Themen ein. Etwa im April mit dem Slogan „Werbung, die Du gar nicht sehen solltest“, der in der Corona-Hochphase in den Citys von Berlin und Düsseldorf plakatiert wurde.
Die Brauerei wagt einen Spagat zwischen Tradition und Moderne. Die tiefe Verwurzelung in der Region, in der sie seit über einem Vierteljahrtausend Bier braut, behält sie bei. Sie unterstützt zahlreiche Vereine, Veranstaltungen und Gastronomen im Sauerland und gibt den Kontakt zur Klientel, die Konsum von ordentlich frisch Gezapftem verspricht, nicht einfach auf. Aber Warsteiner setzt nicht nur auf die Generation, die beim Absatz eine Bank ist und heute der Branche noch die hohen Volumina garantiert.
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Im Sportsponsoring rangeln sich die Brauereien um die besten Plätze an der Bande und im TV vor dem Anpfiff. Warsteiner ist dagegen einer der ersten Hauptsponsoren für E-Sports und Events wie die Gamescom und war es bereits, als man mit Jürgen Klopp auch noch das Werbegesicht der Profifußballbranche unter Vertrag hatte.
Musikfestivals wie das bei der jüngeren Generation mittlerweile legendäre Parookaville in Weeze werden kontinuierlich bespielt – und mit Warsteiner-Produkten versorgt. Auch die coole „Warsteiner Music Hall“ auf dem alten Gelände von Phoenix West in Dortmund soll dazu beitragen, in die Köpfe jüngerer Konsumenten zu kommen. Im kommenden Jahr wird die Brauerei der Sponsor der Top-Festivals „Rock am Ring“ und „Rock im Park“. „Wir versuchen, etwas anders zu machen“, erklärt Brauereichef Gieselmann.
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Dass viele Mitbewerber in ihren Marketingstrategien das Thema Bier mit Entspannung verknüpfen und ihre Bilder mit viel Natur garnieren, „das war uns zu langweilig“, sagt Gieselmann selbstbewusst: „Wir wollen auch junge Zielgruppen erreichen.“ Und zwar nicht nur im deutschen Markt. Ende August startete die Brauerei, die seit Jahrzehnten einen vergleichsweise hohen Exportanteil hat, ihre neue Imagekampagne in den Niederlanden. Im Marketingsprech: 360 Grad. Was so viel bedeutet wie auf allen Kanälen. Im Supermarkt, im Fernsehen auf Social Media Plattformen wie Instagram. Und eben auf ungewöhnliche Weise.
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Für die Kampagne hat die Brauerei eine Menge Geld in die Hand genommen. Der vor zwei Jahren in Deutschland eingeführte goldene Kasten wurde für den niederländischen Markt modifiziert (0,3 Liter-Flaschen) und mit dem im Nachbarland bekannten Fernsehmoderator Jort Kelder hat man ein Gesicht gefunden, das zur Marketingstrategie zu passen scheint: Witzig, frech, selbstironisch.
„0,0“-Humor
So kommen auch die Werbeplakate im öffentlichen Raum daher. Das Alkoholfreie wird beispielsweise so beworben: „Genau so viel Alkohol wie Deutsche Humor haben“. Schon zum Schmunzeln.
Umfrage zur Lage in der Brauereibranche
Der Umsatz der Brauereien im Deutschen-Brauer-Bund (DBB) ist einer aktuellen Verbands-Umfrage zufolge im ersten Halbjahr 2020 um 18 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum gesunken. Der Absatz sank demnach um 16 Prozent. Für das Gesamtjahr rechnet man in der Branche mit minus 16 Prozent beim Umsatz und minus 14 Prozent beim Absatz.
„Für die deutsche Brauwirtschaft ist 2020 eines der schwierigsten Jahre ihrer Geschichte“, sagt DBB-Präsident Jörg Lehmann. Einzelne Braubetriebe hätten mehr als 70 Prozent Umsatzrückgänge zu verkraften. Besser durch die Krise kämen nach Erkenntnissen des DBB die Brauereien, die hauptsächlich über den Handel ihre Geschäfte machen oder in den Sommermonaten vom Inlandstourismus profitieren konnten.
54 Prozent der befragten Mitgliedsbrauereien halten die Corona-Hilfsmaßnahmen für die Brauwirtschaft und die Gastronomie für nicht ausreichend. 25 Prozent dagegen schon. An der umfrage nahmen 80 Brauereien verschiedener Größen teil.
Neben Italien und den USA sind die Niederlande für die Sauerländer Brauerei der wichtigste Exportmarkt. Laut Unternehmen hat die Kampagne in Holland die Erwartungen deutlich übertroffen. Ähnlich soll sie in den kommenden Monaten auch in anderen Exportmärkten ausgerollt werden. Immer mit dem nötigen Fingerspitzengefühl für die nationalen Gegebenheiten. „Wir setzen weiter auf Internationalisierung, auch mit unserer Marke König Ludwig“, betont Gieselmann. Das Prinzip der Kampagne wird auch auf die Marken Frankenheim Alt und auf Herforder übertragen, bei der man in Warstein lange Zeit nicht so recht wusste, was man mit ihr noch anfangen sollte. Jetzt gibt es die Kehrtwende. „Wir wischen den Staub von der Marke, befreien sie vom Charme der späten 80er und 90er Jahre“, sagt der gebürtige Herforder Gieselmann. Dass ein Verkauf der Marke vom Tisch ist, habe allerdings rein gar nichts mit seiner Herkunft zu tun. Es heiße auch nicht grundsätzlich, dass nicht ein Partner einsteigen könnte, wenn es passt.
Erst einmal geht die Warsteiner-Gruppe ihren Weg allein weiter. Und eben unbeirrt ganz anders als andere.