Iserlohn. Ungewöhnlich, aber möglich: Die 34-jährige junge Mutter Nadia Hauser organisiert ein Bildungszentrum fast allein von zuhause aus.

Karriere hat manchmal auch mit Glück zu tun. Nadia Hauser ist 34 Jahre alt, seit acht Monaten glückliche Mutter und seit Jahresbeginn die Chefin von knapp 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Bildungszentrum des Handels (bzh) Märkischer Kreis.

Der jungen Mutter hört man im Gespräch die Fröhlichkeit bei jeder Silbe an – durch das Telefon. Trotz der neuen Verantwortung, privat wie beruflich, macht Nadia Hauser einen bewundernswert ausgeglichenen Eindruck. Und das auch noch in Corona-Zeiten.

Leidenschaftlicher Antrieb

Vielleicht liegt es daran, dass sie Psychologin ist. Hauser ist in Lüdenscheid aufgewachsen, hatte schon zu Schulzeiten eine Ahnung, dass ihr Pädagogik und Mathematik als Leistungskurse im Leben weiterhelfen würden. „Da war ich mir schon sicher“, sagt sie rückblickend. Ein erstes Praktikum mit Schwerpunkt Betriebswirtschaft, Hineinschnuppern in Personalwirtschaft und Marketing. Zum Ende ihrer Schulzeit war die Sauerländerin noch nicht festgelegt.

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Die Portion Glück auf dem Weg zur ihrer heutigen Position bestand darin, eine Freundin zum Tag der offenen Tür an die private Hochschule in Iserlohn zu begleiten, die damals noch BITS hieß und sich heute University of Europe for Applied Science nennt. „Damals habe ich das erste Mal von der Fachrichtung Wirtschaftspsychologie gehört.“ Und in eine Probevorlesung hineingehört.

Während die Freundin umsteuerte und Pilotin wurde, „blieb ich an der BITS hängen“, lacht sie heute. So weit zum Faktor Glück.

Lieber Leidenschaft als das große Geld

Wirtschaftspsychologen sind heutzutage sehr gefragt, nicht zuletzt in großen Unternehmen mit viel Personal. „Natürlich kann man in einem großen Konzern mehr Geld verdienen, aber irgendwie treibt es einen doch dahin, wo das Herz schlägt, die Leidenschaft liegt.“ Bei der jungen Nadia Hauser ist das offenbar so.

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Zwischen Bachelor und Master jobbt sie beim Bildungszentrum und entdeckt eben diese Leidenschaft dafür, jungen, nicht immer privilegierten Menschen auf ihrem Bildungsweg zu helfen. Hinarbeiten auf ein Ziel. „Viele erreichen durch uns einen Berufsabschluss. Ich sehe das als Geschenk. Bildung verliert man nicht sein Leben lang. Sie bedeutet Eigenständigkeit, Selbstständigkeit.“ Hausers Leidenschaft wird spürbar – durchs Telefon.

Zwei Jahre arbeitet sie auf Honorarbasis beim bzh. 2012 folgt die Festanstellung. Ein Jahr später ist sie bereits Lehrgangskoordinatorin (Projektleiterin) in einem Fünferteam, das sich um den Bereich Übergang Schule/Beruf und hier das Thema Potenzialanalyse kümmert. „Ich bin eigentlich immer gefragt worden, ob ich neue Aufgaben übernehmen möchte.“

Ein Tag Präsenz pro Woche

Hört sich nach reibungslosem Aufstieg an. Aber Nadia Hauser reflektiert sich als Führungskraft kritisch: „Bis dahin hing alles von mir selbst ab. Schule, Studium.“ Sie gab sich selbst das Tempo vor. „Plötzlich waren Absprachen und Erklärungen für meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter notwendig. Am Anfang musste ich lernen, dass nicht alles hoppla-hopp geht.“

bzh in Iserlohn – Themenwoche vom 7.-11. Juni

Das bzh Märkischer Kreis hat seinen Sitz in Iserlohn. Knapp 80 MitarbeiterInnen kümmern sich um Bildungsangebote von Schülerinnen bis zu Wiedereinsteigern in den Beruf.

Vom 7. bis 11. Juni dieses Jahres veranstaltet das Kompetenzzentrums Frau und Beruf Märkische Region mit Sitz in Hagen in Kooperation mit dem Märkischen Arbeitgeberverband (8. 6., Thema: „Führung von hybriden Teams“), der Gesellschaft zur Wirtschafts- und Strukturförderung im MK (9.6.: Führung mit digitalen Tools) und der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer (10.6.: Wie Generationen zusammenarbeiten) eine Themenwoche Führung für Männer und Frauen.

Informationen und Anmeldung zum Programm der Themenwoche unter www.agenturmark.de/forum-fuehrung

Hausers Erkenntnis: „Die Dinge brauchen ihre Zeit, die Menschen auch, wenn man sie auf seinem Weg mitnehmen möchte.“ Gute Führung macht für sie eine ganze Reihe Faktoren aus: Gute Kommunikation. „Eine direkte Ansprache, die Kolleginnen und Kollegen mitnehmen, ihre Anliegen ernst nehmen, selbst wenn sie mir absurd erscheinen.“ Verbindlichkeit. „Zusagen einhalten. Das schafft Vertrauen“, ist die 34-Jährige aus Erfahrung überzeugt. Lediglich einen Tag pro Woche ist sie derzeit im bzh in Iserlohn vor Ort. Die restliche Woche arbeitet sie drei, vier Stunden täglich von zuhause aus. Präsent ist sie immer. Die meisten Beschäftigten kennt sie persönlich aus gemeinsamer Projektarbeit. „Sie wissen, dass ich gut erreichbar bin.“ Ein Gutes hat die Pandemie. Digitale Kommunikation hat sich etabliert. Das hilft der jungen Chefin.

„Es fehlt die Traute“

Hauser hat zielstrebig darauf hingearbeitet, gestalten zu können, Verantwortung und eben diese Führungsposition zu übernehmen. Seit 2019 war sie bereits Prokuristin. Als sie vergangenes Jahr schwanger wurde, war das für den Arbeitgeber kein Grund, nicht weiter auf sie als Führungspersönlichkeit zu setzen. „Mir wird schon sehr viel Vertrauen geschenkt“, findet sie. Nicht selbstverständlich. Männer in Teilzeit kennt sie wenige. In Führungspositionen? Eine Frage der Sozialisation der Branche, vermutet sie. „Ich glaube, es würde viel häufiger funktionieren, aber es fehlt die Traute.“