Olpe/Siegen. Die Industrieproduktion hat schneller wieder Fahrt aufgenommen als gedacht – und wird jetzt in Südwestfalen durch reißende Lieferketten gestoppt.
Der Kupferpreis hat sich innerhalb eines Jahres glatt verdoppelt. Über 10.000 Dollar kostet die Tonne aktuell. Das Gute an Kupfer: Es ist quasi unendlich recycelbar. Anders als Kunststoffe, die wie Eisen, Stahl oder Holz ebenfalls immer knapper werden und die wirtschaftliche Entwicklung auch in Südwestfalen so sehr beeinträchtigen, dass Produktionen heruntergefahren werden und Bänder heimischer Firmen sogar stillstehen.
„Wir beobachten jeden Tag die Entwicklung und wissen noch nicht, wo das endet und wie es ausgeht“, sagt Ruprecht Kemper, Chef des Olper Unternehmens Gebrüder Kemper. Bis zu 35.000 Tonnen Kupfer werden hier jährlich verarbeitet. „Wir hängen vom Kupfer ab“, sagt Gesellschafter Kemper, der das Familienunternehmen in fünfter Generation leitet.
Auswirkung bis zu Barbie und E-Bike
Der Mittelständler ist spezialisiert auf Gebäude- und Gusstechnik, setzt Maßstäbe beim Thema Trinkwasserhygiene in Gebäuden und stellt Walzprodukte aus Kupfer und Kupferlegierungen für die Automobil- und Elektroindustrie her. Branchen, die gerade mit Hochdruck auf der Jagd nach Produkten sind, die immer knapper werden. Damit sind nicht nur Mikrochips gemeint. Für die Produktion von Elektroautos wird erheblich mehr Kupfer benötigt als bei Verbrennern. Für Hochvolttechnik sind schon dicke Kupferkabel notwendig, ebenso für die viele Elektronik.
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Aber auch Kunststoffe werden knapp. Das merkt auch das Olper Unternehmen. Scheinbar banal, aber die Oberfläche der hochwertigen Kupferbänder muss mit Kunststofffolie geschützt werden, damit sie beim Transport nicht zerstört wird. Irgendwann kommen die Rohstoff- und Lieferketten-Probleme der Industrie auch beim Verbraucher an, wenn das nicht schon passiert ist. Dass Unternehmenschef Ruprecht Kemper auf den Drucker im Hausgebrauch vier Wochen hat warten müssen, sei kein Zufall.
Die anziehende Nachfrage gerade aus China und mittlerweile auch aus den USA mit ihrem Billionen-Konjunkturprogramm übersteigt die Kapazitäten und sorgt, gepaart mit Rohstoffknappheit für Produktengpässe bei europäischen Firmen und letztlich auch irgendwann auch in den Geschäften. Und zwar von der Barbiepuppe über das E-Bike bis zum Laptop oder Router für das Homeoffice.
Wirtschaftsforscher befürchten bereits , dass die Konjunktur bei uns durch die Engpässe schaden nehmen könnte. Eine Einschätzung, die die Industrie- und Handelskammer (IHK) Siegen teilt. Die IHK hat eine Sonderumfrage zum Thema durchgeführt. Ergebnis: Während die Industrie überwiegend positiv gestimmt ist, wird aktuell das mit Abstand größte Risiko bei der wirtschaftlichen Entwicklung beim Thema Energie- und Rohstoffpreise gesehen.
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Gegenüber dem Vorjahreszeitraum stieg die Sorge sprunghaft an. Im Mai 2020 war das nur für 16 Prozent ein Thema, heute bereits für 59 Prozent. Kein anderes Thema, nicht Fachkräftemangel oder die Wirtschaftspolitik stehen so im Fokus.
Wie bedrohlich die Lage ist, zeigt sich auch daran, dass nicht einmal zehn Prozent der Unternehmen in den Kreise Siegen-Wittgenstein und Olpe ihre Lieferketten umstellen konnten oder können.
Abhängig von Lieferketten
In Bereichen wie der Automobilindustrie, ist jedes noch so kleinste Teil zertifiziert. Ein Prozess, der eher zwei, drei Jahre Vorlauf benötigt, als dass er in ein paar Monaten erledigt werden könnte. Zudem sind Ausweichmöglichkeiten eng begrenzt, erinnert IHK-Präsident Felix G. Hensel: „Sie können also nicht so ohne Weiteres den Lieferanten wechseln.“ So kommt es im Kammerbezirk aktuell zu der bitteren Situation, dass Auftragsbücher prallvoll sind und dennoch Kurzarbeit angemeldet wird, weil das nötige Material fehlt.
Wo Lieferketten reißen, reißt auch der Aufschwung ab
Während einige Branchen wie der Einzelhandel und die Gastronomie weiter extrem unter den Corona-Auflagen zu leiden haben, brummt inzwischen nicht nur die Bauwirtschaft, sondern auch weite Teile der Industrie.
Bei der Konjunkturumfrage der IHK Siegen wird dies auch daran sichtbar, dass die Investitionsbereitschaft am Standort Deutschland deutlich zugenommen hat.
Die positive Entwicklung wird zum Teil gestoppt durch gerissene Lieferketten, Rostoffmangel und damit verbunden immer weiter steigender Preise für Eisen, Stahl, Edelmetalle, Seltende Erden und sogar Kunststoffe und Holz. Es kommt vermehrt zu Produktionsstillstände, obwohl die Auftragslage gut ist.
Bei Kemper in Olpe ist dies noch nicht der Fall. Dass der Kupferpreis in die Höhe schießt und die 10.000 Dollar vielleicht noch nicht das Ende der Fahnenstange sind, hat zwar mit erhöhter Nachfrage zu tun, aber Kupfer kommt eben nicht nur aus den Minen in Chile und Australien, sondern auch aus dem Kreislauf nach Olpe zurück. „Unser Werk in Olpe läuft unter Volllast“, sagt Ruprecht Kemper. Eine Entwicklung, die mit viel mehr Tempo stattfand als noch im Herbst 2020 gedacht – im Grunde erfreulich – aber die Rohstoffproblematik trübt die Aussichten.