Essen. Das Ruhrgebiet hat das Zeug, „grüne Vorreiterregion“ für Wasserstoff zu werden. Eine Studie des Instituts IW nennt eine wichtige Voraussetzung.

Das Ruhrgebiet träumt schon länger davon, Vorzeige-Region für den klimaschonenden Einsatz von Wasserstoff zu werden. Eine druckfrische Studie kommt jetzt zu dem Schluss, dass die Perspektive durchaus realistisch ist.

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Stand das Ruhrgebiet über Jahrzehnte für rußgeschwärzte Wäsche auf der Leine, hat es nach Einschätzung der Forscher des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln inzwischen die einmalige Chance, „grüne Vorreiterregion“ zu werden. In einer Studie, die der Regionalverband Ruhr in Auftrag gegeben hat, kommen die Autoren zu dem Schluss, dass durch den Einsatz von Wasserstoff außerhalb der Energiewirtschaft bis zum Jahr 2050 bis zu 25,5 Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) jährlich eingespart werden könnten. Das wäre ein Rückgang um bis zu 72 Prozent, gemessen am heutigen Ausstoß.

Der CO2-Ausstoß ist im Ruhrgebiet ungleich verteilt.
Der CO2-Ausstoß ist im Ruhrgebiet ungleich verteilt. © funkegrafik nrw | Denise Ohms

„Unter der Voraussetzung, dass er grün produziert wird, kann Wasserstoff die zentrale Technologie der Metropole Ruhr bei der Erreichung der Klimaziele werden“, sagt IW-Experte Hanno Kempermann. 25,5 Millionen Tonnen weniger CO2 pro Jahr allein im Ruhrgebiet entspreche in etwa der Menge, die zwei Milliarden Buchen jährlich binden könnten. Ein anderer Vergleich: Das Revier würde die zehnfache Menge des Kohlendioxids einsparen, der im innerdeutschen Flugverkehr vor Ausbruch der Corona-Pandemie in die Atmosphäre geblasen wurde.

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Der Schlüssel zur Klimaneutralität liegt der Studie zufolge bei der Industrie. Bundesweit sei sie für 62 Prozent des CO2-Ausstoßes verantwortlich. „Im Ruhrgebiet liegt der Anteil um mehr als zehn Prozentpunkte höher. Treiber ist dabei insbesondere die Stahlbranche“, heißt es in der Analyse. Stahlhersteller verfügten deshalb über eine „besonders relevante Hebelwirkung“, erklärt das IW. Kein Industriezweig erzeuge mehr CO2. Thyssenkrupp will Ende 2024 den ersten Stahl mit Wasserstoff statt Kohle produzieren. Bei HKM in Duisburg soll ein Wasserstoff-Zentrum der Universität Duisburg-Essen entstehen.

Industrie größter CO2-Verursacher

Laut IW sei aber auch der Einsatz von Wasserstoff in Raffinerien unerlässlich, um die Klimaziele zu erreichen. Der Straßenverkehr und die private Wärmeerzeugung sind im Ruhrgebiet für rund 20 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. In der Stahlstadt Duisburg ist die Kohlendioxid-Belastung am höchsten, in Mülheim am geringsten.

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Die technologische Ausgangslage im Ruhrgebiet hält der Regionalverband Ruhr für ideal. „Die Metropole Ruhr überzeugt schon heute als Wasserstoff-Standort mit einer europaweit einzigartigen Dichte an industriellen Anlagen, die Wasserstoff erzeugen, sowie einer flächendeckenden Infrastruktur und exzellenten Forschungsinstituten“, meint RVR-Direktorin Geiß-Netthöfel.

Gute Wasserstoff-Infrastruktur im Revier

Die optimistische Einschätzung teilen die Forscher vom IW. Bei einem bundesweiten Vergleich der Wasserstoff-Regionen in Deutschland landete das Ruhrgebiet auf Platz 1. Daraus leitet das Institut ab, dass das Revier „beste Ansatzpunkte“ biete, um eine „umfassende Wasserstoff-Wirtschaft aufzubauen und somit zu einem europäischen Zentrum der neuen Technologien zu werden“.

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Um „Zugpferd“ zur Erreichung der bundesweiten Klimaziele zu werden, betonen die IW-Experten, sei im Ruhrgebiet allerdings „ein schneller Markthochlauf der Wasserstofftechnologien“ notwendig. Soll heißen: Die Region müsse Tempo machen. Die Infrastruktur, also Leitungen, die grünen Strom etwa von der Nordseeküste an Rhein und Ruhr transportieren, sei vorhanden. Aber auch für den Wasserstoff selbst seien Pipelines vorhanden. Thyssenkrupp hatte zuletzt ins Spiel gebracht, dass auch nicht mehr benötigte L-Erdgas-Röhren genutzt werden könnten.