Essen. Einkaufen auf Termin wie in Rheinland-Pfalz stößt im Handel von NRW auf wenig Resonanz. Sinn, Media Saturn und Deichmann für Öffnungsstrategie.

Auf Schoko-Nikoläusen und Wintermänteln sind die großen Kaufhäuser bereits sitzen geblieben. Jetzt sind bereits die Osterhasen und Sommerklamotten in den Läden. Wann sie in welchen Bundesländern wieder Kunden einlassen dürfen, steht allerdings in den Sternen. Diskutiert wird über verschiedene Szenarien.

Rheinland-Pfalz geht seit Montag einen vorsichtigen Schritt. Bekleidungsgeschäfte dort dürfen Kunden eines Hausstands bedienen, die zuvor einen Termin vereinbart haben. „Click and Meet“ heißt das Konzept, das nächste Woche auch Baden-Württemberg übernehmen will. Haben die Kunden mit Reservierung das Geschäft wieder verlassen, muss 15 Minuten gelüftet und desinfiziert werden.

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Wäre Shopping mit Termin auch eine Lösung für NRW? Friedrich Göbel schüttelt heftig mit dem Kopf. Der Chef der Hagener Modekette Sinn hat einige Filialen in Rheinland-Pfalz und kann „Click and Meet“ überhaupt nichts abgewinnen. „Einen größeren Schwachsinn als eine Terminvergabe im Einzelhandel gibt es gar nicht. In Rheinland-Pfalz machen wir damit aktuell mehr Verlust als während des harten Lockdowns“, sagte der knorrige Unternehmer unserer Redaktion.

Umsatz der Modehändler eingebrochen

„Im Bochumer Ruhrpark müssen wir aus arbeitsschutzrechtlichen Gründen mindestens 40 Mitarbeiter im Einsatz haben. Wenn dann nur ganz wenige Kunden in den Laden dürfen, rechnet sich das einfach nicht“, meint Göbel. Den Textilhandel hat die Corona-Krise besonders hart getroffen. Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamts haben die stationären Modeanbieter im Januar im Vergleich zum Vormonat drei Viertel ihrer Erlöse eingebüßt, während der Onlinehandel ein Plus von einem Drittel einfahren konnte.

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Göbel kann die Talfahrt aus eigener Anschauung bestätigen. „Zwischen Mitte November und Anfang März haben wir fast 60 Millionen Euro Umsatz verloren. Das ist nicht mehr aufzuholen“, sagt der Sinn-Chef resigniert. Auch telefonisch vorbestellte und an der Ladentür abgeholte Ware könne das Minus bei weitem nicht ausgleichen.

Kosten höher als die Umsätze

Zweifel am Verkauf auf Termin äußern auch andere Händler. „Viele Geschäftsmodelle im Einzelhandel tragen sich nur dann finanziell, wenn entsprechend viele Waren an viele Kunden verkauft werden“, heißt es bei Deutschlands größtem Schuhhändler Deichmann in Essen. „Für sehr viele Händler sind die Kosten bei einer so niedrigen Kundenfrequenz aber höher als die Umsätze“, gibt ein Sprecher zu bedenken.

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Ceconomy-Chef Bernhard Düttmann hatte unlängst vorgeschlagen, dass bestimmte Altersgruppen zu bestimmten Tageszeiten in seine Filialen der Elektronikketten Media Markt und Saturn kommen könnten. In der Politik fand sein Vorstoß kaum Resonanz.

„Eine Öffnungsstrategie ist überfällig“

Vor dem Bund-Länder-Treffen am Mittwoch stellt Düttmann nun klare Forderungen auf: „Nach wie vor fehlt nach zweieinhalb Monaten Lockdown eine Perspektive für den Einzelhandel. Wenn selbst das RKI das Infektionsrisiko im Handel als niedrig bezeichnet, ist eine Öffnungsstrategie überfällig“, so der Ceconomy-Chef. „Wir brauchen klare Aussagen und realistische Bedingungen, unter denen wir öffnen können.“

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Diese Position vertritt auch Peter Achten, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands NRW. „Wir fordern eine sichere Öffnungsperspektive für alle Händler ab dem 8. März“, sagte er unserer Redaktion. Nur Buchläden zusätzlich zu öffnen, wie es im Beschlussentwurf der Bund-Länder-Runde am Dienstagnachmittag hieß, hält Achten nichts. „Im dritten Monat des Lockdowns herrschen blanke Not und Verzweiflung“, schildert er dramatisch die Lage seiner Mitglieder. „Das Eigenkapital und die Liquidität vieler Händler sind weggeschmolzen wie Schnee in der Sonne.“

>>> Kaum Infektionen im Handel

Einer Statistik des Robert-Koch-Instituts zufolge gilt der Einzelhandel nicht als Ort, an dem sich viele Menschen mit dem Coronavirus anstecken.

Eine Einschätzung, die Sinn-Chef Friedrich Göbel teilt: „Zwischen den beiden Lockdowns kamen fünf Millionen Kunden zu uns – und jeden Tag haben 1500 Mitarbeiter in den Filialen gearbeitet. Wir hatten keinen einzigen Infektionsfall. Dass wir trotzdem seit Wochen schließen müssen, ist nicht verhältnismäßig“, sagt er.