Bochum/Gelsenkirchen. Am Montag dürfen Friseursalons wieder öffnen. Die Verluste durch den zweiten Lockdown können Friseurinnen und Friseure aber kaum mehr aufholen.

Es wird höchste Zeit. Die Friseurinnen und Friseure im Land fiebern der Wiedereröffnung ihrer Salons am Montag entgegen – andere bangen, dass es angesichts der Umsatzverluste in den vergangenen Monaten zu spät sein könnte.

„Meine Scheren sind mit Waffenfett geölt, oder besser gefettet“, sagt Holger Augustin, der in dritter Generation einen Friseursalon in Gelsenkirchen betreibt. „Gerade bin ich mit meinen tollen Mitarbeitern dabei, den Laden auf Vordermann zu bringen, damit es dann am Montag abgehen kann.“ Sein Terminkalender für die nächsten Wochen ist dicht gefüllt.

Holger Augustin, der in der dritten Generation seinen Gelsenkirchener Salon betreibt, muss vor der Öffnung die nötigen Abstände zwischen den Stühlen vorbereiten: „Das wichtigste für mich ist die Arbeitsplatzsicherung für meine tollen Mitarbeiter.“
Holger Augustin, der in der dritten Generation seinen Gelsenkirchener Salon betreibt, muss vor der Öffnung die nötigen Abstände zwischen den Stühlen vorbereiten: „Das wichtigste für mich ist die Arbeitsplatzsicherung für meine tollen Mitarbeiter.“ © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Friseur aus Gelsenkirchen: Meisten Kollegen gingen an ihre Reserven

Um trotz der Abstands- und Hygieneregeln viele Kundinnen und Kunden im Schichtdienst annehmen zu können, wird bei Friseur Augustin nun an sechs Tagen in der Woche frisiert, geföhnt und geschnitten. Das Prozedere ist klar: Wie nach der Wiedereröffnung im Frühjahr 2020 gelten Maskenpflicht, Abstände, Kontaktlisten und eine entzerrte Terminvergabe.

Vor allem für seine Beschäftigten, die er in Kurzarbeit geschickt hat, sei diese Öffnung wichtig: „Das ist ein Niedriglohnsektor. Wenn man von dem niedrigen Lohn dann nur 60 Prozent bekommt, ist das schon starker Tobak.“

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Mit Rücklagen, 25 Jahren Erfahrungen in der Selbstständigkeit und – wie er sagt – „sehr defensiven Investitionen“ konnte Augustin 2020 überstehen. Als Obermeister der Friseurinnung in der Kreishandwerkerschaft Emscher-Lippe-West weiß er allerdings auch von der Lage anderer Salonbetreiber und Betreiberinnen: „Die meisten Kollegen mussten an die Reserven gehen. Ich habe gehört, da wurden Lebensversicherungen aufgelöst, um den Betrieb zu halten.“ Andere bezögen mittlerweile Hartz IV.

Handwerkerschaft legt zusammen für Friseurinnen und Friseure

In der Kreishandwerkerschaft legten die anderen Handwerkerinnen und Handwerker daher zusammen, damit den Mitgliedern aus dem Friseurhandwerk die Mitgliedsbeiträge erlassen werden.

Wie eng es finanziell während des zweiten Lockdowns werden kann, musste man auch im Bochumer Friseursalon Zottelbude feststellen. Während Inhaber Jörg Gallinat nach der ersten coronabedingten Schließung 2020 noch euphorisch um 0 Uhr seinen Salon wiedereröffnete, blickt er auf den Start am Montag nüchterner.

„Ich bin ja auch froh, wenn wir am Montag wieder durchstarten können, aber hoffentlich war das der letzte Lockdown,“ sagt Gallinat, der aktuell versucht, mit seiner Steuerberaterin die Überbrückungshilfen III zu beantragen.

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2020 habe es zumindest eine Einmalzahlung von 9000 Euro gegeben. „Klar, das musste man versteuern, aber es war wenigstens etwas Geld,“ so der Bochumer Salonbetreiber, „Dieses mal werden uns Friseuren nur Fixkosten wie die Miete erstattet, aber keinerlei Ausfall – das heißt, ich werde für die Zeit vom 16. Dezember bis Ende Februar vielleicht 14.000 Euro bekommen. Das ist echt sehr mager.“

Schon im Frühjahr 2020 hat Jörg Gallinat selbst gebaute Plexiglas-Trennwände zwischen den Waschbecken befestigt. Ab Montag darf der Inhaber des Bochumer Friseur-Salons „Zottelbude“ wieder Kundinnen und Kunden empfangen.
Schon im Frühjahr 2020 hat Jörg Gallinat selbst gebaute Plexiglas-Trennwände zwischen den Waschbecken befestigt. Ab Montag darf der Inhaber des Bochumer Friseur-Salons „Zottelbude“ wieder Kundinnen und Kunden empfangen. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

Barbershops bleiben weiterhin geschlossen

Ungünstig sei für ihn, dass er vor zwei Jahren sein Ladenlokal um den Barbershop seines Sohns Steven erweitert hat – körpernahe Dienstleistungen wie die der Barbiere bleiben nämlich weiterhin untersagt. Dazu komme, dass Strom- und Wasserpreise 2021 gestiegen sind und auch die Haarfärbemittel-Lieferanten ihre Preise erhöht haben. „Im letzten Jahr habe ich keine Preise erhöht, aber jetzt schlagen wir einen Euro pro Dienstleistung auf,“ sagt Gallinat, der sich „aus Solidarität mit meinen Kunden“ auch im Lockdown nicht die Haare von seinem Sohn schneiden ließ. (-> Lesen Sie hier: Zottelbude in Bochum öffnet nach dem ersten Lockdown)

„Nicht zu vergessen, wir haben viele Familienbetriebe. Wenn da nichts mehr reinkommt, das reißt ein Riesen-Loch in die Haushaltskasse“, sagt Harald Esser, Vorsitzender des Friseur- und Kosmetikverbands NRW und Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Friseurhandwerks, „Wenn jemand Rücklagen hatte, dann sind die jetzt aufgebraucht.“ Gerade jungen Friseurunternehmen stehe das Wasser bis zum Hals.

Präsident Friseur-Verband: „Man kann so ein Loch nicht stopfen“

Die Verluste aufgrund des zweiten Lockdowns würden Friseurinnen und Friseure auch im nächsten Jahr nicht wieder einfahren können. „Man kann so ein Loch nicht stopfen – wir haben das Loch im letzten Jahr schon nicht stopfen können“, sagt der Verbandsvorsitzende, der schätzt, dass seine Kolleginnen und Kollegen aus 2020 durchschnittlich mit einem Minus von 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr herausgehen.

„Mitte des Jahres wissen wir, wie viele insolvent gegangen sind,“ sagt Esser, der die Öffnung seines eigenen Kölner Salons herbeisehnt. „Wir haben gesagt, wir werden zunächst die Älteren dran nehmen. Es gibt ja viele, die sich nicht mehr selbst die Haare waschen können – die freuen sich riesig.“