Oberhausen. Laden zu, keine Hilfe vom Staat: Der Oberhausener Modehändler Grefermann leidet unter dem Lockdown. Warum er dennoch in die Zukunft investiert.

Als Thomas Grefermann seinen Modeladen am 15. Dezember wegen das harten Lockdowns schließen musste, bat er einen Mitarbeiter, den Schlüssel herumzudrehen. „Ich habe das nicht übers Herz gebracht”, sagt der 51-jährige Geschäftsmann. Trotz vieler Nackenschläge und Frust auf die Politik will er den Kopf nicht in den Sand stecken und nutzt die Pandemie, um sein Geschäft mitten in der Oberhausener Innenstadt umzubauen.

https://www.waz.de/wirtschaft/warenhauskette-galeria-karstadt-kaufhof-bekommt-staatskredit-id231423677.htmlDer Sumoringer ist 2,18 Meter groß und bringt 215 Kilogramm auf die Waage. Bei „Große Größe Grefermann GGG” in Oberhausen findet der stattliche Sportler Hemden und Hosen in seinen Größen, die viele andere Händler gar nicht führen. Von XL bis zu 12XL reicht das Sortiment. Jacken gibt es bis Größe 89. Hemden ab einer Halsweite von 56 Zentimetern werden angefertigt. „Wir bieten ein absolutes Nischenprodukt an”, sagt Grefermann, der das Oberhausener Traditionsgeschäft im Jahr 2019 übernommen hatte. „Die Kunden kommen aus ganz NRW zu uns”, sagt der Händler im Hinblick auf den überschaubaren Wettbewerb auf dem Feld großer Größen.

GGG geht wirtschaftlich die Puste aus

Doch trotz seines Alleinstellungsmerkmals und der hohen Nachfrage geht Grefermann im Lockdown allmählich wirtschaftlich die Puste aus. „In normalen Zeiten verkaufe ich fünf bis acht Herren-Anzüge pro Woche. Das geht aber im Moment nicht, weil sie passen müssen”, erklärt der Geschäftsmann. Gerade bei seiner Zielgruppe der beleibten und großen Herren sei eine Anprobe in den extra großen Umkleidekabinen unerlässlich.

https://www.waz.de/wirtschaft/wirtschaft-in-nrw/neue-ueberbrueckungshilfe-gilt-auch-fuer-boeller-und-wintermode-id231381615.html„Das Sakko ist oft zwei Nummern größer”, sagt Grefermann. Hinzu komme, dass neun von zehn Hosen in der Schneiderei umgearbeitet werden müssten. „Click and Collect kommt für uns deshalb nicht in Frage”, erklärt der Inhaber. „Als Fachgeschäft können wir keinen Online-Handel betreiben.”

Unternehmer spricht von Schlaflosigkeit und Existenzangst

Die Folge: Seit Mitte Dezember mache GGG gar keinen Umsatz mehr. Auch in der Zeit zuvor war das Geschäft wie in der gesamten Textilbranche zurückgegangen. Seine drei Aushilfen musste er nach Hause schicken. „Schlaflosigkeit, Existenzangst – irgendwann ist das Geld alle”, meint Grefermann bitter. Die November-Hilfe der Bundesregierung hätte ihm zugestanden. „Unser Umsatzminus betrug aber nicht 30 Prozent, sondern nur 29,8 Prozent”, so der Geschäftsmann. Er ging leer aus. „Die Dezemberhilfe dürfte greifen, aber darüber gibt es keine genauen Informationen.”

Das Schaufenster musste Thomas Grefermann erneuern lassen, nachdem ein Pkw in die Ladenfront gerast war.
Das Schaufenster musste Thomas Grefermann erneuern lassen, nachdem ein Pkw in die Ladenfront gerast war. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

https://www.waz.de/wirtschaft/wirtschaft-in-nrw/haendler-und-wirte-wollen-wissen-wann-es-weitergeht-und-wie-id231269614.htmlAls wäre seine wirtschaftliche Lage nicht desolat genug, erlebte Grefermann im vergangenen Jahr weitere Nackenschläge. Kurz nach seiner Hochzeit im September erkrankte der Einzelhändler schwer und rang im Krankenhaus mit dem Leben. „Ich habe mich aber wieder aufgerappelt und im Herbst alle Stammkunden angeschrieben”, erzählt er. Die seien auch gekommen, obwohl er aus Hygienegründen immer nur einen Kunden samt Begleitung in den Laden gelassen habe. Bis am 20. November ein Autofahrer ins Schaufenster raste, die Eingangsfront zerstörte und die Heizung aus den Angeln hob. „Das ganze Lokal stand unter Wasser”, berichtet Grefermann.

Der 51-Jährige macht aus seiner Gemütslage kein Geheimnis: „Uns geht es dreckig”, bekennt er und will dennoch weiter machen. Die Zwangsschließung nutzt er gerade, um den aufgeweichten Estrichboden und die Eingangsfront erneuern zu lassen. Und er schmiedet Pläne für eine Zukunft nach Corona. Hüte und Accessoires hat Grefermann bereits ins Sortiment aufgenommen. „Der nächste Schritt soll Damenmode sein”, sagt er. Langfristig wolle GGG auch Schuhe in Übergrößen verkaufen.

https://www.waz.de/politik/corona-gipfel-morgen-lockdown-merkel-neue-regeln-id231498559.htmlDer Modehändler will sich seinen Optimismus nicht nehmen lassen, bleibt aber realistisch. „Ich weiß nicht, wie lange die Banken den Weg noch mitgehen”, sagt er und hadert mit der Politik. „Es wäre besser gewesen, im November in den Total-Lockdown zu gehen”, meint Grefermann. Jetzt fehle ihm die Perspektive, wann er wieder öffnen kann. Der Oberhausener kann nicht nachvollziehen, dass Nespresso im Einkaufszentrum Centro Kaffeemaschinen verkaufen dürfe, er aber keine warmen Jacken gegen den aktuellen Eiswinter. Und er wundert sich, wie voll es bei Discountern, in Supermärkten und SB-Warenhäusern sei. Grefermann: „Das ist einfach nicht gerecht.”

>>> Keine Schuhe für Kinder

Schuhhändler etwa in Mülheim hatten zwischenzeitlich die Möglichkeit, Lauflernschuhe für Kinder zu vermessen und zu verkaufen. Das NRW-Gesundheitsministerium stoppte aber die Ausnahmeregelungen, weil sie gegen die Corona-Schutzverordnung verstießen, hieß es.