Essen. Zehn Wochen nach der Schließung seines Restaurants bekam Essener Wirt den ersten Abschlag. Wie Torsten Schmidt dennoch über die Runden kommt.

Seinen Weinkeller hat Torsten Schmidt vorsichtshalber „leerverkauft“. Der Betreiber des Restaurants „Schlemmwerk“ in Essen hat geahnt, dass die Durststrecke für die Gastronomie lang sein wird. Mit Außerhaus-Verkauf und klugem Verhalten versucht er sich über Wasser zu halten. Umso mehr ärgert es den gelernten Koch, dass die vom Bund versprochene Hilfe auf sich warten lässt. Mitte Januar erhielt er den ersten Abschlag für die November-Hilfe.

„Es ist doch nur eine Ausrede, dass die Software nicht funktioniert“, vermutet Schmidt. Er und sein Steuerberater hätten mehrfach in den Ministerien in Berlin und Düsseldorf nachgefragt, aber keine Antwort auf die drängende Frage erhalten, warum das alles so lange dauert. „Man hat keine Chance nachzuhaken“, ärgert sich der Gastronom.

Denn mit dem Beginn des zweiten Lockdowns hat das „Schlemmwerk“ seit dem 2. November geschlossen. Der Betrieb ist recht klein: Mit dem Chef sind sie zu viert. Hinzu kommen Aushilfen. Die Servicekräfte befinden sich seit November in Kurzarbeit. Schmidt selbst und ein weiterer Koch bereiten an vier Tagen in der Woche in der Küche Speisen zum Mitnehmen zu.

Außer-Haus-Verkauf lief in der Weihnachtszeit gut

Mit mäßigem Erfolg. „Im November und Dezember sind wir gerade einmal auf ein Drittel des normalen Umsatzes zu dieser Zeit gekommen“, erklärt Schmidt. In den beiden Monaten, die vor der Pandemie in der Branche zu den stärksten zählen, sei das To-Go-Geschäft „gut gelaufen“, meint der Wirt. „Zu Weihnachten sitzt das Geld bei den Leuten etwas lockerer. Jetzt im Januar ist das aber wieder auf ein normales Niveau zurückgegangen.“

Das „Schlemmwerk“ komme nur über die Runden, weil „Vermieter und Banken mitspielen“, erzählt Schmidt. „Wir können die Kosten gerade so decken“. Denn die werden weiter vom Geschäftskonto, das zum Jahresanfang ins Minus gerutscht ist, abgebucht – trotz des Lockdowns. „Unser Vermieter ist sehr entgegenkommend“, sagt der Gastronom. Aber Strom, Telefon, WLAN, die Leasing-Raten für Kaffeemaschine, Firmenwagen und Kassensystem liefen weiter. Hinzu kommen Beiträge für Krankenkasse, Berufsgenossenschaft, IHK und – das ärgert Schmidt besonders - für den Branchenverband Dehoga. „Die haben 280 Euro für das erste Quartal kassiert, als sei nichts gewesen“, schimpft der Wirt. „In diesen Zeiten tun auch kleinere Beträge weh.“

„Mit der Erstattung kämen wir klar“

Im Prinzip findet er die bisher geltende Corona-Regelung gar nicht so schlecht. Für die Zeit, in der das „Schlemmwerk“ wegen der Pandemie schließen muss, sollte es eine Erstattung von 75 Prozent des Vorjahresumsatzes geben – abzüglich des Außer-Haus-Geschäfts. „Das hält sich aber in Grenzen“, meint Schmidt. „Mit der Erstattung kämen wir klar“, sagt er. Allerdings ist von der Hilfe aus Berlin bislang wenig bei dem Essener angekommen. Seinen Kollegen, mit denen er in Kontakt steht, ergehe es nicht anders. „Nur bei wenigen gab es eine zügige Auszahlung. Dabei sind wir dringend auf das Geld angewiesen“, unterstreicht Schmidt.

Seine Skepsis nach den bisherigen schlechten Erfahrungen ist groß. "Ich fürchte, dass irgendwann der Paukenschlag kommt und wir müssen die Nothilfe zurückzahlen." Konkrete Anzeichen gibt es dafür freilich nicht.

Gäste wollen für Sommer reservieren

Der Betreiber des "Schlemmwerk" macht kein Hehl daraus, dass der Schaden in dieser nicht enden wollenden Corona-Krise nicht nur materiell sei. „Diese Perspektivlosigkeit geht auch auf die Psyche“, klagt der Gastronom. Es sei überhaupt nicht abzusehen, wann er wieder öffnen könne. „Die Leute fragen doch schon jetzt nach, ob sie im Sommer wieder bei uns feiern können.“ Eine Antwort kann ihnen Schmidt nicht geben. Er wünscht sich, dass die Politik „für eine gewisse Zeit viel härter durchgreift“, um zumindest in Richtung Ostern Licht am Ende des Tunnels sehen zu können.

Der Wirt aus Essen steht mit seinen Problemen nicht allein. Nach Berechnungen des Statistischen Landesamts ist der Umsatz in der nordrhein-westfälischen Gastronomie im November preisbereinigt um 63,7 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum eingebrochen. Im von der Pandemie besonders betroffenen Hotelgewerbe betrug der Umsatzeinbruch sogar 82,6 Prozent. In Gaststätten, die vor allem vom Getränkeausschank leben, sank der Umsatz um 77,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Die Beschäftigtenzahl im Gastgewerbe lag im November um 21,9 Prozent unter der im von November 2019.

Aber auch im übrigen Corona-Jahr sah es nicht rosig aus. Für die ersten elf Monate 2020 ermittelten die Statistiker für das nordrhein-westfälische Gastgewerbe ein Umsatzminus von rund 35 Prozent. Beim Branchenverband Dehoga schrillen deshalb längst die Alarmglocken. Einer Umfrage zufolge fürchten inzwischen mehr als drei Viertel um ihre unternehmerische Existenz.