Essen. Impfstoff-Entwickler Curevac erhält mit Bayer einen mächtigen Partner. Im Frühjahr Zulassung erwartet. Friedrich Bohlen sieht Riesen-Potenzial.

Während sich die Bundesregierung kritisieren lassen muss, weil die Impfung mit dem Biontech-Mittel hierzulande schleppender anläuft als in anderen Ländern, rüstet ein deutscher Konkurrent auf: Das Tübinger Unternehmen Curevac hat den Dax-Riesen Bayer als Partner gewonnen, gemeinsamen wollen sie das weltweite Rennen um Massenimpfungen gegen das Coronavirus ab dem Frühjahr von hinten aufrollen.

Beide Unternehmen gaben am Donnerstag ihre Impfstoff-Allianz bekannt und das Ziel aus, nach einer Zulassung sehr rasch "mehrere hundert Millionen Dosen" des Curevac-Mittels zu produzieren. Es befindet sich seit Mitte Dezember in der letzten Studienphase vor der Zulassung. Das wäre auch für die Bundesregierung von Bedeutung, schließlich hat sich der Staat im vergangenen Sommer mit 300 Millionen Euro an Curevac beteiligt, um die Impfstoff-Entwicklung anzuschieben. Nun steht er in der Kritik, zu wenige Dosen vom Mainzer Hersteller Biontech geordert zu haben, der im Dezember als erster zugelassen wurde.

Biontech und Moderna waren schneller

Curevac entwickelt ein Mittel, das ähnlich funktioniert wie die bereits zugelassenen Impfstoffe von Biontech und des US-Konzerns Moderna. Mit Bayer will Curevac nun aufholen und strebt eine Zulassung im Frühjahr an, der April gilt als realistisch. Allein die EU will bis zu 400 Millionen Dosen von Curevac kaufen. Die Bundesregierung stieg im August auch deshalb ein, weil sie verhindern wollte, dass ihr die Amerikaner zuvorkommen. Zumal Biontech sich frühzeitig an den US-Konzern Pfizer gebunden hatte.

"Wir freuen uns sehr, mit Bayer zusammenzuarbeiten. Mit seiner Expertise und Infrastruktur kann uns Bayer helfen, unseren Impfstoffkandidaten CVnCoV noch schneller für möglichst viele Menschen verfügbar zu machen“, sagte Curevac-Vorstandschef Franz-Werner Haas. Bayer-Vorstand Stefan Oelrich betonte: „Der Bedarf an Impfstoffen gegen Covid-19 ist enorm. Wir stellen unsere Fähigkeiten und Netzwerke zur Verfügung, um dazu beizutragen, diese Pandemie zu beenden.“

Bayer hilft bei Zulassung und Logistik

Bayer soll Curevac zunächst bei der Fertigstellung der Phase-3-Studie und den sich daraus ergebenden Zulassungs-Details unterstützen. Anschließend will Bayer seine Vertriebswege und globale Logistik-Infrastruktur nutzen, um die weltweite Auslieferung zu organisieren. Ob der Dax-Konzern auch in die Produktion des Impfstoffs einsteigt, ist noch offen. Curevac hatte sich bereits Partner für die Produktion in Europa ins Boot geholt: den französischen Arzneimittelhersteller Fareva und die deutsche Wacker AG.

Der Bund hält 16 Prozent an Curevac, das zur Hälfte dem SAP-Gründer Dietmar Hopp gehört. Im Aufsichtsrat sitzt Friedrich von Bohlen und Halbach, Mitgründer der dievini Hopp Biotech Holding. Dass Curevac voraussichtlich rund drei Monate nach Biontech und Moderna die Zulassung für seinen Impfstoff erhalten wird, bereitet dem Krupp-Nachfahren keine Sorgen. Curevac produziere seinen Impfstoff bereits, nach der Zulassung werde bereits eine möglichst große Zahl an Dosen bereitstehen, sagte er unserer Redaktion.

Bohlen: Können mit einem Klick auf Mutationen reagieren

Die leichte Verzögerung sei nebensächlich angesichts des riesigen Potenzials der neuen Wirkstoffklasse (mRNA): "Damit entsteht eine völlig neue Produktlasse, die theoretisch gegen jede Infektionskrankheit und gegen jede Krebskrankheit eingesetzt werden kann", betont Bohlen. Der große Vorteil mRNA-basierter Impfstoffe sei zudem, dass er sehr schnell auf Mutationen von Viren reagieren könne, "für die Anpassung reicht im Prinzip ein Klick".

Bayer nennt Bohlen einen "Wunschpartner", auch weil damit anders als bei Biontech/Pfizer eine deutsche Allianz entstehe, die wichtig für den Standort und zukünftige Arbeitsplätze sei: "Damit haben wir die große Chance, endlich einmal wieder auf einem sehr zukunftsträchtigen Technologiefeld führend zu sein." Nur Innovationen könnten den Wohlstand in Deutschland erhalten. Diese Philosophie teile er mit SAP-Gründer Hopp.

Aktien von Curevac und Bayer legen kräftig zu

Die an der New Yorker Wallstreet notierte Curevac-Aktie legte am Donnerstagmorgen um rund 14 Prozent zu. Auch das Bayer-Papier war gefragt und gewann rund drei Prozent an Wert. Für Bayer spannend werden die Märkte außerhalb Europas, vor allem in den USA. Denn laut Mitteilung erhalten die Leverkusener "Optionen, um Inhaber der Marktzulassung in anderen Märkten außerhalb Europas zu werden". Das bedeutet, Bayer könnte etwa in den USA den Curevac-Impfstoff unter eigenem Namen produzieren (lassen) und vertreiben.

Eine "gute Nachricht aus Leverkusen" sieht NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) in der Partnerschaft von Bayer und Curevac, wie er im Kurznachrichtendienst Twitter schrieb. Sie sei "ein weiterer Lichtblick am Horizont", ergänzte er, und betonte: "Gut, dass wir starke Pharmaunternehmen im Land haben.“

Laschet sieht "weiteren Lichtblick"

Während Laschet froh ist, dass sich mit Bayer nun auch ein Weltkonzern aus NRW am Kampf gegen Corona beteiligt, muss sich die Bundesregierung weiter für ihr Impfmanagement verantworten. Im Zentrum der Kritik steht Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), dem selbst der Koalitionspartner SPD vorwirft, nicht genügend Impfdosen gesichert zu haben. Er will dazu in der kommenden Woche eine Regierungserklärung abgeben. Denn während etwa in Großbritannien die Impfung der Bevölkerung bereits kräftig angelaufen ist, stockt es in Deutschland bisher.

Spahn hatte immer wider betont, zum Start sei der Impfstoff noch knapp. Der in dieser Woche von der EU zugelassene Impfstoff von Moderna werde in den ersten Wochen ebenfalls knapp sein, sagte Spahn am Donnerstag im ZDF. „Ab dem zweiten Quartal wird es Zug um Zug besser“, versprach er. Dabei schaut er gewiss auch auf den Produktionsstart von Curevac, der zu Beginn des zweiten Quartals erfolgen soll.