Ruhrgebiet. Die Corona-Krise hat den wachsenden Büromarkt im Ruhrgebiet bislang verschont. Gleichwohl werden Investitionen zurückgestellt.

Viele Schreibtische in den Verwaltungen der Unternehmen sind in diesen Corona-Monaten verwaist, die Beschäftigten arbeiten von zu Hause aus. Bricht jetzt der zuletzt boomende Büromarkt im Ruhrgebiet zusammen? Läutet die Pandemie das Ende der großen Firmenzentralen ein? Experten schütteln den Kopf, sagen aber gleichwohl erhebliche Veränderungen bei der Büroarbeit voraus.

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„Eine deutliche Eintrübung auf dem Büromarkt erwarten wir für 2020 nicht. Das Ruhrgebiet ist mit seinem hohen Anteil an Büroarbeitsplätzen solide aufgestellt“, sagt Rasmus C. Beck. Bei dem Geschäftsführer der Business Metropole Ruhr laufen mit dem neu eingerichteten Runden Tisch Immobilien alle Informationen zusammen und münden im regionalen Immobilienmarktbericht Ruhr (s. Infobox). Gleichwohl beobachtet der Wirtschaftsförderer eine Zurückhaltung auf allen Seiten – bei Firmen, die neue Büros suchen, aber auch Eigentümern und Maklern. „Viele Investoren warten jetzt mit Geschäftsabschlüssen noch ab. Deshalb sind langfristige Folgen der Pandemie derzeit nicht absehbar“, meint Beck.

Hohe Nachfrage in Duisburg und Bochum

Bulwiengesa gehört zu den großen unabhängigen Analyseunternehmen in Europa und hat einen weiten Blick über die Immobilienbranche. „Wir beobachten weniger Transaktionen und rückläufige Umsätze. Das ist aber in allen großen Metropolstädten der Fall“, sagt der für NRW zuständige Geschäftsführer Andreas Schulten.

Das fünfstöckige Duisburg Central Office entsteht am Hauptbahnhof.
Das fünfstöckige Duisburg Central Office entsteht am Hauptbahnhof. © Aurelis Real Estate

Den Trend kann Markus Büchte bestätigen. Der Vorstand des Beratungsunternehmens Cubion, das den Immobilienmarkt im Ruhrgebiet permanent durchleuchtet, berichtet, dass die Umsätze im dritten Quartal vor allem in Dortmund und Essen „deutlich zurückgegangen“ seien. „In Duisburg registrieren wir im Vergleich zum Vorjahr dagegen überhaupt keinen Rückgang.“ Amedeo Augenbroe vom Maklerbüro BNP Paribas hat dafür eine Erklärung: „Duisburg hat viele hochwertige Flächen zu bieten“, sagt er im Hinblick auf das voll vermietete Duisburg Central Office und das Projekt Mercator One, das ebenfalls am Hauptbahnhof liegt.

„Die Kunden befinden sich in einer Schockstarre“

„Bei allen großen Mietvertragsabschlüssen von 1500 Quadratmetern aufwärts gab es überhaupt keine Ausfälle. Viele Abschlüsse mit kleineren Flächen wurden aber auf Eis gelegt“, sagt Markus Büchte. „Die Kunden befinden sich in einer Schockstarre und warten ab.“ Büchte macht aber nicht nur Corona für regionale Dellen bei der Büro-Nachfrage verantwortlich. „Es gibt eine wachsende Zahl von Untervermietungsangeboten, weil Firmen konjunkturell in Schwierigkeiten geraten“, erklärt er. Auswirkungen auf den Markt habe auch, dass sich die Essener Konzerne Thyssenkrupp und Innogy von zahlreichen Immobilien trennen. Thyssenkrupp steckt in einer tiefe Krise und will 11.000 Arbeitsplätze abbauen. Innogy wurde auf die Energieunternehmen Eon und RWE aufgeteilt.

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Die Vermarktung von Büroflächen, darauf macht Christian Hansmann aufmerksam, sei auch deshalb gebremst, weil die Büroarbeit generell auf dem Prüfstand stehe. „Die Unternehmen denken darüber nach, wie sie die Leute mit ausreichend Abstand platzieren können“, sagt der Geschäftsführer des Maklers Ruhr Real, der sich auf Büro-, Logistikflächen und Investments im Ruhrgebiet spezialisiert hat.

Trend zum Homeoffice – weniger Schreibtische im Büro

Hansmann geht davon aus, dass viele Beschäftigte auch nach der Pandemie aus dem Homeoffice heraus arbeiten werden. Die Frage sei nur, wie hoch die Quote ausfalle und wie viele Schreibtische dann in der Firma vorgehalten werden müssen. Der Makler erwartet deshalb: „Es wird in Richtung Multispace gehen“ – also Büroräume, die flexibel genutzt werden können und Rückzugsmöglichkeiten bieten.

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„Die Mitarbeiter werden künftig vor allem dann ins Büro kommen, wenn sie andere Menschen treffen wollen oder müssen“, meint Marcel Abel, Geschäftsführer des Beratungs- und Investmentmanagement-Unternehmens Jones Lang LaSalle. „Man wird Infrastruktur um die Ecke dazu buchen, wenn man sie braucht.“ Abel ist davon überzeugt, dass Corona den Beweis angetreten habe, dass mobiles Arbeiten möglich sei. Der Trend werde sich verstärken.

Vermarktung der Tengelmann-Zentrale trotz Corona

Das hat offenbar auch Auswirkungen auf die Laufzeit der Mietverträge für Büroimmobilien: „Corona führt im Ruhrgebiet nicht zu Leerständen und auch nicht zu sinkenden Mieten“, sagt Tobias Altenbeck vom Essener Gewerbeimmobilien-Makler Brockhoff und Partner. „Die Unternehmen wollen in dieser Zeit aber keine langfristigen Verträge abschließen.“ Deshalb seien flexible Mietmodelle gefragt. Wie so oft sei aber die Attraktivität der Immobilien und Standorte ausschlaggebend. Das parkähnliche ehemalige Tengelmann-Gelände in Mülheim sei ein gutes Beispiel: „Die Vermarktung läuft trotz Corona gut“, so Altenbeck.

>>> Erfolgreiche Büro-Bilanz 2019

Im vergangenen Jahr wuchs die Bürofläche im Ruhrgebiet auf den bisherigen Rekordwert von gut 17 Millionen Quadratmetern. Seit 2015 sind rund eine halbe Millionen Quadratmeter hinzugekommen.

Die Leerstandsquote betrug 2019 nur 3,6 Prozent. 2015 lag sie bei fast fünf Prozent.

Das Transaktionsvolumen bei Büroimmobilien im Revier belief sich 2019 auf über 2,8 Milliarden Euro. Der bisherige Rekordwert wurde 2017 mit fast 3,5 Milliarden Euro erreicht.

Im laufenden Jahr kletterte die erzielbare Spitzenmiete auf 16,5 Euro pro Quadratmeter – ein Euro mehr als 2019.