Bochum. Vonovia setzt nun auch im Ruhrgebiet auf Solarenergie, kritisiert aber Hemmnisse beim Mieterstrom. Damit steht der Wohnungskonzern nicht allein.
Die Wohnungswirtschaft steht unter Druck. Gebäude tragen bis zu 40 Prozent zum Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxid bei. Gedämmte Fassaden, neue Fenster und Dächer sollen die CO2-Bilanz verbessern. Und die Nutzung erneuerbarer Energien wie Wind und Sonne. Doch gerade beim Ausbau von Photovoltaik-Anlagen beklagt Deutschlands größter Vermieter Vonovia Hemmnisse des Bundesgesetzgebers und der Netzbetreiber.
Vonovia hat durchgezählt und kommt bundesweit auf die ansehnliche Zahl von rund 55.000 Dächern allein in großen Städten, „die wir gerne sinnvoll nutzen wollen, um unsere Mieter an der Energiewende zu beteiligen“, wie es Rafael Wilke ausdrückt. Beim Dax-Konzern ist er als Teamleiter für die Photovoltaik zuständig. Im vergangenen Jahr hatte Vonovia deshalb sein „1000-Dächer-Programm“ gestartet. 370 Dächer in Dresden und München haben bereits Solar-Module. Jetzt ist auch NRW an der Reihe. Das Unternehmen will zunächst in Bochum, Gelsenkirchen, Leverkusen und Köln in den eigenen Siedlungen Sonne in Strom verwandeln.
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Die jährlich rund 10.000 Kilowattstunden Solarstrom, die Vonovia aktuell über 830 Dachflächen erzeugt, will Vorstandschef Rolf Buch künftig allerdings nicht mehr einfach ins öffentliche Netz einspeisen, sondern seinen Kunden vor Ort in den Wohnungen oder an E-Ladestationen zur Verfügung stellen. Das sei derzeit aber wirtschaftlich nicht darstellbar. „Wir wünschen uns, dass die leider immer noch zahlreichen Hemmnisse für eine Photovoltaikanlage für Mieterstrom beseitigt werden“, sagt Buch im Hinblick auf die Debatte für die Novellierung des Eneuerbare-Energien-Gsetzes EEG. „Wir brauchen ein Mieterstromgesetz, das auch Vermietern ermöglicht, Mieterstromanlagen wirtschaftlich zu errichten und zu betreiben.“
Staatliche Förderung sinkt
Der Bochumer Konzern mit deutschlandweit 345.000 Wohnungen sieht sich bei seinen Bemühungen, auf erneuerbare Energien umzustellen, in doppelter Hinsicht in die Zange genommen. „Wir sind gezwungen, unseren Solarstrom in das öffentliche Netz einzuspeisen. Doch das Modell der klassischen Einspeisung wird aufgrund der sinkenden staatlichen Förderung von derzeit 1,4 Prozent pro Monat zunehmend schwieriger umzusetzen“, argumentiert Rafael Wilke. Und bei der Alternative, dem Mieterstrom, sieht sich Vonovia mit Hemmnissen konfrontiert.
http://Stadt_Essen_will_mehr_Solarstromanlagen_auf_ihren_Immobilien{esc#227596695}[news]So dürfen nach gängiger Rechtsprechung nur maximal 100 Mieter an eine Photovoltaik-Anlage angeschlossen werden. Siedlungen des Konzerns sind zum Teil aber deutlich größer. Die Folge: Das Unternehmen muss die Anlagen samt Leitungen und Stromzählern aufteilen. Nach Berechnungen von Vonovia fallen dabei 50 Prozent mehr Kosten an. Aber auch für Bezieher von Mieterstrom gibt es Nachteile. Formal sind sie Stromerzeuger und müssen die EEG-Umlage bezahlen. Das verteuert den Solarstrom und hält manchen Bewohner davon ab, auf Mieterstrom umzusteigen.
Verband: Mieterstrom darf nicht zum Rohrkrepierer werden“
Mit einem Neun-Punkte-Katalog weist Vonovia die Bundesregierung auf den Reformbedarf hin. Dabei weiß das Bochumer Unternehmen auch den Bundesverband Neue Energiewirtschaft (BNE) auf seiner Seite. Im Frühjahr hatte sich der Verband mit einem Brief an Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) gewandt und für Nachbesserungen im EEG-Gesetz geworben. „Mieterstrom darf nicht zum Rohrkrepierer werden“, sagte Markus Meyer, beim BNE für die Verbandsentwicklung verantwortlich, unserer Redaktion. Wegen der Vielzahl von Hemmnissen werde das Ziel verfehlt, jährlich 500 Megawatt Mieterstrom zu produzieren.
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Der Verband, bei dem führende Mieterstrom-Erzeuger wie Lichtblick, Naturstrom AG, Solarimo und Polarstern, aber auch Dienstleister wie Tengelmann Energie und Trianel Energie Projekte Mitglied sind, kritisiert heftig, dass nach Gesetzeslage Mieterstrom stets zehn Prozent günstiger angeboten werden müsse als Strom des jeweiligen Grundversorgers. Das sei kaum durchzuhalten, weil „Komplexität Geld kostet“.
Mieter müssen überzeugt werden
Um die Kosten im Rahmen zu halten, müssten die freien Lieferanten dafür sorgen, dass möglichst alle Mieter in einer Wohnanlage Mieterstrom beziehen. „Diese Überzeugungsarbeit ist nicht trivial“, meint der BNE-Sprecher und zeigt sich gleichwohl von der Zukunftsfähigkeit des Modells überzeugt: „Mieterstrom ist ein wahnsinnig gutes Instrument der urbanen Energiewende und hat Riesenpotenzial.“
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Diese Einschätzung teilt auch Vonovia. „Wir verfügen in Deutschland über das größte Portfolio von Dachflächen. Als Dax-Konzern haben wir die finanzielle Kraft, unseren Mietern in großem Stil Photovoltaik zur Verfügung zu stellen. Wir brennen für dieses Thema“, sagt Teamleiter Wilke.
Ob die vielstimmige Kritik in Berlin erhört wird, ist indes offen. Eine Sprecherin von Wirtschaftsminister Altmaier gab sich auf Anfrage unserer Redaktion schmallippig. Sie verwies nur darauf, dass ihr Haus nach der Sommerpause einen Entwurf für eine EEG-Novelle vorlegen werde. Darin werde auch das Thema Mieterstrom geregelt.
>>> Bündnis: Mieterstrom-Gesetz ist wirkungslos
Auch ein Bündnis aus elf Verbänden, darunter der Verbraucherzentrale Bundesverband, der Deutsche Mieterbund und der Deutsche Genossenschafts- und Raiffeisenverband, fordert die Bundesregierung auf, das vor genau drei Jahren in Kraft getretene Mieterstromgesetz zu überarbeiten, weil es keinerlei Wirkung zeige.
„Das Modell ist zu bürokratisch und rechnet sich einfach nicht. Das ist nicht im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher“, sagt Verbraucherschützer Thomas Engelke. Nur gut ein Prozent des gesetzlich möglichen Mieterstrom-Potenzials sei in der Praxis tatsächlich umgesetzt worden. Das Bündnis fordert unter anderem, die Förderung des Verbrauchs von Eigenstrom und Mieterstrom gleichzustellen.