Essen. Im ersten Halbjahr 2020 gingen in NRW 28 neue Windkraftanlagen ans Netz, die zweitmeisten bundesweit. Doch laut Experten ist das viel zu wenig.
Nordrhein-Westfalen hat nach langer Flaute beim Ausbau der Windenergie wieder etwas aufgeholt: Im ersten Halbjahr 2020 wurden 28 Windenergieanlage mit insgesamt 73 Megawatt Leistung in Betrieb genommen, vor allem im Rheinland und in Ostwestfalen. Weil gleichzeitig zehn alte, kleinere Anlagen in NRW stillgelegt wurden, betrug der Nettozubau an Windkraftleistung 64 Megawatt. Das geht aus der vorläufigen Halbjahresbilanz der Fachagentur Windenergie an Land hervor, die unserer Redaktion vorliegt. Das waren doppelt so viele neue Windräder wie im Vorjahreszeitraum, in dem der Ausbau allerdings einen Tiefpunkt erreicht hatte.
Während auf dem Meer der Bau von Offshore-Windparks relativ gleichmäßig vorangeht, stockt der Ausbau der Anlagen an Land seit drei Jahren bundesweit und in NRW zuletzt besonders. Im ersten Halbjahr 2019 war er im bevölkerungsreichsten Bundesland fast zum Erliegen gekommen, was die Steigerung in diesem Jahr relativiert. Zum Vergleich: 2017 wurden NRW-weit im ersten Halbjahr 120 Anlagen mit 327 Megawatt (MW) Leistung ans Netz gebracht, gut viermal so viele wie 2020. Von einem Zuwachs „auf viel zu niedrigem Niveau“ spricht deshalb Jürgen Quentin, Experte der Fachagentur Windenergie.
NRW im Ländervergleich weit vorn
Im Bundesvergleich lag NRW mit seinen 28 Anlagen an zweiter Stelle hinter Brandenburg mit 31. Neu genehmigt wurden 60 Anlagen. Auch hier musste Nordrhein-Westfalen nur ein Bundesland vorlassen, in diesem Fall Schleswig-Holstein (72). Doch gemessen an dem, was Deutschland für seine Energiewende eigentlich an zusätzlichem Windstrom bräuchte, ist das viel zu wenig. In NRW wären das 150 Windräder mit 700 MW pro Jahr, meint der Landesverband Erneuerbare Energien. „Davon sind wir meilenweit entfernt“, sagt Mario Burda, Sprecher des Ökostrom-Lobbyverbands.
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Die Branche steckt bundesweit im Tief, laut Fachagentur Windenergie an Land weist nach dem Tiefpunkt 2019 die aktuelle Bilanz „das zweitschwächste Zubau-Halbjahr innerhalb der letzten 15 Jahre“ aus. Dieser Abwärtstrend besteht, seitdem neue Anlagen nicht mehr wie früher eine Garantievergütung aus der staatlichen Ökostromförderung erhalten, sondern sich in Ausschreibungen mit möglichst niedrigen Abnahmepreisen durchsetzen müssen. Der Staat will die Windkraft damit aus der Dauersubventionierung herausholen, weil er sie für reif hält, sich am Markt durchzusetzen. Gleichzeitig bremsen neue Abstandsregeln und an einigen Standorten auch Widerstände der Anwohner und von Tierschützern den Ausbau.
Zu wenige Gebote bei Ausschreibungen
Die Ausschreibungen für neue Windkraftanlagen sind aus diesen Gründen regelmäßig unterzeichnet, was bedeutet, dass für die zur Genehmigung stehenden Zubaumengen gar nicht genügend Windkraft-Projekte angemeldet werden. Im Juni etwa gab es für die ausgeschriebene Menge von 825 MW nur Gebote für Anlagen mit rund der Hälfte dieser Leistung. Auch hier war NRW im Ländervergleich gut beteiligt und erhielt Zuschläge für 16 neue Anlagen, mehr gingen nur an Schleswig-Holstein (21).