Essen. Oberbürgermeister aus Essen, Bochum und Dortmund gegen Zwangsstilllegung von Steinkohlekraftwerken der Steag und Trianel. Gesetz auf Zielgeraden.

Kurz vor der geplanten Verabschiedung des Kohleausstiegsgesetzes im Bundestag haben die Oberbürgermeister besonders betroffener Ruhrgebietsstädte noch einmal eindringlich Änderungen gefordert. Andernfalls drohten „schwerwiegende Konsequenzen für Stadtwerke und die kommunalen Haushalte“, warnen Thomas Kufen (CDU, OB Essen), Ulrich Sierau (SPD, OB Dortmund) und Thomas Eiskirch (SPD, OB Bochum). In einem gemeinsamen Brief an die Fraktionschefs der Union (Ralph Brinkhaus) und SPD (Rolf Mützenich), der unserer Redaktion vorliegt, wenden sie sich gegen die Zwangsstilllegung jüngerer Steinkohlekraftwerke ohne Entschädigung.

Kufen, Sierau und Eiskirch sehen Milliarden-Entwertung

Die Stadtwerke der drei Revierkommunen sind die größten Eigner der Steag, Bochum hält dazu die meisten Anteile am Stadtwerkeverbund Trianel. Beide Unternehmen befürchten massive Nachteile, sollten ihre jüngeren Kraftwerke in Walsum (Steag) und Lünen (Trianel) um das Jahr 2030 per Anordnung vom Netz genommen werden, ohne dass es dafür eine Entschädigung gibt. So sieht es der Entwurf für das „Kohleverstromungsbeendigungsgesetz“ (KVBG) vor. Die Kraftwerke hätten ihre Investitionskosten bis dahin noch nicht annähernd erwirtschaftet. Trianel rechnet für sein Kraftwerk in Lünen mit einem Verlust von 587 Millionen Euro, sollte es Ende 2030 ohne Entschädigung abgeschaltet werden.

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„In seiner jetzigen Form können und werden wir den Gesetzentwurf nicht akzeptieren“, schreiben die drei Revier-Oberbürgermeister und der Aachener OB Marcel Philipp an die Fraktionschefs. „Wir sind sehr beunruhigt darüber, dass der Gesetzentwurf es ermöglichen würde, Steinkohlekraftwerke ordnungsrechtlich ohne jedwede Kompensation stillzulegen – und das schon ab 2027, wenn sich die jungen und hochmodernen Steinkohlekraftwerke kaum mehr als 10 Jahre in Betrieb befinden.“ Damit würden insgesamt „Vermögenswerte im Umfang von über 10 Milliarden Euro vollständig entwertet“, heißt es in dem Schreiben. Sie hoffen auf eine Lösung etwa durch Einstufung der Kraftwerke in eine „Energiewendereserve“ mit entsprechenden Vergütungen.

Ab 2027 droht die Zwangsstilllegung

Der Stadtwerkeverbund Trianel befürchtet Millionenverluste, wenn sein Kraftwerk in Lünen ohne Entschädigung abgeschaltet wird.
Der Stadtwerkeverbund Trianel befürchtet Millionenverluste, wenn sein Kraftwerk in Lünen ohne Entschädigung abgeschaltet wird. © www.blossey.eu | Hans Blossey

Die Regierung hat mit den Braunkohlekonzernen wie RWE eine Stilllegung ihrer Kraftwerke bis 2038 ausgehandelt sowie Entschädigungen für vorzeitige Stilllegungen von insgesamt 4,35 Milliarden Euro. Für Steinkohlekraftwerke gibt es nur bis zum Jahr 2026 und auch nur deutlich geringere Entschädigungen. Die Betreiber sollen sie bis 2026 freiwillig abschalten und dafür an einer Ausschreibung teilnehmen. Abschalten darf nur, wer am wenigsten Geld dafür verlangt, maximal sind zweistellige Millionenbeträge je Kraftwerk drin. Spätestens ab 2027 drohen den Betreibern Zwangsstilllegungen ohne Entschädigung.

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„Das ist weder ökonomisch noch ökologisch sinnvoll, sind die jungen Steinkohlekraftwerke, die schon ab 2027 stillgelegt werden sollen, doch deutlich emissionsärmer als die Braunkohleanlagen, die zum Teil bis 2038 am Netz bleiben“, klagen die Oberbürgermeister – und fordern: „Städte und Kommunen dürfen in diesem Prozess nicht die Leidtragenden sein, die am Ende die Zeche zahlen.“ Sierau, Eiskirch und Kufen betonen mit Blick auf die weitere Energiewende: „Umsetzen werden es die Städte und Gemeinden – sofern man ihnen Luft zum Atmen lässt.“

Scholz und Altmaier beraten am Dienstag abschließend

Der Brief der Stadtoberhäupter ging auch an Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Finanzminister Olaf Scholz (SPD). Dies aus gutem Grund: Scholz, Altmaier und Kanzleramtschef Helge Braun wollen nach Informationen unserer Redaktion am Dienstagnachmittag abschließend über das Kohleausstiegsgesetz beraten. Es dürfte mit die letzte Chance sein auf Nachbesserungen im Sinne der Kommunen vor der Verabschiedung im Bundestag.