Die Lockerungen gelten für die einen, für andere nicht. Das schafft neue Ungerechtigkeit. Vor allem in NRW, wo es Ausnahmen für Möbelhäuser gibt.

Die guten Motive für die Lockerungen stehen außer Frage: Die Politik will Menschenleben in Risikogruppen ebenso retten wie die Wirtschaft. Die richtige Balance zu finden, ist unendlich schwer, weil es keinerlei Vorbilder für diese Krise gibt. Doch die Lockerungen richtig oder falsch zu finden, ist die eine Sache. Ihre Ungereimtheiten und Ungerechtigkeiten sind eine andere. Der Staat behandelt nicht nur einzelne Wirtschaftsbereiche unterschiedlich, sondern auch Unternehmen ein- und derselben Branche. Das ist – womöglich auch juristisch – angreifbar.

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So muss eine Café-Betreiberin nicht verstehen, warum sie nicht öffnen darf, aber der Friseur nebenan. Dass beim Haareschneiden das Ansteckungsrisiko geringer sein soll als am Bistro-Tisch, entbehrt jeder wissenschaftlichen Basis. Die Gastronomie ist die große Verliererin dieser Krise, erhält aber die gleichen Hilfen wie Unternehmen und Selbstständige in weniger betroffenen Branchen. Wer nicht will, dass künftig nur noch Fastfood-Ketten und Edelrestaurants übrig bleiben, muss den Wirten helfen.

Fragwürdige Ungleichbehandlung der Einzelhändler

So offensichtlich wie fragwürdig ist die Ungleichbehandlung der Einzelhändler. In großen Läden wie Karstadt, Media Markt oder Sinn lassen sich Abstandsregeln viel besser einhalten als in der kleinen Boutique oder im Tabakladen. Doch Letztere dürfen wieder öffnen, die Großen nicht. Die Politik scheut ihre Anziehungskraft, sprich: dass sie die Innenstädte wieder füllen.

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Das mag berechtigt sein, schlüssig ist es nicht. Wenn es darum geht, die Ansteckungsgefahr so gering wie möglich zu halten, bleibt entscheidend, ob die Leute Abstand halten können. Dafür zum Maßstab die schiere Ladenfläche zu nehmen, ist blanker Unsinn, effektiver wäre es, die Quadratmeterzahl pro Kunde zu begrenzen. 150 Kunden bei Karstadt kaufen im Zweifel sicherer ein als drei Herren im Krawattenladen.

Absurde Regeln in NRW

Doch in NRW geht es noch absurder: Die Landesregierung macht auch im Handel ihre eigenen Regeln und Ausnahmen für Möbelhäuser und Babymärkte. Arbeitsminister Laumann begründet das mit der Bedeutung der Möbelindustrie in seiner westfälischen Heimat. Sind die 28.000 Beschäftigten von Galeria Karstadt Kaufhof weniger wert als die 35.000 Beschäftigten der NRW-Möbelindustrie? Ikea darf öffnen, Karstadt nicht? Absurder geht’s kaum. Die nächste Frage wäre, was der Gesundheitsminister Laumann dazu sagt?