Essen. Mieter können in der Corona-Krise ihre Mietzahlungen verschieben. Von dem Angebot machen aber weniger Kunden Gebrauch als erwartet. Noch.

Als der Sportartikelhersteller Adidas über Nacht die Zahlung der Mieten für seine Läden einstellen wollte, ging eine Welle der Empörung durch die Republik. Ein Essener Immobilien-Makler sprach von „Wildwest-Szenen“. Sehr viel leiser scheinen Zahlungsprobleme von Privatmietern geregelt zu werden, die durch die Coronakrise zu Kurzarbeit gezwungen sind. Das ergab eine Umfrage unserer Redaktion.

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Mit fast 400.000 Wohnungen ist der Bochumer Dax-Konzern Vonovia der größte Vermieter in Deutschland. Von der Möglichkeit, die Mietzahlung aufzuschieben, machten vier Wochen nach dem staatlich verordneten Herunterfahren von Gesellschaft und Wirtschaft gerade einmal rund 3000 Kunden Gebrauch. „Viele Menschen erleben jetzt, wie wichtig ihre Wohnung als sicherer Rückzugsort für sie und ihre Familie ist“, sagt Vonovia-Chef Rolf Buch. Wirtschaftsauskunfteien wie die Creditreform beobachteten schon vor dem Ausbruch von Corona, dass trotz wachsender Schuldner-Zahlen und steigender Mieten die Menschen zu allerletzt an ihrer Wohnung sparen. Verbraucher nehmen sogar Darlehen auf, um die Miete pünktlich zu bezahlen.

Konzerne setzen Mieterhöhungen aus

Noch bevor der Bundestag Ende März beschloss, dass Mietern zunächst bis Ende Juni nicht gekündigt werden darf, wenn sie aufgrund der Coronakrise die Miete nicht mehr bezahlen können, hatten die großen Immobilienkonzerne bereits von sich aus reagiert und ihre Kunden mit Maßnahmenpaketen zu beruhigen versucht. Vonovia, LEG, Vivawest und andere signalisierten sofort, dass sie vorerst auf Kündigungen verzichten und Mieterhöhungen aussetzen werden.

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„Durch unser Stundungsangebot von bis zu sechs Monaten möchten wir ein Zeichen der Solidarität und gesellschaftlichen Verantwortung in Zeiten der Corona-Pandemie setzen und unsere Kunden entlasten“, sagt Volker Wiegel, operativer Vorstand beim größten nordrhein-westfälischen Vermieter LEG. Wiegel registriert in seinem Haus eine „Reihe von Anfragen“ rund um das Virus. „Dabei schlagen sich bislang nur die wenigsten Nachfragen auch in konkreten Mietstundungsregelungen nieder. Insgesamt ist der Anteil sehr überschaubar und liegt derzeit bei rund 300 Fällen, konkret am Standort Essen sind es beispielsweise rund ein Dutzend Fälle, Wohnungs- und Gewerbemieter zusammengenommen“, so der LEG-Manager.

Volker Wiegel, LEG-Vorstand.
Volker Wiegel, LEG-Vorstand. © LEG | Rüdiger Nehmzow

„Als Zeichen der Wertschätzung“ etwa für Ärzte, Krankenschwestern, Kassierer, Polizisten und Feuerwehrleute, so Wiegel, will die LEG allen, die im nächsten halben Jahr eine neue Wohnung anmieten, bis Ende September des übernächsten Jahres 20 Prozent der Kaltmiete erlassen. Der Vorstand: „Aktuell haben wir 25 dieser Verträge abgeschlossen und arbeiten bereits daran, das Angebot unter anderem durch gezielte Werbung noch bekannter zu machen.“

Unterstützung für Nachbarschaftsinitiativen

Der Gelsenkirchener Konzern Vivawest hat bislang rund 840 Anliegen seiner Mieter rund um das Thema Corona registriert. „Mit unseren Mietern haben wir 175 Stundungs- und 70 Ratenzahlungsvereinbarungen geschlossen“, sagt Sprecher Gregor Boldt. Wie andere Unternehmen auch setzt Vivawest Mieterhöhungen „bis auf Weiteres“ aus und nimmt bereits für den März ausgesprochene Anpassungen zurück. Zudem verzichtet der Konzern auf Kündigungen und fristlose Räumungen.

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Darüberhinaus wurde das Budget der Vivawest-Stiftung um eine auf knapp zwei Millionen Euro aufgestockt. Das Geld soll unter anderem Nachbarschaftsinitiativen zu Gute kommen. Boldt: „Das schließt zum Beispiel den Einkauf von Lebensmitteln, Beratung zur Kinderbetreuung, wichtige Besorgungen oder den Gang zur Apotheke mit ein.“

Repariert der Handwerker das undichte Dachfenster?

Jenseits der großen Konzerne hat die Coronakrise aber auch bei Millionen Menschen, die in privat vermieteten Wohnungen leben, große Verunsicherung ausgelöst. Mehr als 80 Prozent der 32 Millionen Wohneinheiten in Deutschland sind im Besitz privater Eigentümer. Deren Belange vertritt der Verein Haus & Grund. Werner Weskamp, Geschäftsführer des Landesverbands Ruhr in Essen, registriert einen erhöhten Beratungsbedarf. „Die Anfragen sind bunt gemischt“, sagt Weskamp. Wie soll sich der Vermieter in Corona-Zeiten bei einem geplanten Auszug, Umzug und bei notwendigen Besichtigungsterminen verhalten? Und was passiert, wenn das undichte Dachfenster repariert werden muss, aber der Handwerker nicht kommen will und die Eigentümergemeinschaft wegen Corona nicht zusammentreten kann, um die Investition zu genehmigen?

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Fragen rund um die Stundung der Mieten werden nach Beobachtung des Haus & Grund-Geschäftsführers allerdings „nicht in der Massivität gestellt, die wir erwartet hatten. Die Liquidität ist offenbar noch da.“ Weskamp erwartet allerdings einen deutlichen Anstieg der Problemfälle, wenn die Bezahlung der Mai-Miete bis zum dritten Werktag fällig wird. „Die Menschen merken erst dann richtig, dass sie durch Kurzarbeit weniger Geld zur Verfügung haben.“ Dabei verhehlt er nicht, dass bei vereinbarten Stundungen auch kleine Vermieter in finanzielle Bedrängnis geraten können.

Für sie hat der Staat nach Weskamps Einschätzung bislang keine Hilfsangebote vorgesehen. Der Geschäftsführer: „Deshalb haben wir gemeinsam mit dem Mieterbund einen Wohnkostenfonds angeregt. Der Staat könnte die Mieten zwischenfinanzieren.“ Zurückzahlen müssen die Mieter die gestundete Miete ab Juli ohnehin.