Essen. Das Ruhrgebiet hat sich zur Hochburg für Start-ups entwickelt, nun bedroht die Corona-Krise gerade sie. Was Wirtschaftsförderer Beck fordert.

Die Wirtschaftsförderer haben lange gebraucht, um das Ruhrgebiet für Start-ups und Gründer attraktiv zu machen. Nun bedroht die Corona-Krise vor allem kleine und junge Unternehmen. Wie ihnen zu helfen wäre, sagt Rasmus C. Beck im Interview mit unserer Redaktion, er ist Chef der Business Metropole Ruhr.

Herr Beck, die Corona-Krise trifft viele Unternehmen aus dem Ruhrgebiet hart. Die Telefonleitungen zur Agentur für Arbeit sind zusammengebrochen. Was kann Wirtschaftsförderung in dieser Ausnahmesituation tun?

Rasmus C. Beck: Wir koordinieren uns gerade intensiv mit den Wirtschaftsförderungen in den Städten, die für ihre Unternehmen erste Ansprechpartner sind. Gemeinsam mit den federführenden Kollegen aus Bochum und Dortmund überlegen wir, wie wir gerade kleineren Unternehmen und Selbstständigen jetzt schnell helfen können. In vielen Kommunen und Kammern werden dieser Tage Hotlines eingerichtet, um eine Lotsenfunktion für die diversen Förderprogramme anzubieten.

Wertschätzung für Gründer in Not

Welche Form der Hilfe brauchen die Firmen jetzt am dringlichsten?

Beck: Im Bereich der Industrie und des Mittelstandes stehen ausgereifte und erprobte Instrumente wie Kurzarbeitergeld und Kreditprogramme bereits zur Verfügung. Kleinstunternehmen wird damit aber oft nicht geholfen sein. Soloselbstständige brauchen schlicht schnelle Liquidität, um erst einmal über die Runden zu kommen. Sie können oft nicht auf die Ergebnisse einer langen Kreditvergabe warten.

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Woran denken Sie konkret?

Beck: Ziel muss es sein, etwa selbstständigen Grafikerinnen, Musiklehrern oder Eventmanagern, die mit der Einstellung des öffentlichen Lebens keine Einnahmen mehr haben, unbürokratische Liquidität zuzusichern, die sie zunächst auch einmal nicht zurückzahlen müssen. Damit zeigen wir auch eine gewisse Wertschätzung für Gründer in Not: Ihr müsst wegen Corona nicht Grundsicherung beantragen.

Grundsicherung „wäre total daneben“

Mit einer großen Kraftanstrengung ist es zuletzt gelungen, im Ruhrgebiet viele Start-ups und Existenzgründer an den Start zu bringen. Sind diese jungen Firmen in der Krise besonders bedroht?

Beck: Das ist ja das Erschreckende. Mit Kleinunternehmen müssen wir uns solidarisch zeigen und sie nicht auf die Grundsicherung verweisen. Das wäre total daneben. Wir sind als Wirtschaftsförderer mit dem NRW-Wirtschaftsministerium dazu im konstruktiven Gespräch, wo auch an einer schnellen Lösung gearbeitet wird.

Ist das Ruhrgebiet, dessen Wirtschaft gerade in einem tiefen Umbruchprozess steckt, besonders stark von der Corona-Krise betroffen?

Beck: Das ist noch schwer zu sagen. Aber es zeichnet sich ab: Investitionen werden aufgeschoben, Konsum zurückgefahren. Wer kauft gerade jetzt ein neues Auto oder löst ein neues Theater-Abo? Von der Krise werden alle Branchen und alle Unternehmen betroffen sein.

Ist das zarte Pflänzchen bedroht?

Mehr Beschäftigung, mehr Gründer, mehr Investitionen – die Ruhrwirtschaft hat sich zuletzt berappelt. Ist das zarte Pflänzchen Hoffnung nun durch Corona bedroht?

Beck: Nächste Woche werden wir unseren aktuellen Wirtschaftsbericht vorstellen. Das Ruhrgebiet ist erneut schneller als der Durchschnitt im Bund und Land gewachsen. Wir haben 2019 zudem die rote Laterne beim Jobwachstum abgegeben und konnten den Abstand zu anderen Regionen deutlich verringern. Diese Aufholjagd müssen wir gerade wegen Corona mit aller Kraft fortsetzen.

Was bedeutet Corona für Ihr eigenes Unternehmen, die Business Metropole Ruhr GmbH?

Beck: Bis auf ein kleines Team arbeiten unsere Mitarbeiter komplett von zu Hause aus. Wir beschäftigen uns jetzt stark mit der Zeit nach der akuten Corona-Krise. Wir werden Formen der digitalen Begegnung anbieten, die eine Alternative für physische Präsenzen sind. Die Präsentation des Ruhrgebiets auf Messen und Veranstaltungen im In- und Ausland ist enorm wichtig, wird sich aber in 2020 und danach verändern. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir so weitermachen können wie bisher.