Datteln. Greenpeace projiziert Fortum-Chef Lundmark auf Dattelner Kühlturm. Nach Polizeieinsatz spitzt sich Protest zu. Nun geraten Finnen ins Visier.

Die Proteste gegen das umstrittene Steinkohlekraftwerk Datteln 4 spitzen sich zu. Nachdem am Dienstag erneut Kohlegegner auf das Betriebsgelände eingedrungen waren und sich an Förderbänder gekettet hatten, legte am frühen Mittwochmorgen Greenpeace nach. Aktivisten der Umweltorganisation projizierten neben Slogans wie „Kohle zerstört unsere Zukunft“ auch ein übergroßes Porträt von Pekka Lundmark auf den 180 Meter hohen Kühlturm. Lundmark ist der Chef des finnischen Fortum-Konzerns, dem der Düsseldorfer Kraftwerksbetreiber Uniper mehrheitlich gehört. Fortum wollen die Klimaaktivisten nun zunehmend ins Visier nehmen.

Wie Uniper-Chef Schierenbeck Datteln verteidigt

Uniper will das größte Steinkohlekraftwerk in diesem Sommer mit neunjähriger Verspätung doch noch ans Netz bringen. Die Kohlekommission hatte der Regierung das Gegenteil empfohlen, das jüngst im Kabinett verabschiedete Ausstiegsgesetz erlaubt die Inbetriebnahme aber ausdrücklich, dafür sollen mehr ältere Steinkohleblöcke früher vom Netz gehen. Uniper-Chef Andreas Schierenbeck bekräftige im Interview mit dieser Zeitung unlängst, er verstehe die Proteste in Datteln nicht, weil „wir unsere CO2-Emissionen der Kohleverstromung in Deutschland durch Datteln 4 noch einmal um bis zu 40 Prozent“ senken. Zugleich kündigte er an, seine Mitarbeiter in Datteln auf die Proteste vorzubereiten und sie und ihre Familien auch schützen zu müssen.

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Von Andreas Tyrock, Ulf Meinke und Stefan Schulte

Die Kohlegegner lassen diese Rechnung nicht gelten, weil zunächst zusätzlicher Kohlestrom ins Netz kommt und Datteln im Gegensatz zu vielen alten Kraftwerken voraussichtlich gut ausgelastet sein wird, weil Uniper feste Lieferverträge mit Großkunden wie der Bahn und RWE hat. „Es ist grotesk, dass trotz beschlossenen Kohleausstiegs mit Datteln 4 noch ein weiteres Kohlekraftwerk in Betrieb gehen soll“, sagt Greenpeace-Klimaexpertin Anike Peters. Niemand brauche dieses Kraftwerk.

Greenpeace-Umfrage: Mehrheit gegen Datteln 4

Einer von Greenpeace in Auftrag gegebenen Umfrage zufolge lehne eine Mehrheit von 68 Prozent die Inbetriebnahme von Datteln 4 ab. „Selbst bei Wählerinnen und Wählern von CDU und CSU ist die Ablehnung des Kraftwerkes mit 64 Prozent sehr groß“, betont Greenpeace. Die Gruppe der 30- bis 39-Jährigen habe mit 76 Prozent den höchsten Anteil an Gegnern, aber auch bei den über 60-Jährigen lehnten 64 Prozent Datteln 4 ab. Die Umfrage unter 1009 Personen wurde vergangene Woche durchgeführt.

Spezialkräfte der Polizei mussten am Dienstag Kohlegegner von einem Förderband holen, die sich angekettet hatten.
Spezialkräfte der Polizei mussten am Dienstag Kohlegegner von einem Förderband holen, die sich angekettet hatten. © dpa | Bernd Thissen

Greenpeace will seinen Protest gegen Datteln 4 nun auch zunehmend nach Finnland tragen. Fortum gehört mehrheitlich dem finnischen Staat und werbe für eine CO2-freie Energieerzeugung. Finnland will bis 2029 aus der Kohle aussteigen, das letzte deutsche Kohlekraftwerk soll 2038 abgeschaltet werden. Bis dahin will Uniper-Chef Schierenbeck auch Datteln 4 betreiben. Als das EU-Land mit der ambitioniertesten Klimapolitik könne Finnland nicht an Uniper und Datteln 4 festhalten, meint Greenpeace. „Zu Hause in Finnland will Fortum als treibende Kraft der Energiewende erscheinen, doch in Deutschland kauft sich der Konzern mit Uniper einen fossilen Energie-Dinosaurier. Damit beschädigt Fortum-Chef Pekka Lundmark die Glaubwürdigkeit von Fortum“, sagte Anike Peters.

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Uniper hat erklärt, alle anderen Steinkohlekraftwerke bis 2026 stillzulegen. Zudem erklärten die Düsseldorfer vergangene Woche ihren Ausstieg aus der Braunkohle: Uniper verkauft seinen Mehrheitsanteil am Braunkohlekraftwerk Schkopau in Sachsen-Anhalt an den tschechischen EPH-Konzern des Milliardärs Daniel Kretinsky. Über allem steht das Ziel, Datteln 4 noch möglichst lange rentabel betreiben zu können.

Uniper erstattet Anzeige gegen elf Kohlegegner

Am Dienstag musste die Polizei elf Kohlegegner vom Kraftwerksgelände holen und erklärte anschließend auf Twitter: „Alle elf Störer, die sich widerrechtlich Zutritt zum Kraftwerksgelände Datteln 4 verschafft hatten, sind in Gewahrsam genommen worden.“ Sie hätten sich teils festgekettet und zur Verschleierung ihrer Identität ihre Fingerkuppen verklebt, teils auch eingeritzt. Gegen sie würden nun Strafverfahren wegen Hausfriedensbruchs eingeleitet, Uniper habe Anzeige erstattet, teilte die Polizei mit. Uniper-Chef Schierenbeck hatte im Interview mit dieser Zeitung betont, ziviler Ungehorsam dürfe „nicht die Beschönigung einer Straftat sein. Das kann sich kein Rechtsstaat leisten“.