Essen/Düsseldorf. NRW-Minister Pinkwart und drei Amtskollegen fordern Nachbesserungen am Gesetz zum Kohleausstieg. Gegen Zwangs-Abschaltungen ohne Entschädigung.

Der vom Kohleausstieg besonders betroffene Steag-Konzern hatte die Landesregierung um Hilfe gebeten – nun liefert NRW-Energieminister Andreas Pinkwart (FDP): Mit seinen Amtskollegen aus Niedersachsen, Baden-Württemberg und dem Saarland fordert er Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) in einem Brief auf, das im Bundeskabinett verabschiedete Kohleausstiegsgesetz nachzubessern. Betreiber von Steinkohlekraftwerken dürften nicht gegenüber der Braunkohle benachteiligt werden, insbesondere dürften ihre Kraftwerke nicht zwangsweise und ohne Entschädigung stillgelegt werden, heißt es in dem Brief, der unserer Redaktion vorliegt.

Ungleichbehandlung von Stein- und Braunkohle

Pinkwart und die Energieminister der ebenfalls betroffenen Bundesländer betonen in ihrem gemeinsamen Schreiben, den Gesetzentwurf insgesamt zu begrüßen, auch den darin enthaltenen Kompromiss zum Ausstieg aus der Braunkohle bis 2038. Aber: „Das mit dem Gesetzentwurf beabsichtigte Vorgehen zur Stilllegung von Steinkohlekraftwerken kann jedoch nicht akzeptiert werden. Es führt zu einer erheblichen Ungleichbehandlung von Braun- und Steinkohlekraftwerken“, kritisieren die Landesminister.

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Damit übernehmen die Minister die Kritik der Stromerzeuger. Während die letzten Braunkohlekraftwerke 2038 vom Netz gehen sollen und ihre Betreiber insgesamt 4,35 Milliarden Euro Entschädigung erhalten, will die Regierung bei der Steinkohle anders verfahren. Die Kraftwerksbetreiber sollen ihre Blöcke bis 2026 freiwillig abschalten und dafür an einer Ausschreibung teilnehmen. Abschalten darf nur, wer am wenigsten Geld dafür haben will. Dass mit jedem Jahr die Entschädigungen sinken, auf maximal zweistellige Millionenbeträge, erhöht den Druck. Danach sollen die Kraftwerke ohne Entschädigung auch zwangsweise stillgelegt werden können.

NRW-Energieminister Andreas Pinkwart (FDP) setzt sich in Berlin für die Betreiber der Steinkohlekraftwerke ein.
NRW-Energieminister Andreas Pinkwart (FDP) setzt sich in Berlin für die Betreiber der Steinkohlekraftwerke ein. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Die sechs Ruhrgebietskommunen gehörende Essener Steag und der Stadtwerkeverbund Trianel mit seinem modernen Großkraftwerk in Lünen sehen sich als große Verlierer des Kohleausstiegs und gegenüber den Braunkohlekonzernen benachteiligt. Eine „krasse Ungleichbehandlung“ beklagte ein Steag-Sprecher. Eine Trianel-Sprecherin kündigte an, ihr Unternehmen werde rechtliche Schritte gegen die „Enteignung“ prüfen. Die Steag betonte zuletzt, sie sehe nun die Landesregierung in der Pflicht.

Höhere Entschädigungen gefordert

Der Hilferuf wurde in Düsseldorf erhört. Mit den drei anderen Ländern beklagt NRW nun, dass die Länder bei der obligatorischen Beteiligung nur 24 Stunden Zeit für eine Stellungnahme gehabt hätten, was viel zu kurz und daher „nicht akzeptabel“ gewesen sei. Wenn die Steinkohlekraftwerke als „Lückenfüller“ früher abgeschaltet werden müssten, um den Braunkohlekompromiss zu ermöglichen, sei eine „entschädigungsfreie Stilllegung durch Ordnungsrecht“ abzulehnen.

Auch die geplanten Maximal-Entschädigungen im Ausschreibungsverfahren seien zu niedrig. Ferner fordern die vier Landesminister, die bis 2026 vorgesehenen Ausschreibungen bis 2030 zu verlängern – auch das war zuvor eine Forderung der Betreiber. Zudem müssten die Anreize zur Umstellung von Kohlekraftwerken auf Gas mit Kraft-Wärme-Kopplung verbessert werden, schreiben Pinkwart und seine Amtskollegen in ihrem Brief an Altmaier.

Kraftwerke im Süden müssen am Netz bleiben

Dass sich auch das Saarland und Baden-Württemberg besonders benachteiligt sehen, liegt daran, dass ihre Steinkohleblöcke in der Regel als „systemrelevant“ eingestuft werden und somit gar nicht vom Netz gehen dürfen. Für die Betreiber heißt das, dass sie von den Stilllegungs-Ausschreibungen ausgeschlossen werden und somit keinerlei Entschädigung erhalten würden.