Essen. Trotz der Konkurrenz aus dem Internet und der hohen Handelsdichte in der Region rüsten die Einkaufszentren auf. Sie wollen Freizeitoasen werden.
Das Centro in Oberhausen hat unlängst 20 Millionen Euro in seine Gastronomie-Arena und neue Möbel auf der Mall investiert. Der Bochumer Ruhrpark wurde aufwendig aufgepeppt und verfügt jetzt auch über ein Parkleitsystem. Der Limbecker Platz in Essen und das Forum in Duisburg setzen auf mehr innovative Ladenformate, die junge Kunden anlocken sollen. Die Einkaufscenter an Rhein und Ruhr sind in Bewegung. Den größten Wurf plant allerdings das Rhein-Ruhr-Zentrum in Mülheim. Im Herbst soll der mehr als 200 Millionen Euro teure Komplettumbau des Freizeit- und Shopping-Komplexes direkt an der Autobahn A 40 beginnen.
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Die Innenstädte klagen über Kundenschwund, immer mehr Ladenlokale stehen leer. Die Umsätze des Online-Handels dagegen wachsen stetig und kratzen in Deutschland gerade an der 60-Milliarden-Euro-Marke. Macht es da überhaupt noch Sinn, in große Einkaufspaläste zu investieren?
Mit der Frage konfrontiert nickt Alexander Crüsemann heftig mit dem Kopf. Beim größten deutschen Center-Betreiber ECE, der rund 195 Objekte im In- und Ausland managt, ist er verantwortlich für den großen Markt in Nordrhein-Westfalen In unserer Region an Rhein und Ruhr betreibt ECE die Thier-Galerie in Dortmund, das Rhein-Ruhr-Zentrum in Mülheim, den Limbecker Platz in Essen, die Kö-Galerie in Düsseldorf und die City-Galerie Siegen.
„Das Ruhrgebiet verfügt über eine hohe Handelsdichte. Deshalb muss jedes Einkaufscenter sein Alleinstellungsmerkmal finden. Es muss sichtbar sein, für was es steht“, sagt Crüsemann. Er ist davon überzeugt, dass sich das Nebeneinander von stationärer und digitaler Einkaufswelt mit diesen Vorzeichen gedeihlich entwickeln werde. „Das Centro setzt auf Unterhaltung und Erlebnis, der Limbecker Platz auf die zentrale Lage mitten in der Essener Innenstadt und das Rhein-Ruhr-Zentrum auf sein familiäres Publikum und den hohen Stammkundenanteil“, so der ECE-Experte.
Von der Nahversorgung zum Freizeitpark
Diese Einschätzung teilt auch Christian Zimmermann, beim ECE-Konkurrenten Unibail-Rodamco-Westfield verantwortlich für das Management von 27 Einkaufscentern, darunter das Centro Oberhausen, der Ruhrpark Bochum, das Palais Vest in Recklinghausen und die Düsseldorf-Arcaden. „Früher waren Shopping Center ausschließlich für die Nahversorgung da. Heute sind sie zusätzlich viel stärker soziale Treffpunkte – Orte, an denen Personen sich treffen und ihre Freizeit verbringen. Insofern war das Centro mit Kino, viel Gastronomie und einem Freizeitpark bei seiner Eröffnung 1996 visionär“, sagt Zimmermann.
Auch ECE ist dabei, in seinen Häusern das gastronomische Angebot auszubauen. „Wir registrieren, dass die Kunden Einkauf, Genuss und Unterhaltung sehr stark in Verbindung setzen“, sagt Crüsemann. Das bedeute, dass Handels-, Freizeit- und Gastro-Konzepte „dem Zeitgeist entsprechen müssen“. Der ECE-Direktor: „Wir erkennen vielversprechende Entwicklungen – ob bei Modekonzepten, Dienstleistungen bis hin zur Gesundheitsbranche, zu denen auch Augenoptiker gehören.“
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Um die digitale und die stationäre Einkaufswelt miteinander zu verknüpfen, hat ECE eine Online-Plattform entwickelt, über die Kunden händlerunabhängig die Verfügbarkeit von Produkten innerhalb eines Centers recherchieren können. „Kunden können sich auf den Websites der angeschlossenen Center jederzeit, überall und in Echtzeit über im Center in ihrer Nähe lokal und unmittelbar verfügbare Angebot informieren, Produkte reservieren und diese dann vor Ort abholen – und landen bei der Produktsuche nicht mehr automatisch bei den großen E-Commerce-Anbietern“, erklärt Philipp Sepehr, Digitalchef bei ECE, im Hinblick auf die mehrfach ausgezeichnete „Digital Mall“.
Digitalisierung ist Treiber für den Handel
In Hamburg hat das Unternehmen gerade einen Versuch gestartet, Online-Bestellungen über den Versender Hermes am gleichen Tag vom Laden auf der Mall direkt zum Kunden nach Hause zu liefern. Hinzu kommen freilich die digitalen Angebote, die Händler selbst machen. Im Buchhandel und anderswo erfreut sich das Konzept „Click & Collect“ großer Beliebtheit: Kunden reservieren sich im Netz einen bestimmten Artikel und holen ihn in der Filiale ab, wenn sie Zeit haben und ohne vergebliche Wege auf sich zu nehmen.
„Ein Konzept oder eine Marke, die digital nicht präsent ist, wird es zukünftig schwerer haben“, prognostiziert Crüsemann. Der Handelsverband Deutschland warnt bereits vor einem Sterben kleiner Händler, die nicht einmal im Internet auffindbar sind.
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Die immer wichtiger werdende Digitalisierung hat auch die auf Einzelhandelsimmobilien spezialisierte Redos-Gruppe im Hinterkopf, die das im Jahr 1972 auf einem stillgelegten Bergwerk eröffnete und inzwischen angestaubte Rhein-Ruhr-Zentrum über mehrere Jahre zum „Wohnzimmer des Ruhrgebiets“ umbauen und dafür mindestens 200 Millionen Euro in die Hand nehmen will. „So hohe Investitionen wie am Rhein-Ruhr-Zentrum gibt es derzeit nur selten in unserer Branche. Wegen seines großen Einzugsgebiets bis ins Düsseldorfer Umland hat es enormes Potenzial“, betont der nordrhein-westfälische ECE-Chef. Redos selbst spricht von der aktuell größten Investition im deutschen Einzelhandel.
Virtual Reality am Centro in Oberhausen
Die umliegende Konkurrenz vermag der große Aufschlag in Mülheim aber nicht zu schrecken. „Der gesamte Markt entwickelt sich weiter. Wir analysieren daher kontinuierlich unsere Standorte“, sagt Christian Zimmermann vom Rivalen Unibail-Rodamco-Westfield. Seine kurzfristigen Pläne für das nur wenige Kilometer entfernte Centro will der Manager noch nicht verraten. Fest steht aber, dass auf dem Gelände des Einkaufszentrums noch in diesem Jahr eine Ausstellungshalle und ein Park rund um das Zukunftsthema Virtual Reality entstehen soll. Oberhausen wird die erste deutsche Stadt sein, in der das Unternehmen The Void Besucher mit Spezialbrillen in virtuelle Welten entführen will, die sich an prominenten Kinofilmen orientieren.
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„Die Welten wachsen zusammen. Deshalb eröffnet beispielsweise Amazon eigene Läden“ meint Zimmermann. Er verweist auf Studien, die zu dem Ergebnis kommen, dass sich Kunden auch von Streamingdiensten wie Spotify oder Netflix eigene Läden wünschen. Der Shopping-Experte prophezeit: „Die gesamte Industrie sucht stärker den Kontakt zu Endverbrauchern.“ Unibail-Rodamco-Westfield erwartet, dass auch immer mehr reine Online-Marken Shops eröffnen. „Das liegt insbesondere daran, dass der stationäre Handel Emotionen, Erlebnisse und persönlichen Rundumservice bietet“, sagt Zimmermann und kündigt an: „Wir wollen unsere Center noch stärker zu Problemlösern für unsere Kunden entwickeln.“
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