Essen. 20.000 Geschäfte könnten bis 2030 in NRW schließen, stellt sich der Handel nicht auf mobile Verbraucher ein. Ein Kompetenzzentrum bietet Hilfe.

Wo Menschen einkaufen gehen, machen sie immer häufiger von Informationen abhängig, die sie über Ihr Smartphone erhalten. Auf den mobilen Verbraucher ist der Handel in NRW aber noch nicht eingerichtet, stellte das Kölner Handelsinstitut IFH schon im Juni fest. Das „Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Handel“ soll jetzt kleinen und mittleren Ladenbetreibern bei der Digitalisierung helfen. Denn die Zeit drängt: Experten des IFH sagen voraus, dass bis zum Jahr 2030 bis zu 20.000 Geschäften – das ist jedes fünfte in NRW - die Schließung droht.

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„Wir wollen die Digitalisierung für Händler greifbar machen“, sagt Judith Hellhake, die das im Sommer an den Start gegangene Kompetenzzentrum leitet. Es ist Teil der von der Bundesregierung auf den Weg gebrachten Digitalisierungsoffensive. „Die Handelsbranche steht vor einem großen Veränderungsprozess. Ohne Digitalisierung wird es in Zukunft nicht funktionieren“, erklärt Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). „Unser gemeinsames Ziel muss es sein, auch in Zukunft Innenstädte mit einem bunten Angebot an Händlern und Geschäften zu erhalten.“

„Handel ist ohne Digitalisierung nicht mehr möglich“

Um kleine und mittlere Firmen in die digitale Welt zu führen, hat der Bund für das Kompetenzzentrum Handel vier Partner gefunden: die Institute IBI Research an der Universität Regensburg, das IFH Köln und das ebenfalls in Köln ansässige EHI Retail Institute. Die Fäden laufen beim Handelsverband Deutschland zusammen. „Der Handel ist ohne Digitalisierung nicht mehr möglich“, sagt dessen Präsident Josef Sanktjohanser.

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Kein anderes Bundesland ist vom Handel so abhängig wie NRW: Rund ein Drittel des gesamten Einzelhandelsumsatzes in Deutschland wird von Unternehmen erwirtschaftet, die ihren Sitz in Nordrhein-Westfalen haben. Unter den 1000 umsatzstärksten Handelsunternehmen in Deutschland kommen ebenfalls rund 30 Prozent aus NRW. Die Prognosen des Instituts IFH sind düster: Seine Experten sagen voraus, dass von den knapp 110.000 Einzelhandelsgeschäften in NRW in den nächsten Jahren 13.000 bis 20.000 schließen werden. Zwischen Rhein und Weser werde Handel künftig vor allem in attraktiven, größeren, hochfrequentierten nordrhein-westfälischen Städten stattfinden.

Erfolg beginnt bei Social Media

IFH-Geschäftsführer Boris Hedde
IFH-Geschäftsführer Boris Hedde © Michaela Grönnebaum

Erfolgsfaktoren seien dabei die geographische Lage, aber auch Kundenverständnis und Kundenbindung. „Je passgenauer Angebote und Services gestaltet werden, desto größere Erfolgsaussichten hat ein Handelsunternehmen“, sagt IFH-Geschäftsführer Boris Hedde. Voraussetzung dafür sei, dass Händler Daten über Kunden und Kundenverhalten nutze. Und nicht erst da kommt die Digitalisierung ins Spiel.

„Es beginnt schon damit, dass Händler im Internet und bei den sozialen Medien präsent und gut sichtbar sind“, sagt Judith Hellhake vom Kompetenzzentrum Handel. Sie und ihr Team wollen den Geschäftsleuten bei Workshops vermitteln, wie sie mit einfachen Mitteln ihre Website gestalten, welche Online-Plattformen und Bezahlsysteme sie nutzen können. „Das Angebot ist sehr niederschwellig. Individualberatung können wir allerdings nicht leisten“, so Hellhake. Bei den Workshops arbeiten die Experten stattdessen mit positiven Beispielen, wie Digitalisierung im Handel aussehen kann.

Kleinere Unternehmen haben es schwerer

Aus Gesprächen mit Händlern weiß die Leiterin des Kompetenzzentrums, wo der Schuh drückt: „Kleinere Unternehmen haben mit der Digitalisierung deutlich mehr zu kämpfen als größere“, hat sie beobachtet. „Ihnen fehlen die Leute und die Zeit.“ Unter älteren Ladenbetreibern werde oft die Frage diskutiert, ob sich Investitionen etwa in einen guten Online-Auftritt überhaupt noch lohnen. „Die Scheu vor dem Thema ist groß“, meint Hellhake. Auch wenn die Händler selbst merken, dass die Treue ihrer Kunden durch das wachsende Angebot um sie herum bröckelt – vor allem im Netz.

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Auf der Checkliste, die die Händler erhalten, stehen aber nicht nur Punkte rund um die Auffindbarkeit im Internet und bei Suchmaschinen wie Google. Die Digitalisierung erfasst auch Warenwirtschaftssysteme und die Verarbeitung von Kundendaten. Was die Ladenbetreiber am Ende für sich selbst umsetzen, bleibt in ihrem Ermessen. Das Kompetenzzentrum will Möglichkeiten aufzeigen. „Unser Ziel ist es, dass die Unternehmen die Digitalisierung als Chance wahrnehmen“, sagt Judith Hellhake.