Essen. Durch den geplanten Verkauf der Kette Real sieht der Betriebsratschef 10.000 Arbeitsplätze gefährdet. Werner Klockhaus spricht von einem „Drama“.

Wenige Tage vor dem geplanten Verkauf der SB-Warenhauskette Real an Immobilien-Investoren warnt der Gesamtbetriebsratsvorsitzende vor einem personellen Kahlschlag und dem möglichen Aus für die Verwaltung in Düsseldorf. Er rechne „mit etwa 10.000 Arbeitslosen“, sagte Werner Klockhaus in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung. „Das heißt, fast jede dritte Stelle ist in akuter Gefahr. Es wird ein Drama.“

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Nach erheblichen Verzögerungen will Metro-Chef Olaf Koch bis Ende Januar eine Einigung über den Verkauf der 277 Real-Filialen mit ihren 34.000 Beschäftigten an ein deutsch-russisches Konsortium um den Einzelhandels-Immobilieninvestor X-Bricks verkaufen. Der potenzielle Erwerber machte bislang keine Angaben darüber, wie viele Real-Märkte er selbst betreiben will, wie viele an Wettbewerber wie Kaufland und Edeka verkauft und wie viele geschlossen werden. Auch aus dem Umfeld des Metro-Konzerns verlautete, dass Zahlen noch nicht festgezurrt seien.

Betriebsratschef Klockhaus, der auch stellvertretender Vorsitzender des Metro-Aufsichtsrats ist, wird deutlicher: „Man darf von rund 50 Schließungsmärkten oder mehr ausgehen“, meint er. „Wenn man pro Markt 120 Mitarbeiter zählt, wären das schon 6000 Beschäftigte, die ihren Arbeitsplatz verlieren.“

Betriebsrat von Politik enttäuscht

Nach Einschätzung des Gewerkschaftsmanns stehen auch die Real-Zentralverwaltung in Düsseldorf, Logistik, Werbung und die IT-Abteilung vor dem Aus. Arbeitsplätze sieht Klockhaus überdies durch die Weitergabe von Filialen an Konkurrenten bedroht. „Nach dem Verkauf wird nichts mehr so sein, wie es war“, unkt der Betriebsratsvorsitzende.

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Trotz eines dramatischen Hilferufs, den Betriebsräte im November an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gerichtet hatten, zeigt sich die Belegschaft tief enttäuscht von der Bundesregierung. „Ich glaube, dass die Politik die Situation des Verkaufs von Real komplett unterschätzt. Es gab viele Gespräche mit Politikern aus allen Ebenen, unter anderem auch mit Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, die uns leider bis jetzt nicht weitergeholfen haben“, sagt Klockhaus mit Blick auf den SPD-Politiker. Klockhaus kritisiert vor allem auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), der sich zum Schicksal von Real und der 34.000 Mitarbeiter bislang gar nicht geäußert habe, „obwohl der Verkauf an Mitbewerber erhebliche Auswirkungen auf die künftige Marktkonzentration im deutschen Lebensmitteleinzelhandel haben wird“, sagte Klockhaus.

Metro: Wir werden unserer sozialen Verantwortung gerecht

Eine Metro-Sprecherin wies auf WAZ-Anfrage den Eindruck zurück, mit dem Real-Verkauf drohe ein Kahlschlag. „Die Wahrung der Mitarbeiter-Interessen ist für den Metro-Vorstand ein zentrales Thema in den Verkaufsgesprächen. Wir setzen uns dafür ein, dass mit den Märkten auch die Mitarbeiter von den übernehmenden Unternehmen weiterbeschäftigt werden“, sagte sie. Die Sprecherin verwies zudem auf eine freiwillige Gesamtbetriebsvereinbarung, die vorsorglich für alle Real-Mitarbeiter eine soziale Absicherung vorsehe, die durch betriebsbedingte Kündigung ihren Arbeitsplatz bei einem übernehmenden Händler verlieren. Metro werde „ihrer sozialen Verantwortung gerecht“, betonte die Sprecherin.

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Die Verantwortung wird aber künftig ein Konsortium tragen, dessen Partner einem breiten Publikum weitgehend unbekannt sind. Der eine ist der auf den Lebensmittelhandel spezialisierte Immobilien-Investor X-Bricks. Das erst im August 2018 gegründete Unternehmen kauft Immobilien wie Supermärkte, Discounter und Fachmarktzentren und übernimmt das Mietermanagement. Im Dezember erst hat X-Bricks 13 Lidl- und drei Edeka-Märkte unter anderem in Dortmund von der Generali Gruppe erworben und das Portfolio auf 52 Objekte erweitert. Zu den zehn „Top-Mietern“ gehören aber nach eigenen Angaben Kaufland und Rewe.

Einflussreiche russische Oligarchen-Familie

Partner im Konsortium, das Real übernehmen will, ist die Investmentfirma SCP Group, die sich auf Immobilien in Europa und USA konzentriert. Hinter ihr steht die einflussreiche russische Oligarchen-Familie Evtushenkov, die neben zahlreichen anderen Beteiligungen auch die Mehrheit am russischen Telekommunikationsriesen Sistema hält.

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X-Bricks und SCP hatten sich sehr früh um die Real-Märkte bemüht. Metro-Chef Koch schlug das Angebot aber zunächst aus, weil das Konsortium Real vor allem an Kaufland weiterreichen wollte. Koch fürchtete kartellrechtliche Risiken. Im Dezember verzichtete das Konsortium schließlich auf die exklusive Kooperationsvereinbarung mit Kaufland. Koch brach die Verhandlungen mit dem Immobilien-Investor Redos ab und stieg in Gespräche mit X-Bricks und SCP ein. Sein Vorteil: Mit dem geplanten Verkauf übernimmt das Konsortium die kartellrechtlichen Risiken des Deals. Metro wäre die Kette Real, die zuletzt in die roten Zahlen gerutscht war, sofort los.

Verdi fordert Sicherung der Arbeitsplätze

Was die Eigentümer in spe mit den 277 Filialen, dem gut laufenden Online-Shop und 80 Real-Immobilien, die zum Paket gehören, vor hat, ist unklar. Aus dem Umfeld des Konsortiums ist zu hören, dass die riesigen Verkaufsflächen und der an vielen Standorten anzutreffende Investitionsstau die größten Risiken des Deals seien. Das dürfte sich nicht nur negativ auf den Verkaufserlös für die Metro niederschlagen, sondern auch auf die Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten der Mitarbeiter. Denn das Konsortium will offenbar nur einige Dutzend Filialen unter dem Namen Real weiterführen und die unwirtschaftlichen schließen. Die Standorte, die an Kaufland, Edeka und Co. weitergegeben werden, sollen womöglich unterteilt werden.

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Nicht nur deshalb schlägt auch die Gewerkschaft Verdi Alarm. „Metro als Verkäufer ist genauso wie der potenzielle Käufer in der Verantwortung für die Beschäftigten und ihre Familien“, sagte Verdi-Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger unserer Redaktion. „Die entscheidenden Forderungen aus Sicht der Beschäftigten sind die nachhaltige Sicherung ihrer Arbeitsplätze, der Schutz durch Verdi-Tarifverträge, die Sicherheit durch Betriebsratsstrukturen und der Verzicht auf eine Ausgliederung an selbstständige Kaufleute“, so Nutzenberger.