Essen. Strafe wegen illegaler Preisabsprachen gegen Thyssenkrupp, Voestalpine und Salzgitter. Innogy-Finanzchef Günther wird Thyssenkrupp-Aufsichtsrat.

Die Zeiten nicht immer sauberer Geschäfte holt Thyssenkrupp bis heute ein: Das Bundeskartellamt verhängte am Donnerstag Strafen in Höhe von insgesamt 646 Millionen Euro gegen Thyssenkrupp, Voestalpine und eine Salzgitter-Tochter. Wegen illegaler Preisabsprachen seien im Brückenbau, Schiffsbau und Windkraftanlagen verwendete Stahlbleche teurer als unter regulären Bedingungen geworden, so die Überzeugung der Behörde.

Thyssenkrupp muss mit 370 Millionen Euro den größten Anteil davon zahlen. Ein Sprecher aus der Essener Konzernzentrale bestätigte auf Nachfrage, dass es sich um die Summe handle, die bereits seit dem Geschäftsbericht 2017 als Rücklage für mögliche Kartellstrafen genannt wird. Da keine weiteren Verfahren anhängen, hofft man, dass dies nun die letzte Altlast war, die es abzutragen galt.

Preisabsprachen für Grobbleche von 2002 bis 2016

Die drei Stahlriesen und als viertes Unternehmen die Dillinger Hütte, die als Kronzeuge straffrei bleibt, haben sich nach Überzeugung der Kartellwächter von 2002 bis 2008 regelmäßig im sogenannten Technikerkreis der Walzstahl-Vereinigung getroffen und über Aufpreise und Zuschläge für so genannte Quartobleche abgestimmt – und so den Wettbewerb außer Kraft gesetzt. Die Stahlerzeuger hätten „bis Mitte 2016 diese Preisbestandteile weiterhin nach den einheitlichen, untereinander vereinbarten Modellen berechnet oder koordiniert voneinander abgeschrieben“, erläutert Kartellamtspräsident Andreas Mundt.

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Die Unternehmen hätten die Vorwürfe eingeräumt und einer einvernehmlichen Verfahrensbeendigung zugestimmt. Deshalb wussten sie auch seit einiger Zeit, was auf sie zukommt. Laut Kartellamt war es an Thyssenkrupp, mit einem neuen Preismodell für die Grobbleche das alte Preiskartell aufzulösen.

Erinnerungen ans Schienenkartell

Thyssenkrupp und seine Konkurrenten (zumindest abseits der illegalen Preisabsprachen) sind in den vergangenen Jahren mehrfach von der Bonner Kartellbehörde durchleuchtet und bestraft worden. Bundesweit für das größte Aufsehen sorgte das so genannte Schienenkartell zu Lasten der Deutschen Bahn. Auch hier musste Thyssenkrupp mit insgesamt 191 Millionen Euro den größten Teil der Kartellstrafe zahlen.

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Der Essener Industriekonzern sucht derzeit unter seiner neuen Chefin Martina Merz einen Weg aus der Dauerkrise. Entscheidend dazu beitragen sollen Milliardenerlöse aus dem geplanten Börsengang oder Verkauf der Aufzugsparte. Damit soll die Finanzlage des Gesamtkonzerns stabilisiert und in die anderen Geschäftsfelder investiert werden. Die unter jahrelangem Investitionsstau leidende Stahlsparte fordert einen großen Teil davon, um die jüngst vom Stahlvorstand vorgestellt Zukunftsstrategie umsetzen zu können. Weil Marktbeobachter am Erfolg des Konzernumbaus zweifeln, geriet Thyssenkrupp zuletzt auch ins Visier von Börsen-Spekulanten.

Tischendorf geht, Günther kommt

Innogy-Finanzchef Bernhard Günther soll Aufsichtsrat bei Thyssenkrupp werden.
Innogy-Finanzchef Bernhard Günther soll Aufsichtsrat bei Thyssenkrupp werden. © Fabian Strauch / FUNKE Foto Services | Fabian Strauch

Nach der Neuaufstellung des Konzernvorstands mit Merz, Finanzchef Johannes Dietsch und den für Stahl zuständigen Klaus Keysberg wird nun auch im Kontrollgremium kräftig rotiert: Als prominentester Verfechter eines Konzernumbaus in den vergangenen Jahren verlässt Jens Tischendorf den Aufsichtsrat. Er vertrat den schwedischen Investor Cevian als zweitgrößten Einzelaktionär und macht nun Platz für seine Kollegin Friederike Helfer. Die 43-jährige Österreicherin leitet das Schweizer Büro von Cevian.

Wie der Konzern mitteilte, werden sich neben Tischendorf mit Bernhard Pellens und Carola von Schmettow zwei weitere Vertreter der Anteilseigner auf der nächsten Hauptversammlung nicht zur Wiederwahl stellen. Der Aufsichtsrat wird an ihrer Stelle neben Helfer noch die frühere Ford-Managerin Birgit Behrendt (60) und den Innogy-Finanzchef Bernhard Günther vorschlagen. Er hat zuletzt die Übernahme seines Energiekonzerns durch den Konkurrenten Eon mit vorbereitet.