Dortmund. Die Essen Motor Show steht für superschnelle Sportautos und Oldtimer - also eher nicht für Klimaschutz. Doch auch die Tuner werden elektrisch.
Eine Porsche 911 im aggressiven Rennanzug ziert das Plakat der an diesem Samstag offiziell startenden Essen Motor Show, man darf unterstellen: kein elektrisch angetriebener. Der langsame, aber unaufhaltsame Wandel der gesamten Autobranche hin zur Elektromobilität hinterlässt aber auch bei den Tunern Spuren. Bislang kommen die schnellsten Porsche der Welt mit Straßenzulassung aus Dortmund von 9FF. Unternehmensgründer Jan Fatthauer hat keine Angst vor der E-Zukunft und glaubt an diese Natur des Menschen: „Einer von zehn sagt immer: Ich will aber schneller sein.“
Ingenieur Jan Fatthauer (52) baut seit 2006 die zeitweise schnellsten straßenzugelassenen Autos der Welt hinter dem Dortmunder Flughafen, gefühlt schon in Unna. Urkunden und Auszeichnungen an der Espresso-Bar bezeugen die rennsportlichen Erfolge: angefangen von 409 bis 437 km/h.
Karriere bei Porsche-Spezialisten
Zum Beginn seiner Karriere arbeitete der immer noch hörbar aus Bremen Stammende bei den Großen der Branche. Als junger diplomierter Fahrzeugingenieur eben bei Brabus in Bottrop, danach beim bayerischen Porsche-Spezialisten Ruf (der 2008 schon einmal einen Elektro-911 auf die Räder stellte).
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9FF – Die Neun mit den zwei Buchstaben dahinter sollte dem legendären Kürzel 911 möglichst nah kommen. Für die Gründung im Jahr 2001 suchte der geborene Porsche-Fan Fatthauer (Durchwahl: 911, Poster des Schauspieler-Rennfahrers Steve McQueen an der Bürowand) ein zweites „F”. Der damalige Mitnamensgeber Herr Frei ist längst Geschichte. Das zweite F wird heute gerne Frau Fatthauer, Vorname Frauke, zugeschrieben. Mit zurzeit zwölf Mitarbeitern erledigt 9FF an der Projektstraße vom Ölwechsel bis zum 2000-PS-Umbau alles, was der Kunde zu bezahlen wünscht.
Beschleunigung wichtiger als Top-Speed
Top-Speed-Rekorde für Serienfahrzeuge versucht Fatthauer nicht mehr zu brechen. Inzwischen sind die Geschwindigkeiten so hoch, dass es in Europa nur noch eine einzige ausreichend lange Gerade gibt. Man setzt auf Bestmarken bei der Beschleunigung. Der „Salvatore“, Kundenautos werden nach dem Vornamen ihre Besitzers benannt, hält den Europarekord. Nach einer halbe Meile oder 804 Meter – also etwa der Kürze der an der Essener Messe vorbeiführenden Norbertstraße - ist „Salvatore“ 347 km/h schnell. Am Steuer saß beim Rekordversuch Sohn Jannes (21), zeitgemäß dokumentiert von You-Tube-Filmern.
Gerade das, nämlich sehr schnell beschleunigen, können Elektroautos jedoch sehr gut. Der allradgetriebene Tesla Model X etwa erreicht nach weniger als drei Sekunden 100 km/h und nähert sich damit dem noch möglichen Grenzwert von 2,5 Sekunden. Autobahn-Höchsttempo saugt auch eine XXL-Batterie in Minutenschnelle leer, warum auch die stärksten Elektroautos alle gedrosselt sind. Da wird für Tuner die Luft zur Verbesserung des Batterie-gespeisten Stromantriebs dünn. Und klassischer Motorenbau mit all seiner Komplexität entfällt in der schönen neuen E-Welt. Niemand, auch nicht die meisten großen Autohersteller, kommt auf die Idee, einen Elektromotor selbst zu entwickeln.
Brabus tunt auch E-Autos
Aber ein bisschen schneller geht natürlich immer, und sei es, durch Gewichtsreduzierung. Ansonsten fährt der Tuning-Trend durchs Batterieauto noch mehr Richtung Veredelung ab. Constantin Buschmann von Brabus, dem größten unabhängigen Mercedes-Tuner weltweit, gegenüber der WAZ: Es sei für einen Tuner tägliches Geschäft, sich intensiv mit den neuen Technologien auseinandersetzen. Für E-Smart, Tesla oder die teilelektrischen Hybrid-Modelle von Mercedes gebe es bereits ein Veredelungsprogramm.
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„Das PS-Festival“ heißt es im Untertitel der Motor Show. Ob es mal einen Brabus mit 1000 Kilowatt geben wird, der elektrischen Leistungsgröße? Constantin Buschmann antwortet mit Bezug auf die alte Verbrenner-Einheit: „Zurzeit sind wir bei 900 PS, und das ist mehr als ausreichend.“
Das Geschäftsmodell ändert sich
Bei 9FF stehen die ersten zu veredelten Volkswagen in der Halle. VW startet bekanntlich mit dem ID3 die größte Elektroffensive der deutschen Hersteller und wird aus dem Stand voraussichtlich mehr Stromer bauen als US-Pionier Tesla. Fatthauer. „Wir wollen diesen Einstieg nicht verpassen.“ Geändert hat sich sein Geschäftsmodell weg vom reinen Tuning bereits jetzt. Die ersten wassergekühlten Porsche 911 sind bereits in ihren Zwanziger-Jahren und werden so zu pflegebedürftigen Klassikern und Restaurationsobjekten.